Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

16,5 Minuten bei 215° Celsius

So röstet Ursula Ripper den Bessunger Schümli

Montags hat das Heiping zu. Dann röstet Frau Ripper nämlich Kaffee in der Karlstraße. Das erfordert ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Aufmerksamkeit. Ablenkung braucht sie dabei keine. Uns hat sie trotzdem mal reingelassen – in die Darmstädter Kaffeerösterei.

Kaffee ist eins der aromareichsten Lebensmittel überhaupt, allerdings erst nach der Röstung. Denn dabei werden durch die Hitzezufuhr die Inhaltsstoffe verändert und neu zusammengesetzt. Es entstehen bis zu eintausend neue Aromen. Die Bohnen werden also sozusagen aromatisch und damit auch geschmacklich völlig neu konfiguriert.

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Das geschieht im Heiping mithilfe eines traditionellen Trommelrösters. Ganz in Schwarz und Chrom gehalten hat er sich in den linken Teil des Ladenlokals gepflanzt und wartet jetzt im vorgeheizten Zustand darauf gefüllt zu werden. Bis zu zwölf Kilogramm Kaffee fasst seine Trommel. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass es der Kaffee-Qualität gut tut, wenn man die Kapazität nicht komplett ausnutzt. Also füllt Ursula Ripper etwas weniger in diese Maschine, die etwa so viel kostet wie ein mittlerer Kleinwagen und in ihrer Form an den vorderen Teil einer Dampflokomotive erinnert.

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Die Temperatur-Anzeige des Rösters liegt exakt bei 215° C als Frau Ripper die Kaffeebohnen von oben in die Trommel schüttet. Es sind die Bohnen von drei verschiedenen Pflanzen, die in einem Röstvorgang zum Bessunger Schümli werden. Einige der neunzehn im regionalen Lädchen und im Online-Shop erhältlichen Kaffeemarken werden aber auch sortenrein geröstet, Espressi dagegen sind immer Kombinationen. Auch Rösttemperatur und -dauer variieren von Sorte zu Sorte, Espressi werden am längsten geröstet.

 

So verläuft eine Trommelröstung

Der hellgrüne und eher nach Heu duftende Rohkaffee wird in die Trommel des vorgewärmten Rösters gegeben. Die ständige Rotation der Trommel hält die Füllung während des gesamten Prozesses in Bewegung. So ist sichergestellt, dass die Bohnen gleichmäßig durch die Hitzezufuhr getrocknet werden. Durch den damit verbundenen Feuchtigkeitsentzug wird der Kaffee am Ende zwischen 16 und 19 Prozent seines Gewichts verloren haben.

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Nach kurzer Zeit lösen sich die Silberhäute, welche die rohen Bohnen wie ein Schutzmantel umgeben. Sie werden durch Zufuhr von Druckluft entfernt.

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Dann beginnen die Bohnen sich zu verfärben. Zuerst nehmen sie einen gelblichen Ton an, der aber allmählich ins Braun wechselt. Jetzt erfüllt auch ein würziger Geruch den Raum und das Volumen der Kaffeebohnen nimmt trotz Gewichtsverlust deutlich zu. In den Bohnen ist nämlich durch die chemischen Prozesse ein Druck entstanden, der die Zellwände hörbar aufsprengt. Man spricht hier vom ersten „Knack“ (Espresso knackt zwei Mal).

Nach dem „Knack“ entscheiden die nächsten Minuten darüber ob der gewünschte Kaffee gelingt. Innerhalb dieser Zeit kann sich die Farbe blitzschnell von hellem Braun bis hin zu glänzendem Schwarz verändern. Bereits minimale Abweichungen in Zeit und Temperatur machen einen Rohkaffee zu ganz unterschiedlich schmeckenden Kaffees. Man kann sagen: Je dunkler die Farbe des gerösteten Kaffees ist, desto süßer, aber auch bitterer ist er.

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Die fertig gerösteten Bohnen ergießen sich jetzt durch eine Öffnung aus der Trommel in ein Auffangbecken. Dort werden noch fehlerhafte Bohnen und restliche Silberhäute per Hand entfernt. Dann ist der Kaffee fertig und wird abgefüllt. Luftdicht verpackt hält er sich mindestens zwölf Monate, doch ständiges Öffnen der Packung führt zum Verlust des Aromas.

 

Ein niedriger Kaffee-Preis kann auf den Magen schlagen

Im Gegensatz zum oben geschilderten Trommelverfahren wird industriell hergestellter Kaffee in riesigen Mengen im Heißluftverfahren in ultra-kurzer Zeit geröstet – zwischen zwei und fünf Minuten bei 600–800° C. Für dieses Röstverfahren gibt es nur einen einzigen Grund – die Produktionskosten. Ihr wisst ja: Zeit ist Geld.

Die im Kaffee enthaltenen Chlorogensäuren werden aber nur durch längere Röstzeiten vollständig abgebaut. Und genau diese Säuren sind es, die unsere Magenschleimhaut so nerven. Deshalb ist ein guter Espresso so verträglich, da der sehr lange geröstet wird – er muss sogar zweimal knacken – und Industrie-Kaffee kann uns eben auf den Magen schlagen.

 

Achtzehn Sorten und der Neue

Es ist immer Handarbeit und das Prinzip ist immer gleich, aber trotzdem liegt jedem der im Heiping erhältlichen Kaffees eine andere Rezeptur zugrunde – unterschiedliche sortenreine Rohkaffees, gemeinsam oder getrennt geröstete Mischungen, höhere oder niedrigere Temperaturen beim Rösten oder verschiedene Zeiten. Außerdem probiert Frau Ripper immer wieder Neues. Nicht alles verfolgt sie dann weiter, aber einiges. Und so bekamen die achtzehn Kaffees unlängst Zuwachs. Es war bestimmt an einem Montag, als das Heiping geschlossen war und Ursula Ripper in der Karlstraße Kaffee geröstet hat.

Fotografiert hat Wolfgang Merkle an einem Montag in der Darmstädter Kaffeerösterei.

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(Beim Schreiben unter anderem gehört: „Leave the World Behind “ von Lune)

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Lest mehr über die Familie Ripper:

Mit Herz und guten Ideen – Heiping, regionales Lädchen
Alles echt und echt von hier – Heiping, das Weinlokal in Darmstadt-Bessungen

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