Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Wenn Wein Farbe bekennt

Ein kulinarisches Abenteuer unter künstlichem Licht

Du hast dich den ganzen Tag darauf gefreut – auf einen Schluck Erinnerung an den letzten Urlaub. Jetzt entkorkst du eine Flasche von dem Wein, den du dir extra dazu mitgebracht hast. Also von dem Wein, den du in diesem tollen Restaurant auf dieser Piazza in Venedig getrunken hast. Und der aus einem geilen Tag den vollkommenen Tag gemacht hat. Sanft ploppt der Korken aus der Flasche. Heraus steigt ein Duft … hmm … ein Duft, der so gar nicht dem entspricht, den du abgespeichert hast. Egal. Etwas ernüchtert probierst du den Wein und er schmeckt schei… äh … gar nicht gut.

Nun, so oder in ähnlicher Weise ist fast jeder schon einmal von kulinarischen Urlaubs-Mitbringseln enttäuscht worden. Aber warum? Ganz einfach. Es liegt an unserer Wahrnehmung. Alles um uns herum beeinflusst unsere Geruchs- und Geschmackserlebnisse – nicht nur die Speisen oder Getränke selbst. Also kann ein Wein, den du zuhause auf deiner Couch trinkst, gar nicht so schmecken wie in Venedig. Er kann dir schlechter oder auch besser gefallen. In jedem Fall schmeckt er anders.

Luft, Temperatur, Gerüche, Geräusche, das Wetter und die eigene Stimmung verändern unserer Geschmacks-Wahrnehmung. Ganz besonders aber Farbe und Licht. Und um genau das eindrucksvoll zu demonstrieren haben uns die Lichtgestalter Rosa Erdmann und Christoph Pullmann nach Zwingenberg zu einer ganz besonderen Weinprobe eingeladen.

Wir sind skeptisch als wir unter zwei futuristisch anmutenden Deckenleuchten Platz nehmen. Diese Lampen sind Prototypen deren Licht sich aus sieben, exakt steuerbaren Leuchtdioden zusammensetzt. Mittels einer Software kann so nahezu jede denkbare Lichtfarbe/Farbtemperatur erzeugt werden. Sie sind die eigentlichen Stars des Abends – natürlich neben den drei Weinen, die Johannes Bürkle vom Weingut Simon-Bürkle präsentiert.

Als die Runde der Probanden komplett ist geht es los. Die Teilnehmer/innen sind gespannt. Und obwohl einige auch beruflich mit Licht zu tun haben, wissen auch sie nicht genau, was uns erwartet.

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Gewürztraminer, 2013, trocken ausgebaut

Nach einer kurzen Einführung durch Christoph rund um das Thema Licht und wie wir es wahrnehmen geht es los. Wir beginnen die Probe bei einer Farbtemperatur von 3200 K (Kelvin), das ist ein angenehmes warmes Weiß. Es entspricht etwa einer gängigen Innenraumbeleuchtung. Der feine Gewürztraminer überzeugt durch sein raffiniertes Wechselspiel zwischen Säure und Süße. In der Nase hinterlässt er einen etwas exotischen Duft.

Dann taucht Christoph den Raum in ein tiefes Rot. Es folgt das erste Aha-Erlebnis. Wir schnüffeln und probieren erneut. Der Wein riecht ganz anders – nicht mehr so fruchtig, aber süßer. Und er schmeckt auch süßer, dann aber auch saurer. Irgendwie ist alles intensiver, aber nicht besser.

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Yves-Klein-Blau ist die nächste Farbe. Dem Wein bekommt das gar nicht. Er riecht und schmeckt flacher – wie abgestanden. Dann wird der Raum gritzegrün und der Wein bitter.

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Wir kehren zur Ausgangssituation zurück und alle sind baff. Der Wein schmeckt wie am Anfang. Doch es geht weiter.

Das Licht hat jetzt 2700 K, das entspricht dem sehr warmen Licht handelsüblicher Glühlampen, also auch dem Licht, das in vielen Weinstuben für ein romantisches Ambiente sorgt. Wir nehmen den Wein tendenziell so wahr, wie im Knallrot, aber nicht so ausgeprägt. Er ist voll im Geschmack, Geruch und Geschmack sind intensiver. Zusätzlich fällt uns eine leichte Bitternote auf.

Dann geht es an den Strand. 7000 K (Strand am Meer) färben Raum und Teilnehmer leicht blau. Der Wein flacht ab, Geruch und Geschmack verlieren deutlich an Intensität. Wenn man jetzt noch weiß, das die Farbtemperatur am Meer noch deutlich höher (kälter) sein kann, der wird nie wieder einen teuren Wein in praller Urlaubssonne trinken.

 

Granit, Riesling trocken, 2014

Wieder starten wir bei 3200 K und erleben einen frischen, fruchtigen Riesling mit einer leichten mineralischen Note, die sich das Gewächs aus dem Granit holt auf dem es wächst. Granitlagen gibt es auf der ganzen Welt. Dort werden aber vorzugsweise Rotweine angebaut – also trinken wir nicht nur Leckeres sondern auch Besonderes.

Wir fragen uns, wie der Wein in schummrigen Weinstuben schmecken mag. Also reguliert Lichtgestalter Christoph die Lampen wieder auf 2700 K. Das Licht wird wieder wärmer, der Wein verliert seine Frische und seine Säure. Am Strand passiert das Gegenteil. Der Riesling erscheint uns viel frischer, ja, sauer. Seine fruchtige Note dagegen bleibt auf der Strecke.

Die knalligen monochromen Farben lassen wir in dieser Runde aus.

 

Pan, Rotwein trocken, Barrique, 2011

 Dieser Rotwein ist eine ausgesprochen großartige, nicht zu schwere Komposition aus Cabernet-Sauvignon und Spätburgunder. Nachdem wir ihn bei 3200 K kennen und schätzen gelernt haben, geht die Lichtorgel an – diesmal in der Reihenfolge Blau, Rot, Grün.

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Blau lässt uns den Geruch als sauer empfinden; einige meinen das Holz des Fasses zu schmecken. Rot zaubert den Geschmack des Cuvées einfach weg. Er riecht jetzt stark nach Alkohol, fast wie ein Cognac. In grünem Licht verliert der Rotwein an Säure, wird weicher und ein wenig bitter.

Nach kurzer Rückbesinnung in warm weißem Licht (ja, es ist noch der tolle Rotwein von eben) gehen die Glühlampen (2700 K) an. Der Wein riecht lecker und intensiver. Ich meine auch, dass er bitterer wird. Doch Johannes Bürkle erklärt, dass in diesem Licht wohl die Adstringenz des Weines stärker betont würde. Das ist die Eigenschaft eines Weines ein pelziges, rauhes Gefühl auf der Zunge zu erzeugen, das zuweilen mit dem Geschmackseindruck „Bitterkeit“ verwechselt wird.

Dann besuchen wir das letzte Mal mit unserem Wein den Strand. Hier (7000 K) verliert der edle Tropfen alles, was ihn ausmacht und er wird bitter, also diesmal wirklich.

 

Und zum Schluss: Schokolade

Wieder eingehüllt ins normale Licht sichere ich mir vorsichtshalber noch einen ordentlichen Schluck Pan vom Weingut Simon-Bürkle. Währenddessen serviert Rosa Erdmann zum Abschluss der Weinprobe noch Schokolade mit einem hohen Kakao-Anteil. Und als alle genüsslich darauf herum-mümmeln schaltet Christoph alles auf rot. Und Zartbitter wird süß wie Vollmilch, fast jedenfalls.

Zu Anfang war ich skeptisch. Und ich glaube auch jetzt noch, dass einige Ergebnisse der Versuchssituation in der Gruppe geschuldet sind. Aber dennoch bin ich überzeugt, dass Licht unsere Wahrnehmung verändert und damit eben auch das, was wir riechen und schmecken. Winzer Johannes Bürkle probiert seine Weine jedenfalls bei Tageslicht, wenn es um diffizile Beurteilungen geht und nicht mehr wie früher im Weinkeller unter Leuchtstoffröhren

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Und was den Wein aus dem Urlaub betrifft: Ich werde auch weiterhin welchen mitbringen und auf der Couch entkorken – aber mit einer ganz anderen Erwartungshaltung.

Fotografie: Thomas Hobein

(Beim Schreiben gehört: „Riot On An Empty Street“ von den „Kings of Convenience“)

5 Kommentare zu “Wenn Wein Farbe bekennt

  1. Lieber Thomas,
    danke für diesen tollen Bericht und danke vor allem auch für den schönen Abend! Wir hoffen, noch vielen viele solcher Abende voller Erfahrungen und Denkanstöße bieten zu können – was ich sagen will ist: Wir sind buchbar! Endlich!Gutes. weiß wo und wie….
    Liebe Grüße, Christoph

  2. Pingback: 22.03. Wenn Wein Farbe bekennt – Lichtweinprobe

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  4. Wenn jemand dabei sein will: Die nächste Lichtwein Probe findet im CafeRodenstein statt.

    Dienstag, 22. März 2016, 19 Uhr
    Wenn Wein Farbe bekennt
    Lichtweinprobe mit Lichtgestalter Christoph Pullmann und Winzer Hanno Rothweiler
    Teilnahmegebühr 35 € (im Preis inbegriffen sind alle zu probierenden Weine sowie Wasser und ein Rodensteiner Museumsteller für zwischendurch)
    Teilnehmerzahl auf 40 Personen begrenzt
    Ort: Café Rodenstein, Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt
    Dauer: ca 2,5 h. Eine Kooperation von vinocentral GmbH, Café Rodenstein und Endlich Gutes
    Weitere Informationen unter http://www.caferodenstein.de, http://www.vinocentral.de, http://www.lichtgestalt-er.de und http://www.weingut-rothweiler.de

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