Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

In der Odenwälder Kochkäserei

„Es is alles wie frijä, blous die Dibbe sinn gräißer worn!“
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In ganz Deutschland gibt es nur noch drei bis vier reine Kochkäse-Produktionen. Eine davon ist die Odenwälder Kochkäserei in Fürth-Lörzenbach. Hier stellen Frank Rettig und sein Team der Marktkonzentration zum Trotz zweimal die Woche den Hausmacher Kochkäse mit echter Odenwälder Seele her –natürlich ganz ohne Bindemittel, Farbstoffe und ähnliches Gedöns.

 

Frank Rettig erzählt, dass seit einigen Jahren immer wieder ältere Damen anrufen, die sich wundern, dass ihnen ihr Kochkäse nicht mehr gelingt. Der Grund dafür ist der heutige – im wahrsten Sinne des Wortes – Industrie-Quark. Der ist wärmebehandelt und enthält mehr Molke, die als Quark mitverkauft wird. Money rules the world, quality doesn’t. Aber nicht hier. In der Odenwälder Kochkäserei wird ausschließlich Magerquark aus der Molkerei Hüttenthal verwendet, wo noch nach traditioneller Weise der Quark entsteht, ohne ultrahocherhitzt und entseelt zu werden. Uns geht das Herz auf. Das sind die Gründe, warum wir das alles machen.

 

Wie alles begann

Alles nahm seinen Anfang – wie soll es auch anders sein – bei einem Bier nach Feierabend. Zu Beginn der Neunziger Jahre sitzt Metzgermeister Frank Rettig mit einem befreundeten Einzelhändler zusammen. Und der sagt, dass immer wieder Kunden nach klassischem Kochkäse fragen – also nicht nach dem industriell gefertigten. Und dann fragt er, ob der Metzger nicht jemanden wüsste, der noch so einen herstellt. Der kennt noch das Rezept von Oma Kathrin und bietet zum Spaß an, mal einen großem Topf zu „kochen“. Gesagt, getan, geliefert. Frank Rettig ist noch nicht wieder zu Hause, da klingelt das Telefon. Ausverkauft. Nur drei Monate später produziert Frank Rettig dreihundert Kilogramm Kochkäse pro Woche und beliefert mehrere Einzelhändler.

Produziert wurde zuerst im Keller der Schwester im Seidenbachtal, 1992 erfolgte die Gründung der Odenwälder Kochkäserei und 1998 entstand dann die Produktionshalle in Fürth-Lörzenbach. Dort arbeiten heute sechzehn Mitarbeiter und es werden wöchentlich fünftausend Kilogramm Kochkäse hergestellt. Industrielle Großproduktionen beginnen mit der zehnfachen Menge, aber Frank Rettig sieht seine Zukunft nicht in einer Steigerung der Produktionsmenge und in Expansion. Er setzt auf die glaubhafte Strahlkraft eines kleinen Familienbetriebes mit klar erkennbaren regionalen Wurzeln und traditionellen Verfahren. Und wir auch.

 

Probieren geht über Studieren

Den Hausmacher Kochkäse nach dem Originalrezept von Oma Kathrin zu produzieren, war anfangs kein Problem, aber mit wachsenden Produktionsmengen kamen auch die Schwierigkeiten. Es stellte sich heraus, dass man die Produktionsweise kleiner Mengen nicht einfach auf die Produktion großer Mengen übertragen kann.

Auf dem Herd war es ihm nie passiert, dass sich die Masse beim Kochen zersetzt hatte.

Dann zersetzten sich zweimal gleich 250 Kilogramm. Die Verwendung von Bindemittel wäre vielleicht eine Lösung gewesen, aber die kam für den ehemaligen Metzger nicht in Frage. Es sollte und soll bei der Rezeptur bleiben, die Frank Rettig von Zuhause kennt.

Es gab niemanden, den er hätte fragen können. Also hieß es Nerven behalten, alle Faktoren überprüfen und sich langsam an die Lösung herantasten. Dabei spielten Faktoren wie der Zustand des Quarks, die Außentemperatur, die Luftfeuchtigkeit und vieles mehr eine Rolle.

Kurz vorm Scheitern – vier oder fünf Produktionen waren im wahrsten Sinne des Wortes im Eimer – hatte er den Bogen raus. Heute ist er froh darüber, weil es eben nicht jeder einfach mal nachmachen kann.

 

So entsteht der Hausmacher Kochkäse der Odenwälder Kochkäserei

Zuerst wird aus dem Magerquark die Molke herausgepresst. Dazu wird er in durchlässigen Säcken übereinandergestapelt und kommt in eine Presse. Dort verliert der Quark unter Druck dreißig bis vierzig Prozent des Gewichts.

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Der trockene Quark wird dann in einen ziemlich großen Metzgerkutter gefüllt, in dem fünfhundert Kilogramm auf ein Mal verarbeitet werden. Natron wird hinzugefügt, um die Säure im Quark zu reduzieren. Während dieses etwa einstündigen Reifeprozesses wird die Masse klebrig und glasig gelb.

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Jetzt ist der Quark bereit sich mit den restlichen Zutaten zu verbinden. Dazu wird die Masse leicht erwärmt und unter ständigem Rühren – wie gesagt fünfhundert Kilogramm – werden Milch, Sahne und Butter eingearbeitet. Dieser Vorgang dauert rund fünfundvierzig Minuten.

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Nach dem Kuttern wird die Masse in riesige Simmertopf-Sonderanfertigungen (nach Frank Rettigs Ideen von einem Bekannten angefertigt) befördert, auf achtzig Grad erwärmt und anschließend abgefüllt. Fertig. Jetzt muss dieses einhundertprozentige Odenwald-Produkt „nur noch“ unter die Leute gebracht werden.

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Abfüllen des Kochkäses in der Odenwälder Kochkäserei Kochkäserei

 

Immer eine frische Angelegenheit, dieser Kochkäse

Die Produktion vom Mittwoch ist in der Regel am Samstag komplett ausverkauft, die vom Freitag am folgenden Donnerstag. Der Kochkäs-Aficionado bekommt also immer richtig frische Ware – ein weiterer Vorteil des Hausmacher Kochkäs gegenüber industrieller Massenware.

Zwei Fahrer beliefern von Fürth aus so um die 450 Einzelhandelsgeschäfte. Jeder von ihnen fährt wöchentlich etwa 1500 Kilometer. Die Hauptvertriebsregion liegt im Umkreis von sechzig Kilometern, aber es gibt auch Kunden in Gießen oder Wetzlar.

Und selbstverständlich ist der Kochkäse auch im eigenen Landlädchen vor der Produktionshalle erhältlich, genau wie der Odenwälder Schoppekäs (eine Art Obatzter) und einige Frischkäsesorten – samt und sonders ohne Konservierungsmittel oder Fremdstoffe wie Geschmacksverstärker – und weitere regionale Spezialitäten weitere Hersteller.

Vor dem Landlädchen der Odenwälder Kochkäserei in Fürth

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Kühltresen im Landlärchen der Odenwälder Kochkäserei

Im Landlädchen der Odenwälder Kochkäserei

Mission Kochkäse

Dem Kochkäse geht es nicht anders als dem Pfälzer Saumagen. Wer ihn nicht kennt, rümpft zuerst die Nase. Oder anders: Was der Bauer nicht kennt, das …

Aber dagegen wird in der Käsestube der Kochkäserei echte Überzeugungsarbeit geleistet. Und das mit Erfolg. Im Jahr 2015 strömten Neugierige aus über einhundert Bussen in die Käsestube. 2016 musste angebaut werden.

Hier kann man im rustikalen Ambiente oder bei schönem Wetter draußen an der Teichanlage probieren, vespern und feiern (Anfragen sind durchaus erwünscht). Es gibt nicht nur die hauseigenen Spezialitäten, sondern auch weitere Käsesorten aus Hüttenthal und Versperteller mit regionaler Wurst der Metzgerei Vetter.

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Ausblick

In der Käsestube schließt sich auch der Kreis. Hier hängt die große Kopie eines alten Fotos, das Oma Kathrin in der Küche zeigt. Und was mit ihrem Rezept begann, ist inzwischen zu einem generationen-übergreifenden Familienbetrieb geworden.

oma-rettig-kochkaseFrank Rettig wird tatkräftig von seiner Lebensgefährtin Annette Ehret unterstützt, seine Tochter Carina Schmidt und ihr Ehemann Matthias arbeiten im Betrieb mit und wollen ihn auch später fortführen. In der Familie und im ganzen Team zeigt sich, dass die Odenwälder Kochkäserei nicht nur ein traditionsbewusstes Unternehmen ist, sondern inzwischen auch seine eigene Geschichte schreibt. Gnanasundaram Ambihaapathy beispielsweise arbeitet seit rund zwanzig Jahren im Betrieb. Der unentbehrliche Mann aus Sri Lanka, der kurz Ambi gerufen wird, hat sich inzwischen zu einem echten Kochkäse-Versteher entwickelt und hantiert souverän mit der sensiblen Masse. Und mit dem Blick nach vorn stellt sich der junge Käsemeister Thorsten Schwöbel, der aus der Molkerei Hüttenthal zum Team stieß, täglich seiner Verantwortung.

Es läuft also in der Kochkäserei in Fürth. Und, wie gesagt, wachsen muss das Unternehmen nicht. Frank Rettig sieht eher Chancen in einer besseren Vernetzung der einzelnen Erzeuger im Odenwald und an der Bergstraße – um die Zukunft der traditionellen Produkte zu gewährleisten, die Qualität zu sichern und um den Tourismus in der Region attraktiver zu gestalten. Und das, das sehen wir genau so. Aber so was von.

Fotografie: Thomas Hobein. Nur das Bild, das Oma Kathrin am Herd zeigt, stammt aus dem privaten Besitz Frank Rettigs.

(Beim Schreiben gehört: „The Ultimate Collection“ von Electric Light Orchestra)

5 Kommentare zu “In der Odenwälder Kochkäserei

  1. otto

    Ein Problem ist eigentlich der Versand. Ich finde hier nur 200 gr Packungen und würde gerne mal ein größeres Gebinde ( ca 1 kg) erwerben. Komme leider nur selten in die alte Heimat. Gruß

    1. Hallo Otto. Es gibt sehr gute Nachrichten. Der Köchkäse-Notstand kann beendet werden, weil die Odenwälder Kochkäserei ihren Kochkäse ab einer Abnahmemenge von 24 Bechern auch verschickt. Dazu wird er runtergekühlt bis kurz vor den Gefrierpunkt und dann versendet. Man kann diesen Kochkäse dann sogar 1 Jahr im Tiefkühlfach lagern, ohne dass sich die Konsistenz ändert oder das tolle Aroma verloren geht. Aufgetaut werden muss er dazu aber unbedingt im Kühlschrank, nicht im Warmen. Der Kontakt ist ganz einfach per Mail über unsere Empfehlungsseite herzustellen. Liebe Grüße, Michael

  2. Franz Josef Berg

    Na, das ist ja mal eine schöne Geschichte, diese habe ich von Anfang an verfolgen können,von den hier beschriebenen Anfängen in Seidenbach, bis heute in Lörzenbach (mein Bruder Bernhard ist in Erlenbach verheiratet)
    Ich bin ja aus Kroeckelbach, lebe seit sechzehn Jahren in Lahnau, zwischen Wetzlar und Gießen und kaufe jedesmal wenn ich in der Nähe bin da ein.
    Aber wenn der Jeeper zu groß wird, dann kann ich auch in Dutenhofen im Globus-Handelshof den
    „Odenwälder Kochkäse“dort kaufen.
    Hab gehört, dass es den Käse sogar auch in Bremen zu kaufen gibt.
    Es freut mich zu hören dass es mit der Tradition weitergeht, „das Zeug“ schmeckt einfach saugeil, in allen Variationen.
    Meine Mutter hat den auch sehr gut gemacht, eurer schmeckt fast so gut.
    In meiner Firma gibt es Kollegen,die können auch nicht genug davon bekommen, die muss ich dann mit Nachschub versorgen.
    Weiterhin viel Erfolg und macht genau sooooo weiter
    Liebe Grüße
    Franz Josef Berg

  3. Susanne

    Wir lieben den Odenwälder Kochkäs‘. Gerade habe ich wieder eine neue Fuhre mit 24 Bechern geordert gehabt. Die Lieferung klappt wunderbar und der Käse ist dann auch immer noch kalt. 1 Jahr halten die 24 Becher bei uns allerdings nicht 😉
    Mein Sohn sagt immer: „Mama, können wir mal wieder Schnitzel mit dieser leckeren weißen Creme machen“ 🙂

  4. Dexler Marianne

    Leider wird der Kochkäse heute nicht mehr verschickt. Wir sind vom Süden Hessens tief in den Untertaunus bei Limburg gezogen. Morgen fahren wir (111 km und 1,5 Std. Fahrt) extra wieder in den Odenwald um Nachschub zu holen. So 40 – 50 Becher werden es wieder sein ohne die anderen Leckereien. Wir frieren ein. Klappt wunderbar. Auch die Wurst ist ein Hit.

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