Kalt gemacht
Was für den Winzer der Eiswein, ist für den Brauer der Eisbock. In beiden Fällen braucht man nicht nur schneidende Kälte für die Herstellung, sondern auch eine gehörige Portion Leidenschaft fürs Handwerk und viel gesunde Neugier.
Alexander Limp wuchtet die Zwei-Liter-Flasche mit Bügelverschluss auf den Tisch. Es ist die letzte von wenigen – extra aufgehoben für diesen Moment mit uns. Katharina Samer und er haben uns in die Privat-Brauerei Schmucker eingeladen, um das Ergebnis eines Experiments zu probieren – einen Eisbock, extrahiert aus dem hauseigenen Weizen-Bock.
Jetzt sitzen wir im Brauerei-Ausschank neben den riesigen Kupferkesseln, hören unseren begeisterten Gastgebern zu und sind gespannt wie Flitzebögen. Ich habe erst einmal Eisbock getrunken und das ist über dreißig Jahre her, für Michael Frank ist es ganz und gar neu. Dafür hat er gefrühstückt, ich nicht.
Während Herr Limp von der Herstellung erzählt, öffnet er den Eisbock. Es ploppt nur ganz leise. Kohlensäure ist nich, schließen wir daraus. Is aber doch, nur eben weniger. Und deshalb steht die Blume dann auch nur ganz kurz im Glas.
Beim Einschenken ergießt sich das Bockbier dickflüssig in die kleinen Tulpen und verbreitet Fruchtaromen, die an Aprikose oder Banane denken lassen. Es schmeckt deutlich nach Hefe und auch der höhere Alkoholgehalt versteckt sich nicht. Es ist nicht so frisch, wie man es von einem Bier vielleicht erwartet, überzeugt aber durch viel ausgeprägtere, tiefere Noten. Es verhält sich zum gewohnten Bier ein wenig wie Portwein zu Wein, wenn der Vergleich auch ein wenig hinkt.
Während des zweiten und dritten Glases (ich muss ja nicht fahren) nutze ich die Zeit für einige ganz prima Klugscheißereien. Ich habe nämlich recherchiert.
„Der Legende nach entstand der Eisbock vor langer Zeit während eines strengen Winters in einer Kulmbacher Brauerei. Ob nun Faulheit oder Dusseligkeit die Ursache dafür waren, das lässt sich heute nicht mehr sagen, doch wie dem auch sei – die Brauknechte hatten einige mit Bier gefüllte Fässer auf dem Hof stehen gelassen. Und am nächsten Morgen hatte eine dicke Eisschicht die hölzernen Fässer überzogen. Das Bier war eingefroren.
Als der Braumeister das sah, gab er zuerst den Knechten Saures und dann seiner Neugier nach. Er ließ die Fassdauben lösen und stellte fest, dass sich im Fass ein Eisblock gebildet hatte, der einen noch flüssigen Kern aus Bier beinhaltete. Und dieses Bier probierte er. Es war dickflüssiger, schmeckte viel intensiver und hatte einen wesentlich höheren Alkoholgehalt, aber durchaus so wohlschmeckend, das man dem zufällig entdeckten Bier den Namen Eisbock gab und es fortan regelmäßig herstellte. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.“
Doch zurück in die Gegenwart. Als es im Januar 2016 für einige Tage so richtig saukalt war hatten die Mossautaler die spontane Idee, das auch einmal auszuprobieren und ihren Eisbock herzustellen. Sie setzten zwei Stahl-Fässer Schmucker Weizen-Bock zwei Nächte lang den eisigen Temperaturen aus. Bei etwa Minus zwanzig Grad gefror ein großer Teil des Wassers im Bier und bildete – wie einst in Kulmbach – eine dicke Eisschicht um einen flüssigen Kern.
Dieser ganze Prozess basiert darauf, das Wasser schneller als Alkohol gefriert. Also entzieht das Frosten dem Bier einiges an Wasser. Und das bildet an der stählernen Fass-Wand eine Eisschicht, die ein Bier umschließt, das durch den Verlust des Wassers einen höheren Alkoholgehalt aufweist, trotzdem aber dem Reinheitsgebot entspricht. Mit rund zwölf Prozent Alkohol liegt diese Reduktion des Weizen-Bocks deutlich über den ursprünglichen sieben Prozent, was man durchaus merkt.
Ob der Eisbock in Serie gehen wird ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entschieden, aber wenn – dann wird es sich wohl um kleine exklusive Mengen drehen, abgefüllt von Hand in einige Flaschen mit Bügelverschluss, die jeweils ein oder zwei Liter des Bock-Biers enthalten. Wir sind gespannt und werden gegebenenfalls berichten. Jetzt danken für die außergewöhnliche Bier-Probe und machen uns fort. Über den Parkplatz in den Brauerei-Gasthof. Da gibt es nämlich Blut- und Leberwurst mit Kraut und Kartoffelpüree – und dazu ein frisches Meister Pils, natürlich von Schmucker.
Fotografie und Bildbearbeitung hat Thomas Hobein erledigt.
(Beim Schreiben gehört: „A Curiuos Thing“ von Amy MacDonald)