Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Auf dem Lärmfeuer

Ein Mittagspausen-Spaziergang in der Februarsonne

„Lärmfeuer“ ­– das ist ein fünfhunderteinskommasieben Meter hoher unddicht  bewaldeter Berg im Odenwald zwischen Ober-Mossau und Reichelsheim-Rohrbach. Ich bin mal eben rauf.

In der ersten Februarwoche des Jahres 2020 bin ich morgens unterwegs, um Kochkäs’ Dosen auszuliefern. Danach verschlägt es mich mal wieder, wie schon so oft, nach Ober-Mossau in die Privat-Brauerei Schmucker. Dieses Mal, um etwas „Holi“ zu holen. Denn ein neugieriger Trinker aus dem Badischen hatte die Schmuckersche Hopfenlimonade im Webshop geordert. Und da ein bekanntes Logistikunternehmen, gut an der gelben Farbe der Fahrzeuge zu erkennen, den ersten Versandversuch durch Zerstörung der Sendung zuverlässig vereitelt hatte, brauche ich Ersatz. Schließlich soll der Mann ja sein Holi noch bekommen.

Als ich den Kasten mit der Brause im Wagen verstaue und blendet mich die pralle Sonne, die am blauen Himmel zwischen Wolken, vom Weißen Riesen gewaschen, hängt. Die Tage zuvor waren geprägt von heftigem Regen und die Vorhersagen für die kommenden Tage sind auch nicht gerade berauschend. Also beschließe ich in die Sonne blinzelnd dieses Wetter zu nutzen. Und genehmige mir spontan eine ausgedehnte Mittagspause, um im Wald am Lärmfeuer ein wenig zu lustwandeln.

Ich denke an Luis Trenker, der einst sagte: „Da war der Berg und da war ich.“ Kann ich auch. Also nix wie hoch auf den Berg … mit dem Auto. Zum Parkplatz Dehnbuche (auf Google Maps als Wanderparkplatz bezeichnet). Der liegt zwischen Ober-Mossau und Rohrbach. Weil der Boden vom Regen der vergangenen Tage recht matschig ist, schlüpfe ich in meine Hochleistungswanderstiefel. Die habe ich dabei, denn ich habe bereits in Darmstadt meinen spontanen Entschluss ein wenig zu gehen vorausgeahnt. Der Himmel ist heute schließlich nicht nur im Odenwald blau.

 

Zuerst zum „Steinernen Tisch“

Auf dem Parkplatz schlägt mir die Karte auf einer großen Tafel drei Rundwanderwege vor. Ich nehme Nummer Drei. Der führt nach Norden zum „Steinernen Tisch“ und dann wieder irgendwie zurück. Leider entpuppt sich der Weg als schnurgerade, breite Waldautobahn. Das wäre schnell langweilig geworden. Doch dieses gleißende Winterlicht sorgt überall für visuelle Ablenkung. Kräftige Farben und starke Kontraste wechseln sich permanent ab und sorgen für expressive Bilder im mich umgebenden Nadelwald. Irgendwie untypisch für den Februar, aber sehr willkommen.


Dann erreiche ich den „Steinernen Tisch“ und denke daran, dass mir die Tafel am Parkplatz durch ihre Symbolik an diesem Ort eine ziemlich prima Aussicht versprochen hat. Die habe ich dort auch – bis zum nächsten Baum. Zur Strafe mache ich dort kein Foto von dem bemoosten Sandsteintischchen am Wegeskreuz mitten im Wald, sondern steige ich nach Westen ab.

  

Und dann aber nach Süden

Einige Hundert Meter weiter und viel weiter unten stehe ich vor Überbleibseln der Odenwälder Bergbau-Vergangenheit. Die dortigen Reste der Mangan-Grube Georg bilden den Nord-östlichsten Punkt eines Rundwanderweges zum Thema Bergbau (werde ich mir demnächst mal vornehmen). Ich folge diesem Rundweg nach Süden (von Nummer Drei habe ich michlängst verabschiedet). Der führt mich zurück zu meinem Ausgangspunkt, dem Parkplatz. Dort halte ich mich aber nicht auf, sondern visiere direkt die Ihrig-Hütte auf dem Lärmfeuer im Süden an.

„Am Bild“, einer Mariensäule auf halber Stecke zum Lärmfeuer, entscheide ich mich, den direkten Weg zum Lärmfeuer zu verlassen und nehme den Weg nach Südwesten in Richtung Hiltersklingen. Doch vorher rege ich mich kurz noch auf. Denn im Bildstock stecken tatsächlich eine CD und ein sorgsam eingeschweißter Zettel. Auf diesen Müll stößt auf Wanderungen man seit einiger Zeit an vielen Stellen im Odenwald. Dabei handelt es sich um die Bekehrungsversuche christlich-missionarischer Hirnchen, die wohl zu der fehlgeleiteten Erkenntnis gelangt sind, dass zu wenig Plastik im Wald glaubensfeindlich ist. Was soll der Scheiß?

Im Februar am Lärmfeuer

Im Februar am Lärmfeuer Jetzt aber weiter. Es geht leicht bergab. Nach einiger Zeit habe ich den Eindruck, mich doch zu weit von meinem eigentlichen Ziel zu entfernen. Also ergreife ich die nächste Gelegenheit nach Westen. Dabei folge ich einem dicht bewaldeten, verwitterten schmalen Weg, der beachtlich steil ist und nicht zu enden scheint. Tut er aber dann doch, nämlich als linker Hand die Ihrig-Hütte auftaucht. Ich habe das Lärmfeuer erreicht. Das ist der Gipfel. Fünfhunderteinskommasieben Meter hoch.

 

Auf dem Lärmfeuer

Die Ihrig-Hütte im Februar am Lärmfeuer Der Name des Berges leitet sich von dem ehemaligen Signalfeuer auf seiner Spitze ab, dass in früheren Jahrhunderten entzündet wurde, um die Bevölkerung im Odenwald zu alarmieren (beachtet die Wortverwandtschaft: Alarm und Lärm). Diese Signalstation war Teil einer ganzen Kette von Lärmfeuern auf gut sichtbaren Bergspitzen, auf denen meterhohe Holzstapel entzündet wurden, um vor Gefahren zu warnen. Belegt ist das Leuchtfeuer-System seit dem Dreißigjährigen Krieg. Weitere Lärmfeuer waren zum Beispiel die Sensbacher Höhe, die Neunkircher Höhe, Otzberg und Breuberg. Doch nur hier hat die ehemalige Funktion dem Berg seinen Namen gegeben.

Das Prinzip ist allen bekannt, die den dritten Teil der Verfilmung des Buches „Der Herr der Ringe“ gesehen haben. Hier ruft eine Kette von Leuchtfeuern auf hohen Bergen die Reiter von Rohan zu Hilfe, um die Stadt Gondor gegen die anmarschierenden Orks zu verteidigen. Ob diese Signalkette im Odenwald ebenso erfolgreich war wie in Mittelerde kann jedoch getrost bezweifelt werden. Denn dem Dreißigjährigen Krieg fielen über achtzig Prozent der Bevölkerung zum Opfer.

Die Ihrig-Hütte im Februar am Lärmfeuer Ich opfere lieber Käsestulle und Mineralwasser meinem Hunger und meinem Durst. Dazu pflanze ich mich an einen Tisch in der überraschend großen Ihrig-Hütte und sehe mampfend auf den sonnenüberfluteten Grillplatz vor dem Holzhaus. Sitzen ist gar nicht so schlecht, denke ich, bevor ich mich auf den Rückweg mache. Doch zuerst überzeugen mich noch einige plastik-ummantelte Botschaften christlicher Eiferer, sie in den Müllkorb zu befördern. Auf dem durch eine Zwei gekennzeichneten Weg erreiche ich dann flugs wieder das Wegkreuz „Am Bild“ und dann den Parkplatz. Drei Stunden war ich unterwegs. Sollte ich viel öfter machen, sagt mir mein Bewegungsapparat und mein Hunger meldet, dass die Käsestulle zu klein war. Ab nach Hause.

Die Ihrig-Hütte im Februar am Lärmfeuer

Fotos: Thomas Hobein

(Beim Aufschreiben gehört: „Lord Of The Rings“ von Bo Hansson. Dieses Instrumental-Album aus dem Jahr 1970 ist inspiriert von Tolkiens Werk und kann stilistisch wohl dem Jazz-Rock zugeordnet werden)

 

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