Der Teig-Flüsterer
Tatort ist die Backstube der Gaststätte „Zum Rebstock“ in Fürth-Steinbach. Hier rückt Matthias Fleischmann viermal in der Woche dem Teig zu Laibe und backt ein Roggenbrot für das die Leute meilenweit gehen oder zumindest fahren.
Samstag. Kurz vor Mittag. Matthias Fleischmann ist spät dran, sagt er. Gestern Abend war Weinfest in Heppenheim. Und da muss man schließlich hin. Ist ja auch nur einmal im Jahr.
Doch als wir die Backstube betreten ist der Teig in der Maschine längst fertig vorbereitet – bereit zum Portionieren. Der Teig besteht aus reinem Roggen-Schrot und -Mehl ganz ohne Zusätze wie Triebmittel. Die Basis ist ein Sauerteig, der bereits seit 1867 „lebt“. Und über den im „Rebstock“ alle reden als wäre er das älteste Familienmitglied.
Alles begann mit einem Steinofen in dem einmal im Monat für den Eigenbedarf der Familie gebacken wurde. Der alte Ofen ist natürlich längst Geschichte, aber auch der heutige ist bereits ein rüstiger Oldtimer. Er stammt aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Der massige Etagenofen liefert zuverlässig und genau den richtigen Temperaturverlauf für die Roggenbrote. Das können moderne Öfen mit elektronischer Temperatursteuerung nicht, sagt Matthias, während er den Teig portioniert. Die sind eher für kurze und variable Backzeiten, also für die Massenproduktion ausgelegt. Und Massenproduktion gibt es hier nicht, fährt er fort.
„Man muss den Teig spüren. Das kann keine Maschine“
Der gelernte Industrie-Mechaniker erzählt, dass er das Backen von seiner Oma gelernt hat und dass er sich mit dem Teig über die Jahre zusammengerauft hat. Denn der Teig ist ein sehr eigenwilliger und wetterfühliger Geselle – geradezu ein Sensibelchen das nur funktioniert wenn es umsorgt wird und sich verstanden fühlt. Deshalb wird je nach Wetterlage bei offener oder geschlossener Tür gearbeitet. Der Teig entsprechend der Witterung länger oder kürzer bearbeitet. Und deshalb ist es schwierig einfach mal Urlaub zu nehmen.
Es gibt im Prinzip keine Vertretung für Matthias weil man in ständigem Kontakt mit dem Teigansatz stehen muss. Selbst sein Vater, der früher gebacken hat, besitzt nicht mehr den gleichen guten Draht zum Teig. Also wird der Teig in eine Art Winterschlaf versetzt, sollte doch einmal ein Urlaub anstehen. Das geht zwar, aber nach der Wiedererweckung gibt sich die zähe Masse extrem zickig. Und es erfordert schon einiges Wissen und Geschick, um sie wieder gefügig zu machen. Aber zwei bis drei komplette Backvorgänge gönnt sich der divenhafte Roggenteig schon bis er wieder zulässt ein ordentliches Brot zu werden.
„Die Grundlage ist Roggen in Bio-Qualität“
Inzwischen sind sechzig Teig-Laibe mittels einer selbstgebauten Förderanlage im Ofen verschwunden. Dort haben sie rund eine Stunde Zeit sich zu bräunen. Wir unterhalten uns inzwischen über Roggen in Bio-Qualität, erfahren woher das Getreide stammt und wie es verarbeitet wird.
Das Weschnitztal in dem Fürth liegt gehört noch zum sogenannten kristallinen Odenwald und da ist der Boden nicht so geeignet für Roggen. Aber hinter dem Berg – Matthias deutet auf die Anhöhe vor der Gaststätte – liegt der Überwald. Dort beginnt der Buntsandstein-Odenwald mit einem Boden, der für Roggen viel besser ist. Weiter geht es mit dem Getreide nach Ernte und Trocknung in Affolterbach. Dort wird der Roggen in der Mühle von Georg Maurer geschrotet und gemahlen.
Daraus backt Matthias Fleischmann jede Woche 240 Brote – Freitag, Samstag, Sonntag und am Montag jeweils sechzig Laibe – für die Leute bis aus Frankfurt nach Fürth-Steinbach kommen. Denn probieren und kaufen kann man die Roggenbrote nur in der eigenen Gaststätte „Zum Rebstock“.
Dann ist das Brot fertig. Unser Gastgeber holt die Laibe mit einer Bäckerschaufel aus dem Ofen und befördert sie zum Abkühlen in ein Regal. Eins drückt er uns in die Hand.
Man soll ja kein frisch gebackenes Brot essen, aber das hält sich lange, fügt er hinzu. Aber ja, erwidern wir grinsend. Und kurze Zeit später zuhause angekommen – da beiße ich in eine dicke Scheibe des noch warmen Brotes und denke mampfend an das höchste Lob zu dem die weiter südlich lebenden Schwaben in der Lage sein sollen: Nicht ganz schlecht, dieses Brot. Wirklich nicht ganz schlecht.
Fotografiert hat Thomas Hobein und Michael Frank hat die Bilder bearbeitet.
(Beim Schreiben gehört: Fortune Teller von Robert Plant and Allison Krauss)
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Stellt sich gleich die Frage, ob man diese total lecker ausschauenden Brote auch (online?!) kaufen kann. Das wär’s doch!
Kaufen schon, online eher nicht. Mal sehen. Aber es sei versichert, ein Besuch in Steinbach lohnt sich. Das Brot schaut nicht nur total lecker aus – es hält, was es verspricht. Gruß, die Redaktion
das beste Brot der Welt – welch ein toller Handwerker
Kann ich nur bestätigen!
Ein wirklich überirdisches leckeres Krustenbrot!