Yook
Sie hat den gleichen Vornamen wie die derzeitige koreanische Präsidentin – Geunhye. Und weil den hier niemand aussprechen kann oder will, nennt sie jeder bei ihrem Nachnamen. Yook. Im Darmstädter vinocentral berät sie Kunden zum Thema Wein. Yook liebt ihren Job und den Wein – und das obwohl Korea nicht gerade ein Land mit großer Weintradition ist, wie sie uns verraten hat.
In Korea wird traditionell kein Wein angebaut und bei der Einfuhr so hoch besteuert, dass Wein extrem teuer ist. Aus diesem Grund hat sich auf breiter Basis auch bisher kein besonderes Verhältnis zu diesem Getränk bei den Menschen gebildet. Und das war bei Yook auch nicht anders.
Das erzählt sie, während wir im Garten in der Datterich Klause am Darmstädter Hauptbahnhof sitzen. Diese temporäre Gastronomie wird von einem Schwesterunternehmen des vinocentral bewirtet. Jetzt ist ein trockener Spätsommer-Vormittag, die Klause ist noch nicht geöffnet und wir können uns in Ruhe mit Geunhye Yook und Michael Bode-Böckenhauer, einem der beiden Geschäftsführer der vinocentral GmbH unterhalten.
„Zu einem guten Essen gehört auch ein guter Wein.“
Nicht der Wein, sondern die Literatur war es, die Yook zum Inhalt ihres Studiums in Korea gewählt hatte. Und irgendwann gegen Ende des Studiums beschloss sie, doch mal einen Blick in die Welt hinaus zu werfen. Ihr Ziel war New York. Und dort lernte sie in einem Sprachkurs einen Deutschen kennen, Michael, ihren jetzigen Mann. Doch zog es sie zuerst noch einmal nach Korea zurück, um ihr Studium zu beenden. Frisch den Abschluss in der Tasche tat sie dann etwas für Koreaner Untypisches. Studienabsolventen treten dort in der Regel sofort in das Berufsleben ein, um einen lückenlosen Lebenslauf nachweisen zu können. Das ist wichtig für den Weg nach oben auf der Karriereleiter (aber hier ja inzwischen auch). Yook suchte sich aber keinen Job, sondern machte sich auf den Weg nach Deutschland – denn da gab es ja noch diesen Michael.
So kam sie mit 25 nach Deutschland und blieb. Was sie wahrscheinlich nicht ahnte, dass sie mitten in einer „wein-verrückten“ Clique landete. Ihr späterer Mann Michael war und ist in der Markenentwicklung für Weingüter tätig. In seinem Freundeskreis lernte sie auch Cornelius Lange kennen, den nicht ganz unbekannten Weinjournalisten und Buchautor, der ihr auf ihrem Weg viele wichtige Impulse gegeben hat.
Lust auf gutes Essen und unbekannte Geschmackserlebnisse hatte die Koreanerin ohnehin schon immer gehabt, aber jetzt kam durch ihren Mann noch etwas Neues dazu. „Zu einem guten Essen gehört auch ein guter Wein.“ Mit diesen Worten brachte er Yook nach und nach auf den Geschmack. Und aus der anfänglichen Neugier wurde ein Teil ihres Lebens.
Der Wein wird erst Beruf und dann Berufung
Der nächste logische Schritt auf dem Weg zum Wein war das einjährige Praktikum auf einem Weingut im Rheingau. Hier lernte die Koreanerin in Deutschland viel vom japanischen Kellermeister, wie sie mit einem Lachen erzählt. Es folgte das Studium in Geisenheim. Ihr Fach: Internationale Weinwirtschaft. Das ist ein betriebswirtschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Wein. Es vermittelt neben den ökonomischen Gesichtspunkten auch profunde Fachkenntnisse in Weinbau und Oenologie. Und wie das Leben so spielt, entdeckte dann eines Tages Geunhye Yook am Schwarzen Brett in Geisenheim das vinocentral aus Darmstadt.
Dazu Michael Bode-Böckenhauer: „Wir haben damals für unsere Weinabteilung eine Aushilfe gesucht und deshalb in Geisenheim einen Aushang gemacht. Gerechnet haben wir mit einer deutschen Winzertochter, aber da stand dann Yook in der Tür. Nicht das, was wir uns vorgestellt hatten, aber genau das, was wir gesucht haben – wie sich dann herausgestellt hat.
Heute hat Yook längst ihren Abschluss in der Tasche und berät gemeinsam mit ihrem Kollegen Robert Frey die Kunden im vinocentral zum Thema Wein. Und beide suchen mit Michael Bode-Böckenhauer die Weine für das Sortiment aus. Ein wenig Stolz darauf, nicht nur Teil des Teams, sondern von Anfang an ein vollwertiger Teil des Ganzen zu sein, ist ihr schon anzusehen. Sie sagt dazu: „Andere Berufsanfänger haben eine solche Chance erst einmal gar nicht.“
„Wir werden zum besten Weinladen im Rhein/Main-Gebiet!“
Diesen Anspruch hat sie formuliert, als sie von der Aushilfe zum festen Teil des Teams wurde. Das ist nicht einfach leicht daher gesagt. Sie sieht ihre Möglichkeiten im vinocentral als Chance und spannende Herausforderung. Und ihre Impulse spiegeln sich bereits deutlich im Sortiment. So ist die Präsenz deutscher Weine im Angebot durch die Koreanerin massiv angestiegen.
„Yook und ihr Mann leben Wein,“ sagt Michael Bode-Böckenhauer,“ die sind in ihrer freien Zeit fast ausschließlich damit beschäftigt, Winzer, Wine-Tastings und Messen zu besuchen oder zu Hause zu kochen und zu experimentieren. Immer auf der Suche nach dem Guten und dem Neuen.“
Aber das trifft auch auf das gesamte Team zu. Alle Weine eines interessanten Winzers werden vor Ort gewissenhaft aber auch lustvoll probiert, dann drei davon ausgewählt. Und die werden noch einmal im vinocentral unter den Bedingungen dort probiert. Erst dann wird endgültig entschieden, welche Weine ihren Platz im Sortiment finden.
„Weil es einfach so geil schmeckt.“
So langsam nähert sich unser Gespräch in der Datterich Klause dem Ende. Wir haben den Weg Geunhye Yooks von Korea über New York und Geisenheim nach Darmstadt nachvollzogen und erfahren wie sie den Wein entdeckt hat und weiter entdecken wird. Wie etwas eigentlich Unbekanntes zu einem zentralen Inhalt ihres Lebens wurde. Für den Moment ist alles gesagt und wir sind gespannt, wie es weitergehen wird.
Aber eine Frage stellt Michael Frank – ja noch ein Michael – noch. Eine Frage, die im Zusammenhang mit Weingenuss meistens ausgeblendet wird. Er fragt nach der Angst vor dem Alkoholismus. Schließlich wird da ja so einiges verkostet. Und – Alkoholiker gibt es genug in der Branche.
Aber Yook ist ganz entspannt. „Natürlich ist Wein eine Droge. Aber wenn man professionell verkostet, probiert man sehr bewusst. Und man spuckt ja alles wieder aus. Schon weil man betrunken nicht mehr differenziert schmecken kann. Sonst genieße ich beim Weintrinken neben dem Geschmack auch die Wirkung des Alkohols. Maßvoll. Und dann hat das nichts mit Alkoholismus zu tun.“
Michael Bode-Böckenhauer sieht da schon auch die Gefahr. Und das aus einem sehr guten Grund: „Weil es einfach so geil schmeckt.“
Fotografiert hat Thomas Hobein. Die Kamera ist eine freundliche Leihgabe von Dirk Hoppmann / Freisicht.
(Beim Schreiben u. a. gehört: „Unmentionables“ von Jimi Tenor)