Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Vier gewinnt

Apfelbaumschnitt bei Reinhard Bitsch

Vier Äste müssen es sein und einer als Spitze in der Mitte. Die vier sollten etwa im Winkel von neunzig Grad zueinander stehen. So stellt sich Reinhard Bitsch die Kronen der Apfelbäume auf seinen Streuobstwiesen vor. Und so schneidet er er auch die Bäume. So ungefähr exakt jedenfalls. Der Baum muss ein schönes Bild ergeben und die Äpfel müssen gut zu ernten sein.

Früher Nachmittag, westlicher Odenwald. Es ist ein schöner, aber frischer Apriltag. Wir durchqueren Glattbach und fahren ein wenig bergauf. Vom Weg aus sehen wir dann Reinhard Bitsch. Er hat bereits eine Spur gestutzter Apfelbäume hinter sich gezogen, die oben rum ziemlich nackig wirken. Ihn erinnert das an mein Haupthaar, das im Gegensatz zu den Bäumen wohl aber nicht mehr nachwachsen wird. Also vermutlich jedenfalls.

Es ist unser zweiter Besuch bei Reinhard Bitsch. Wir haben bereits vor einiger Zeit über seine Kelterei in Glattbach berichtet; heute geht es um den Schnitt seiner Apfelbäume. Hier wachsen auf seiner acht Hektar großen Fläche über fünfzig verschiedene Apfelsorten. Aus denen wird in eigener Herstellung dann Apfelsaft oder Apfelwein.

Im Schnitt finden einhundert Bäume auf einem Hektar ausreichend Platz. Hängt natürlich immer vom Boden ab, ergänzt er. Und vom Klima natürlich. Aber die Hanglagen hier sind gut, nicht so schwül wie an der Bergstraße und ausreichend Regen. Also Arbeit gibt es genug.

 

Klare Ansage vom erfahrenen Praktiker

Der Herr Frank, seines Zeichens Schrebergärtner und mit einer Biologin verheiratet, fragt den Herrn Bitsch warum er nicht schon im Februar oder März den Schnitt angegangen ist, denn der Saftdruck …

… Saftdruck dürfen die schon ein wenig haben, unterbricht ihn der Mann aus dem Odenwald. Und dass so früh geschnitten werden sollte, bezeichnet er als Katheder-Weisheit. Denn manchmal ist es zu der Zeit einfach noch zu kalt oder es regnet zu viel oder er hat einfach andere Arbeiten zu erledigen. Aber die Bäume kratzt das nicht. So lange die Äste noch kein Laub tragen und man sehen kann, was man tut, ist der Schnitt kein Problem – auch nicht für die „Beem“.

Beim Schnitt strebt er ein klares Schema an. Die Spitze der Krone bildet ein gerade nach oben strebender Ast. Dieser Führungsast wird von vier Ästen umgeben, die etwa in fünfundvierzig bis sechzig Grad zu ihm stehen. Wenn beim Schnitt mal einer bricht, wächst eben ein neuer. Ein oder zwei Jahre später ist da ein schöner neuer Ast. Trotzdem gilt es, das natürlich zu vermeiden.

Das Ziel dieses Erziehungsschnitts ist, dass später nicht jedes Jahr wieder geschnitten werden muss. Und dass kein Ast im Weg ist, wenn während der Ernte die Äpfel mit der Maschine runtergeschüttelt werden. Dieser Erziehungsschnitt wird über mehrere Jahre wiederholt, bis der Baum weiß, was von ihm erwartet wird und sich gefälligst dran hält.

 

Von Bäumen, Mäusen und anderem

So ein Apfelbaum erwartet mehr, als nur regelmäßig geschnitten zu werden. Reinhard erzählt, dass es am besten wäre, das Gras rund um den Stamm zu entfernen. Denn zum einen konkurrieren Baum und Gras um das Wasser und zum anderen fühlt sich das Ungeziefer im Gras um den Baum herum wohler.

Gießen muss man die neu gepflanzten Bäume trotzdem nur in Ausnahmefällen bei großer Trockenheit. Sie werden sonst schnell zu verwöhnten Pflänzchen, die ihr Wurzelwerk nicht richtig entwickeln. Und wenn gegossen wird, dann aber richtig – fünfzig Liter pro Baum sind dann fällig.

Ein echtes Problem sind die ach so putzigen Wühlmäuse, die den Baum so stark schädigen können, dass er kaum noch wächst. Der muss dann raus und ein neuer wird gepflanzt. Aber da es den kleinen pelzigen Gesellen überhaupt nicht behagt gestört zu werden, ist immer ein Hund als Beunruhiger aller Mäuse mit dabei. Für weitere Unruhe im Mäuseparadies sorgt auch, dass zwei oder drei Mal das Gras der Streuobstwiesen geschnitten, aber liegen gelassen wird.

Nutzvieh unter den Apfelbäumen wäre gut, sagt Bitsch. Allein ihr Getrappel würde den Wühlmäusen so überhaupt nicht gefallen. Nur dumm, dass die meisten in Frage kommenden Viecher sich auch an den Bäumen und Äpfeln bedienen würden. Gänse wären vielleicht eine Lösung und gäben auch noch gute Braten ab, überlegt er weiter. Oder Hühner. Da würde man sich das Mulchen sparen. Aber die Hühnerkacke … Na ja, sind halt alles Überlegungen.

 

Heute und morgen

Es gibt immer wieder ältere Semester, die beim Baumschnitt von der Leiter fallen und sich die Knochen brechen, erzählt Reinhard Bitsch. Die Jungen schneiden die Bäume nicht mehr und die Alten können das nicht ertragen. Also klettern sie selbst auf die Leitern und jedes Jahr fallen dann eben auch welche runter.

Das ist überhaupt das Problem. Keiner kümmert sich. Er zeigt auf die gegenüber liegende Höhe, nach Seidenbuch. Früher war der Blick auf Seidenbuch noch frei. Da waren Felder, Wiesen und zwischendurch immer mal eine alte Eiche. Apfel- und Nussbäume wuchsen mitten im Feld am besten. Regelmäßiges Pflügen und Mistdüngen um die Bäume herum schuf Ordnung und Gleichgewicht. Das Wild hielt sich scheu zurück.

Heute wächst drüben am Hang alles wild zu. Die Wildschweine werden so vom Menschen durch diese„unterlassene Pflegeleistung“ förmlich aus dem Wald ins Tal und in die Dörfer gezogen und auch immer dreister.

Aber die eigene Zukunft sieht der Herr der achthundert Apfelbäume gelassen. Da rechnet er sich was aus, muss er sagen. Schließlich ist er der einzige, der so viele Bäume und Äpfel in dieser Vielfalt und Qualität hat, davon den Apfelwein macht und dann verkauft. Aber das wird eine andere Geschichte von den Hängen in Glattbach im westlichen Odenwald.

Fotos: Thomas Hobein

(Beim Schreiben u.a. gehört: „Welcome To The Boomtown“ von „David and David“)

 

1 Kommentar zu “Vier gewinnt

  1. Ingmar

    Schee geschriewwe … kriech ich glei son versteckte Dorscht aufn Äppler …

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