Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Reinhard Bitsch macht Druck

Ein Nachmittag bei Kelterei Bitsch in Glattbach

Seit 1969 bildet sich in Lindenfels-Glattbach jedes Jahr zur Zeit der Apfelernte ein regelrechter Verkehrsstau. Es sind Privatleute, Gastronomen und Brenner, die hier ihre Äpfel entsaften lassen wollen. Und dafür stehen sie geduldig an, babbeln miteinander und warten bis sie dran sind.

Der Hof der Familie Bitsch ist eigentlich ein recht malerisches Anwesen, aber wenn gekeltert wird ist Schluss mit der Idylle. Und das liegt nicht nur an der Autoschlange, sondern vor allem am Lärm. Der Kompressor der Presse dröhnt pausenlos. Es ist so laut, dass Reinhard Bitsch bei der Arbeit an der wuchtigen, grün lackierten Apfelpresse eine knallgelbe Micky Maus trägt.

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Vor der Presse befindet sich eine Bodenöffnung. Hier werden die ganzen Äpfel hinein geschüttet, maschinell gewaschen, zerkleinert und der Presse zugeführt, wo sie zwischen groben Tüchern und Blechen in mehreren Lagen ausgepresst werden. Das Befüllen dieser „Apfel-Lasagne“ geschieht Lage für Lage manuell. Und jeder Handgriff sitzt. Dann wird bei einem Druck von etwa 300 bar der Saft aus der Maische gepresst.

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Auf seinem Weg zur Abfüllung wird der Saft auf etwa achtzig Grad erhitzt und so für ca. ein Jahr haltbar gemacht. Fünf oder zehn Liter passen in die Gebinde, „Bag-in-Box“ genannt – also Kunststoff-Beutel in einer Papp-Schachtel.

Verwertet wird übrigens der komplette Apfel. Nichts kommt weg. Der Trester, also die ausgepressten Früchte, werden von Bauern abgenommen und an Schafe und Ziegen verfüttert.

Während dieses gesamten Prozesses stehen die Auftraggeber aufmerksam daneben und achten mit Argusaugen darauf, dass keiner ihrer Äpfel verlorengeht. Man gibt sich zwar locker, aber sicher ist sicher. Schließlich sollen die Autos mit Kennzeichen wie HD, WO, GG, AZ, MZ, AB, MIL oder SNH möglichst voll beladen an ihren Herkunftsort zurückkehren.

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Aber Tanja und Reinhard Bitsch betreiben nicht nur Lohnkelterei. Sie stellen auch eigenen Apfelsaft und Apfelwein her. Die Äpfel dazu kommen von den eigenen Streuobstwiesen mit etwa achthundert Bäumen. Auf der acht Hektar großen Fläche wachsen um die fünfzig Apfelsorten. Es sind zumeist alte Sorten, die nie den Weg in das genormte Sortiment der Supermärkte finden würden.

Auf jeden Fall ist das genug Arbeit fürs ganze Jahr, denkt der studierte Diplom-Geograph, der nach Beendigung seines Studiums sofort in die elterliche Kelterei eingestiegen ist. Hier gibt es immer was zu tun. Neupflanzungen, Baumschnitt von achthundert Bäumen. Natürlich die Ernte. Und Apfelsaft bzw. -wein wollen ja auch noch hergestellt werden.

Entwicklungspotenzial sieht man im Hause Bitsch ebenfalls noch. Ein Beispiel: Bisher wird der Saft aus allen Bäumen gemischt abgefüllt. In Zukunft möchte Reinhard Bitsch auch Säfte und Weine in klar differenzierten Geschmacksrichtungen anbieten – nicht zwingend sortenrein. Vielmehr will er die Säfte der unterschiedlichen Sorten so verschneiden, dass Säfte und Apfelweine mit einer entweder süßeren, herberen oder kräftigeren Note entstehen.

Doch jetzt kommt erst mal der Nächste mit einer Fuhre Äpfel, um daraus Saft zu pressen. Und während Reinhard Bitsch wieder Druck macht, machen wir uns vom Acker. Das nerventötende Dröhnen der Presse wird hinter uns leiser. Endlich Ruhe.

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Lest mehr über Äpfel:
Vier gewinnt – Apfelbaumschnitt bei Reinhard Bitsch

Fotografie und Bildbearbeitung: Thomas Hobein.

(Beim Schreiben gehört: „All Things Must Pass“ von George Harrison)

1 Kommentar zu “Reinhard Bitsch macht Druck

  1. Toller Bericht! Hier bei uns in der 900 Seelen Gemeinde, hatten wir noch vor 50 Jahren ca. 10 Apfelweinkeltern. Nach und nach wurden sie außer Betrieb genommen und es blieben am Ende zwei übrig. Eine Lohnkelterei, die ihren Apfelwein mit dem Namen „Spessartgold“ tatsächlich bis nach Frankfurt verkauft hat und eine Dorfgaststätte, die mit der Kelter den eigenen Apfelwein für die Wirtschaft produzierte. Aktuell sind leider alle Keltern abgebaut oder verrotten – wie im Hof meines Großvaters – in den Scheunen. Heutige Kinder darauf angesprochen, können sich nicht mehr vorstellen, was denn das für eine Maschine ist, die da im Schuppen vor sich hingammelt.

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