Odenwälder Grüne Sauce
Man kann den Frühlingsbeginn astrologisch, meteorologisch und phänologisch bestimmen. Oder – wie wir es tun – kulinarisch. Und dazu orientieren wir uns einfach am Beginn der Saison für die berühmte Grüne Sauce.
Traditionell eröffnet wird die Saison der Grünen Sauce am Ende der Fastenzeit – am Gründonnerstag. Und sie endet erst, wenn der Frost im Herbst zurückkehrt. Jeder von uns hat dementsprechend genug Zeit, im Laufe der wärmeren Jahreszeiten einige Kilos davon zu verspachteln.
Vor dem Essen ein Osterspaziergang
Dass Goethes Mutter die „Frankfurter Grüne Sauce“ erfunden hat, kann man wohl getrost ins Reich der Legenden verbannen. Dass der Herr Dichter und Denker die Sauce geliebt hat, ist gut möglich. Aber dass ihm unsere „Ourewäller Grie Soß“ ein Gedicht wert gewesen wäre, ist mehr als wahrscheinlich, also viel mehr.
Doch verlassen wir das Spekulative. Und während Küchenmeister Keylock an der Sauce werkelt und Kartoffeln kocht, geben wir uns ganz der Lust und Laune auf den Frühling hin und machen uns auf – zu einem Osterspaziergang mit Johann Wolfgang von Goethe.
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
(aus Faust, der Tragödie erster Teil von Johann Wolfgang Goethe)
Die Ourewäller Grie Soß vom Keylock
Wie in der viel zitierten Frankfurter Grünen Sauce bilden auch in unserer Variante die sieben Kräuter Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch die Basis (könnt ihr im Bund kaufen) – aber dann kommt es doch noch ein wenig anders – ein wenig regionaler. Eben drum.
Für vier Personen braucht ihr:
- 1 Bund Kräuter für Grüne Soße
- 250 g Hüttenthaler Schmand, der ist flüssiger
- 150 g Frischkäse oder alternativ Ziegenfrischkäse
- ½ TL brauner Zucker
- Salz
- Pfeffer
- Cayenne Pfeffer
- Worcestershiresauce
- 1 EL Olivenöl
Und so geht es:
Wascht die Kräuter sorgfältig und trocknet sie am besten in einer Salatschleuder. Befreit sie anschließend von den groben Stielen und schneidet sie mit einem scharfen Messer sehr klein. Und „schneiden“ ist ernst gemeint. Hackt auf keinen Fall die Kräuter. Denn dabei werden die Blätter gerissen und gequetscht. Dadurch verlieren sie an Geschmack, werden unappetitlich dunkel und setzen Bitterstoffe frei.
Stellt die geschnittenen Kräuter kurz zur Seite und verrührt den Schmand mit dem Frischkäse und allen weiteren Zutaten, so dass euch die gewürzte Käsemischung richtig gut schmeckt.
Erst dann hebt ihr die Kräuter unter und lasst alles abgedeckt für eine Stunde im Kühlschrank ziehen.
Dazu passen ein Rindersteak, gekochte Ochsenbrust, Backfisch oder ganz klassisch wachsweich gekochte Eier und natürlich Salzkartoffeln. Getrunken wird, was auf den Tisch kommt. Guten Appetit!
Zuständig für das Dichten war der Goethe, für das Kochen der Keylock und für die Bilder der Hobein.
(Beim Fabulieren u.a. gehört: aus den Tiefen der frühen Achtziger: „Wishful Thinking“ von China Crisis – muss manchmal genau so sein wie Ravioli aus der berühmten gelb-roten Dose)
Jetzt freu ich mich noch mehr auf den Donnerstag, den grünen!