Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

In Schäfers Garten

Ein Blick hinter das Gasthaus „Zum Hirsch“ in Bad König / Fürstengrund
Bohnen im Garten des Odenwaldgasthauses Zum Hirsch in Bad König Fürstengrund

Sigrid und Rainer Schäfer betreiben nicht etwa ein Gasthaus – sie leben es. Sie leben es saisonal und regional. Trends sind ihnen schnuppe. Wahrhaftigkeit und Nähe sind ihnen wichtig. Und was sie euch bieten, nennen sie „Von Unserm“. Und das, Freunde, meinen sie auch so.

„Gemüse und Salate aus dem eigenen Garten, taufrisch. Obst, von den eigenen Streuobstwiesen, ohne Transportwege. Fleisch vom Bauern nebenan, den wir persönlich kennen. Käse von einer kleinen Odenwälder Hofkäserei, extra für uns hergestellt. All das in vielen Variationen verarbeitet und zubereitet, in ländlicher Idylle genießen.“ Soweit die nicht autorisierte Abschrift der Website des Restaurants. Wir durften in den Garten und ansehen, was von denen denn so wirklich kommt.

Es ist ein Donnerstag im Juli. In der Luft hängt ein Gewitter. Aber noch lässt es sich hängen. Zum Glück. Sigrid und Rainer Schäfer haben uns nämlich eingeladen, ihren Garten anzusehen. Gerne, haben wir gesagt und da stehen wir nun – vor zehn Bienenvölkern, direkt hinter der Küche des Gasthauses mitten im Garten. Und die Mädels schaffen emsig was für den Winter heran. Der Sommer war ja bisher nicht so der Hit. Deshalb konnte Rainer Schäfer dieses Mal auch erst Ende Mai Honig schleudern – sonst tut er das bereits am Anfang des Wonnemonats.

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„Es ist einfach pervers, Obst und Gemüse nach dem Aussehen zu verkaufen.“

Hinter den Magazinen der Bienen erhebt sich ein ausgesprochen luftiges Gewächshaus und Streuobstwiesen ziehen sich den Hang hinauf zum Horizont. Während Küchenmeister Schäfer zeigt, erzählt und erläutert, denkt er an seine Kindheit. Ein Butterbrot und ein Apfel, ein Cox-Orange. Das war lecker. Das ist Kindheit. Und wir – wir wissen sofort, was er meint.

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Linker Hand der Bienen steht ein winziger Apfelbaum, der dieses Jahr nur ganze zwei knallrote Äpfel trägt. Die Sorte nennt sich „Roter Mond“ und ist eine frostresistente Züchtung des russischen Botanikers und Pflanzenzüchters Iwan Wladimirowitsch Mitschurin. Und tatsächlich sind nicht nur die Äpfel von außen rot, auch das Fruchtfleisch und sogar das Holz. Die Schäfers erzählen von dem schönen roten Saft, der sich dieses Mal wohl etwas rar machen wird. Aber so ist das eben, wenn man der Natur weitgehend ihren Lauf lässt.

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Von dem Außenseiter mal abgesehen, erheben sich in den Wiesen Friedberger Bohnapfel-Bäume und Cox Orange Renette. „Mausiges Laub. Kleine, schorfige Äpfel. Toller Geschmack.“ So Rainer Schäfer. Ein Stück entfernt steht die gleiche Apfelsorte. Es ist aber eine neuere Züchtung mit supermarkttauglichen, glatten Äpfeln. Null Schorf und null Geschmack.

Der Konsum-Apfel, der soll gut aussehen und süß sein. Odenwälder Hochstamm-Apfelsorten wurden gepflanzt, um früh einen Saftapfel zu haben. Dann gab es einen Sommerapfel und einen, der eine festere Schale hatte und sich gut über den Winter hielt. Auch waren die Äpfel geschmacklich von Baum zu Baum unterschiedlich. „Stellen Sie sich mal vor, da schmeckt ein Apfel aus dem Supermarkt mal etwas anders, als der, den man zwei Wochen vorher gekauft hat. Da bricht eine ganze Welt zusammen.“

Doch zurück zu den Streuobstwiesen, die nicht nur Äpfel zu bieten haben. Drei Quittenbäume, einige Birnenbäume und jede Menge Zwetschgenbäume stehen da im wahrsten Sinn des Wortes auch noch rum – irgendwie als hätten sie selbst entschieden, sich es genau dort bequem zu machen, wo wir sie jetzt sehen. Und sie kommen klar und sie liefern. Die selbstgemachten Apfel-, Birnen und Quittensäfte sind im Winter echte Vitaminbomben.

Sigrid Schäfer ist gelernte Chemie-Laborantin aber von Omas Gemüsegarten wohl mehr beeindruckt als vom erlernten Beruf. Im Gewächshaus baut sie Salat- und Freiland-Gurken, Paprika sowie vier bis fünf Tomatensorten an. Die Tomaten werden den Sommer über immer erst im ausgereiften Zustand geerntet und beeindrucken deshalb durch ihren vollen Geschmack. Die Freiland-Gurken werden als Senfgurken eingelegt und im Herbst werden die letzten Tomaten zu einem Chutney verarbeitet.

 

„Wenn man sich beim Hacken mal kurz aufrichtet hat man eine wunderbare Aussicht.“

Wir steigen ins Auto. Es geht bergauf, bis wir den Gemüsegarten erreichen. Die schlanke Parzelle liegt umringt von Sommergerste auf der Kuppe einer Anhöhe. Während der Fahrt fragen wir immer wieder, was denn da angebaut wird und wer die Besitzer sind. Und es ist ein wenig wie beim gestiefelten Kater. Alles gehört dem Graf von Katershausen.

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Die Sommergerste ist nur für den Verkauf gedacht. Rainer Schäfer ist eben immer noch gerne Landwirt, hat sich aber seit 2010 auf das Restaurant konzentriert. Viehzucht und Ackerbau haben ihm aber mehr Spaß gemacht. „Das dürfe man doch mal sagen, oder?“ Er fühlt sich mit der Natur unheimlich verbunden und das wird sich auch nicht ändern.

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Der erste Teil des Gartens ist an unterschiedliche Parteien vermietet. Da gibt es schön angelegte, aber auch etwas wildere Flächen. Wir sehen uns Schäfers Garten genauer an. Sigrid Schäfer ist gleich voll in ihrem Element, wuselt von Zucchini zum Brokkoli, macht einen Abstecher zu den Freiland-Gurken und beäugt die Zwiebeln.

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Wir erkunden weitaus langsamer die Fläche auf der Anhöhe. Da gibt es Blumenkohl, Wirsing, Steckrüben, Freiland-Gurken, Bohnen, verschiedene Karotten, gelbe und rote Beete, Pastinaken fürs Enkelchen sowie Spitz- und Weißkohl. Und zwischendurch immer wieder Basilikum, Bohnenkraut, Dill und Petersilie.

Der Liebling sind die Trompeten-Zucchetti. Die Gäste im Restaurant wissen zwar nie, was sie da auf den Teller bekommen, sind aber begeistert von dem nussigen Geschmack.

Der normale Salat ist in diesem Jahr eine Katastrophe. Erst ist nix gewachsen und dann kamen die Hasen. Aber die Zwiebeln. Die Zwiebeln sind dieses Jahr schön groß geworden und bleiben jetzt aber noch solange stehen, bis das Grün abgetrocknet ist. Das neueste Experiment, der Anbau von Süßkartoffeln, ist im ersten Anlauf in die Hose gegangen. Dann eben nächstes Mal.

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Gegossen wird übrigens nur beim Setzen. Der Rest wächst ohne zusätzliches Wässern in der Regel ganz prima auf dem leichten sandigen Lehmboden.

Sigrid und Rainer Schäfer im Garten

Vieles von dem, was hier wächst, wird eingemacht. Schließlich muss es verarbeitet werden, wenn es reif ist. Und da es in manchen Jahren viel von einem Gemüse gibt und in anderen eher wenig, improvisiert Sigrid Schäfer eben. Dabei entstehen durchaus auch immer wieder neue Kreationen. So werden statt Gurken auch mal Zucchini wie Gurken eingelegt. Und es schmeckt!

 

„Jetzt geht es ins Eingemachte.“

Wir sind zurück in Fürstengrund, wo sich auf dem alten Hof neben dem Restaurant eine Tür öffnet. Dahinter liegt so eine Art kulinarische Schatzkammer voller Einmachgläser, Weinflaschen und Obst-Brände.

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IMG_8957_webEingetaucht in das Licht aus Rembrandt-Gemälden warten hier Birnen, Gurken, Quitten und Zucchini in riesigen Gläsern darauf, genussvoll verspachtelt zu werden. Es wird immer nur das hergestellt, was pro Jahr auch im Restaurant oder privat verbraucht wird. Das sind keine industriellen Mengen, aber deutlich mehr als in privaten Haushalten. Wir finden auch Beerenkompott aus Johannisbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren und Walderdbeeren. „Das ist unsere geschmacksintensive Alternative zum eingedickten Preiselbeeren-Scheißdreck aus Gelatine und Speisestärke.“ Deutliche Worte, denkt vielleicht die ein oder der andere – ich aber nicht. Ich hasse diese süße Pampe auch, die auf Hälften von Dosenbirnen geflanscht, den besten Braten ruiniert.

Aber viele Gäste bestehen eben darauf, wie auch auf ihren Williams nach dem Essen – anstatt sich mal von einem Gläschen Wildbirne vom Dieter Walz überraschen zu lassen. Doch einen Williams gibt es hier nicht und wird es auch nicht geben. Warum auch?

 

„Wenn ich Fleisch esse, dann ist dafür ein Tier gestorben.“

Nach dem Besuch im Keller kommt was auf den Tisch, damit wir nicht vom Fleisch fallen. Es ist eine Pizza, belegt mit eigenem Gemüse, Lammsalami und Fisch. Kommt wahrlich nicht ganz ungelegen, schmeckt super und beim Essen babbeln ist sowieso immer gut. Wir babbeln über Fleisch.

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Beim Kauf einer Plastikverpackung mit zwei marinierten Steaks drin fehlt Rainer Schäfer einfach die Achtung vor dem Tier. Das Tier hat für ihn nur noch den gleichen Stellenwert wie die Verpackung. Und das geht einfach nicht. „Lieber esse ich einmal in der Woche ein richtig gutes Stück Fleisch, als jeden Tag ein Kilo Billighackfleisch“, sagt er.

Rind, Schwein, Lamm und Fisch sind nicht „von unserm“, aber von Wohlbekanntem. Rind- und Schweinefleisch stammen von den Metzgern Heckmann aus Michelstadt und Schlößmann aus Bad König sowie vom Odenwaldschlachthof. Lammfleisch beziehen die Schäfers von Christian Zentgraf aus Bad König. Dessen Schafe werden zukünftig Schäfers Wiesen weiden, denn ihm wurde kurzfristig der Stall gekündigt. Der Fisch kommt von der Familie Siefert aus Ober-Senfbach.

 

„Warum machen Sie das dann nicht einfach mal wieder selbst daheim?“

Ältere Gäste kommentieren die Schäfer’sche Küche oft mit dem Satz: „ Och, das schmeckt ja so wie früher!“ Sigrid Schäfer fragt dann auch mal zurück: „Warum machen Sie das dann nicht einfach mal wieder selbst daheim?“ Sie guckt im Supermarkt auch immer mal, was die anderen Leute so im Wagen haben. Und stellt dann fest, dass sie aus diesem Sortiment überhaupt niemals etwas braucht.

Er fügt hinzu: „Es ist ganz einfach. Wenn jetzt die gestandene Hausfrau auf dem Markt frischen Spinat kauft, dann zahlt sie nur halb soviel dafür, wie für einen Tiefkühl-Rahmspinat. Aber dann muss sie auch was damit machen und das ist das Problem. Die weiß ja gar nicht mehr wie so was geht.“

Und dann reden wir noch über Fertigprodukte, Verfallsdaten und überhaupt. „Wir werden das große Geld in unserem Leben nicht mehr machen“, sagen beide. Aber irgendwie scheint es auch nicht ihr Ziel zu sein. Sie zitieren den Brenner Dieter Walz: „Früher hatte ich ein geregeltes Geld, geregelte Arbeitszeit, geregelten Urlaub. Heute lebe ich einfach nur.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass sich das Gewitter immer noch hängen lässt. An diesem Donnerstag im Juli in Bad König / Fürstengrund. Hinter der Küche des Odenwald Gasthauses „Zum Hirsch“.

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Fotografie und Bildbearbeitung: Thomas Hobein. Die Kamera war wie so oft eine Leihgabe Dirk Hoppmanns von Freisicht.

(Beim Schreiben gehört: Das Album „My Head Is an Animal“ von „Of Monsters and Men“ und dabei immer wieder und wieder den Song „Slow and Steady“)

2 Kommentare zu “In Schäfers Garten

  1. Christiane Wiedemann

    Was für ein wunderbarer Bericht. Ich freue mich schon wie Bolle auf unser Weihnachtessen mit der Firma Ende November. Ich bin schon sehr gespannt, was die Küche an diesem Tag für uns zaubert. ?……;-)

    1. Thomas Hobein

      Das wird gut, Christiane. Das wird gut.

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