Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Spontane Zeitreise

Ein Besuch im Odenwälder Freilandmuseum
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Die typische Kulinarik einer Region ist untrennbar verbunden mit den Lebensumständen der Menschen. Und die hiesigen kann man sich ganz prima im Odenwälder Freilandmuseum in Gottersdorf, einem Stadtteil von Walldürn, ansehen. Seit Start unserer Website hatte ich vor, dort vorbeizuschauen. Jetzt ergab sich ganz unverhofft die Möglichkeit und ich bin dann mal hin. Und ich muss sagen, wer am kommenden Wochenende noch nix vorhat, der kann/sollte, darf …

 

Bahnhof Michelstadt. Ich sitze im Mietwagen, schalte mein Smartphone aus und denke nach. Gerade hat sich nach zwei Telefonaten mein geplanter Tagesablauf verändert, verschoben, zerschlagen. Was tun?

 

„Grübel. Grübel. Denk. Denk.“

Glücklicherweise erscheint bereits nach kurzer Zeit über meinem Kopf die comictypische Glühlampe als Zeichen einer Idee – muss jedenfalls, so wie mich die vorbeilaufende Frau anglotzt. Denn eine Nudel hängt mir ausnahmsweise nicht an der Backe.

Ich setze den Kleinwagen aus Rüsselsheim in Gang, fahre wenige Meter auf der B 45 nach Süden, biege dann ab auf die B 47 und nehme Amorbach ins Visier. Das lasse ich einige Zeit sozusagen links liegen, obwohl er Ortskern rechts von mir ist, und bleibe auf der gleichen Bundesstraße in Richtung Walldürn. Einige Kilometer vor der Stadt geht es links ab nach Gottersdorf.

„Badisch Sibirien“ nannte man den Odenwaldteil des Großherzogtums Baden früher, erklärt mir die Dame an der Kasse der Odenwälder Freilandmuseums. Ich ziehe den Reißverschluss meines Hoodies hoch. Warm ist es tatsächlich nicht, obwohl der Typ von SWR3 permanent tolles Wetter ins Autoradio gesabbelt hat. Aber meine Nasenspitze erfährt anderes als meine Ohren.

Wir unterhalten uns noch einen Moment über das Wetter und so, dann wünscht mir die Dame, die seit neunundzwanzig Jahren im Museum arbeitet – zum Inventar gehört, wie sie sagt – einen schönen Aufenthalt. Und ich, ich tauche nach einem sehr netten, sehr persönlichen Empfang für rund drei Stunden ab ins Museum am ehemaligen Fischteich des Klosters Amorbach. Herausgekommen ist die längste Fotostrecke, die unsere Website zu einem Thema bisher bietet.

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Die Zeitreise beginnt

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Die anderswo abgetragenen und hierher versetzten Gebäude bieten nicht nur tiefe Einblicke in die meist schlichte Vergangenheit der früheren ländlichen Lebens- und Arbeitswelt (wie die Website des Museums völlig korrekt verspricht), sie zeigen auch im Detail die Sehnsucht der ehemaligen Bewohner nach ein wenig Komfort, Schönheit und einem tieferen Sinn des Lebens. Das fühlst du einfach, wenn du die Ornamente an den Wänden betrachtest, die Tapeten, die einfachen Gegenstände und die allgegenwärtigen religiösen Darstellungen in Bildern.

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Zum Zeitpunkt meines Besuchs sind sechzehn Häuser fertiggestellt, die meisten davon sind auch im Inneren zu erkunden. Ich lasse keins aus. Keins. Und dabei fallen mir, der nur knapp größer ist als zwei Ranzen, überall die viel zu kurzen Betten auf und die Hinweise auf gefährlich niedrige Deckenbalken. Endlich nimmt jemand ernst.

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Und so diffundiere ich durch leuchtend blau gestrichene Häuschen eines Schäfers über standesgemäß gebückte Tagelöhner-Behausungen bis hin zum repräsentativen Haus einer Großbauernfamilie – schwebe durch vergangene Lebensräume und Arbeitswelten irgendwo zwischen dem 17. und dem 20. Jahrundert. Entdecke viel Rätselhaftes oder vieles wieder. Das Telefon mit der Wählscheibe in der Poststelle dürfte heute für viele Kinder eine echt harte Nuss sein, denke ich. Und dann …

 

… Flashback

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Rücksturz in die eigene Kindheit. Ich bin zwar erst 1960 geboren, aber in der Fünfzigern und Sechzigern des letzten Jahrhunderts sind Trends eben noch nicht wie ein Tsunami über die bürgerlichen Wohnwelten hereingebrochen, sondern eher in sie hineingetröpfelt. Dafür sind sie aber dann lange geblieben. Und vielleicht hat zu der Zeit auch erstmals ein globalerer Designgedanke der Regionalität den Rang abgelaufen. Jedenfalls ist mir als gebürtigem Niedersachsen der unkonventionelle Fünfziger-Stilmix im Haus Bär, das etwas außerhalb des Museumsgeländes liegt, bestens vertraut (das Kameramodell aus dem Museums-Wohnzimmer habe ich immer noch selbst). In vielen Arrangements und Alltagsgegenständen entdecke ich hier jedenfalls ein Stück eigener Geschichte, eigener Kindheit. Fühlt sich ganz warm an. Echt jetzt. So wie damals.

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Mit dem Besuch des Hauses Bär endet mein Besuch im Odenwälder Freilandmuseum – ich muss zuhause noch Grüne Sauce à la Keylock für den nächsten Artikel zusammendengeln. Also mache mich ich wieder auf nach Darmstadt und wünsche euch, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Trägern des Museums so viele Besucher, wie es geht und dass die Fördermittel niemals versiegen mögen. Bis dahin … noch einige, oder eher viele Bilder.

Galerie

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Pure Fotografie im puren Museum. Alle Bilder habe ich ohne Vorbereitungen oder Manipulationen während meines kurzen Besuchs geschossen, farblich sind sie nicht verändert, sondern nur im Kontrast angepasst – so, wie es sich eben gehört, als Fotograf auf Zeitreise.

(Beim Schreiben u.a. gehört aber dringend beim Lesen empfohlen: „Leave the World Behind“ von Lune)

4 Kommentare zu “Spontane Zeitreise

  1. Günter Stadler

    Mein Kompliment, Text und Fotos beschreiben alles bestens und veranlassen mich nochmal und diesmal gründlicher, das Freilandmuseum an zu schauen. Dafür Danke!

    1. Thomas Hobein

      Hallo Günter, vielen Dank für deine lobenden Worte. Tatsächlich habe ich auch noch mal gründlicher hingesehen und mir antiquarisch ein dort gesehen Ausstellungsstück besorgt: Die Merian-Ausgabe über den Odenwald von 1954. Die lag in dem Wohnhaus, das die entsprechende Zeit darstellte.

  2. Das kommt auf die Bucket-List. Ich denke, dass ich das Museum zusammen mit unserem Verein für Heimatpflege besuchen werde. Ist mal wieder eine Gelegenheit, etwas zusammen zu unternehmen.

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