Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Die 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Zu Gast beim Eröffnungsmenü im Landgasthof Grüner Baum

Vom 17.September bis zum 03. Oktober 2022 präsentiert sich der Odenwald ganz im Zeichen der Knolle mit Migrationshintergrund. Im Rahmen der 32. Odenwälder Kartoffelwochen finden dazu Veranstaltungen sowie Märkte statt. Und zweiundzwanzig Gastronomiebetriebe präsentieren auf ihren Karten Traditionelles und Innovatives, aber hoffentlich immer Leckeres, aus Kartoffeln. Aber am Anfang stand das Eröffnungsmenü. Und ich war eingeladen.

 

Zwei Tage vor Beginn der Kartoffelwochen gehörte ich zu den Gästen des Eröffnungsmenüs im Landgasthof Grüner Baum in Oberzent-Gammelsbach. Ich erzähle euch im Folgenden mal, was es zu futtern und zu hören gab. Und ein wenig über die Kartoffel und den Odenwald. Vielleicht macht das ja Lust auf einen spontanen Trip oder – weniger spontan – auf die 33. Kartoffelwochen. Doch jetzt erstmal »rin in die Kartoffeln«, wie es da heißt, wo ich eigentlich wech bin.

 

Alles beginnt mit Sekt und Fingerfood

Bevor dann aufgetischt wird flutet eine Reihe von Begrüßungen, Ansprachen und Danksagungen über die Gäste hinweg, was aber obligatorisch für solche Veranstaltungen ist und deshalb interessiert aufgesogen wird. Begleitet von der eigenen Gitarre trägt dann der Spachbrücker „Guggugg“ Mundartliches vor. Und das tut er auch unermüdlich mit sichtlichem Spaß den gesamten Abend zwischen den einzelnen Gängen.

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

 

Vorspeise

Kartoffelcrêpe mit Mossautaler Lachsforelle und Frischkäse
Salatbouquet an Apfel-Meerrettich-Dressing

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Schließlich wird in Anwesenheit der regional-lukullischen Hoheiten Kartoffelkönigin Ann-Katrin I., Kartoffelprinzessin Eva I. und Apfelkönigin Miriam I. die Vorspeise aufgetragen.

Während des Gewusels und Verspachtelns habe ich Zeit, euch zu erzählen, wie die Kartoffel in diese Region gelangte. Obwohl der Odenwald während des Dreißigjährigen Kriegs eigentlich keine Battlezone war, reduzierten durchziehende Truppen alle Kriegsparteien die hiesige Bevölkerung um etwa fünfundachtzig Prozent. Aber auch nach dem Westfälischen Frieden (1648) wurde das Leben nicht gleich leichter. Vielleicht hörten die Plünderungen auf, aber die Landwirtschaft lag am Boden und Schmalhans war Küchenmeister. Die Kartoffel, eine neue Frucht aus Südamerika, die Abhilfe schaffen sollte, wurde vom Odenwälder nur zögerlich aufgenommen. Was der Bauer nicht kennt, …

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Es dauerte zwar etwas, doch der Erfolg der nahrhaften Knolle war selbst bei allergrößter Sturheit nicht aufzuhalten. Vom Vogtland aus trat sie ihren Siegeszug nach Südwesten an und um 1720 wurde sie wohl bei Amorbach in größerem Umfang angebaut.

In jedem Fall hat sich der knollige Südamerikaner hier so breitgemacht und vieles andere dermaßen ver- oder zurückgedrängt, dass die Konzentration auf die Kartoffel im Jahr 1845 die nächste Hungernot auslöste. Denn die Kartoffelfäule – begünstigt durch Ernte bei feuchtem Wetter und falsche Lagerung – verursachten nicht nur in Irland eine wahre Auswanderungswelle, sondern trug wohl auch in Deutschland zur Revolution von 1848 in erheblichem Maße bei (siehe auch Kartoffelrevolution 1847). Seitdem wird weltweit an der Züchtung resistenter Sorten gearbeitet. Die sachgemäße Handhabung des heute deutschesten aller Grundnahrungsmittel ist uns also noch nicht einmal zweihundert Jahre lang vertraut.

 

Suppe

Consommé vom Kalbstafelspitz mit Mini-Kartoffelknödeln

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Da man beim Essen bekanntlich nicht spricht, lasse ich euch an meinen Gedanken teilhaben. 1895 gründet Ökonomierat Georg Friedrich Böhm die Kartoffelzucht Böhm in Groß-Bieberau (nördlicher Odenwald) und bringt erste Neuzüchtungen auf den Markt. Die tragen Namen wie »Böhms Frühe«, »Groß- Bieberauer Ertragsreiche«, »Erste des Odenwaldes«. Das Unternehmen besteht bis heute unter dem Namen Europlant mit Sitz in Lüneburg, züchtet und vertreibt weltweit eine Vielzahl von Sorten. Aber auf dem Kohlbacher Hof bei Brensbach widmet sich die Familie Böhm auch heuten och der Kartoffelzucht. Ihr seht also, wie eng der Odenwald noch heute mit der Kartoffel verbunden ist.

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

 

Zwischengang

Kartoffel-Ochsenbäckchen-Ravioli auf Pfifferling-Spätburgunder-Sauce

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Ochsenbäckchen gehen immer und natürlich mit Kartoffeln. Zeit sich einer besonderen Sorte aus dem Hause Böhm zu widmen. Während heute Ertragssicherheit, Resistenz und Massengeschmack die Züchtungen bestimmen, wächst aber durchaus auch das Interesse an alten Sorten. Deshalb stelle ich hier eine regionale Sorte vor, die 1908 zugelassen wurde. Sie nennt ich »Odenwälder Blaue« oder auch »Böhms Blaue«. Diese kleine, mehligkochende Kartoffel bildet runde Knollen mit hellgelbem Fleisch und einer zurückhaltend violetten Maserung. Der Name leitet sich von der blau-violetten Schale ab. Auf dieser Seite findet ihr unsere »Fish and Chips« aus dieser Kartoffel.

Odenwälder Blaue – regionale , alte Kartoffelsorte

 

Hauptgang:

Kartoffel-Pastinaken-Stampf, violettes Kartoffelpüree
wilder Brokkoli und zarte Schweinefiletmedaillons

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Bei so einem Menü hat jeder Gang seine Bedeutung, aber im Mittelpunkt steht der Hauptgang. Hier dreht sich alles um die Kartoffel, denn die ist ein wichtiger Teil der lebendigen Identität dieser Region. Dafür stehen die Odenwälder Kartoffelwochen, die der ehemalige Landrat Horst Schnur einst erfand, als sichtbares Zeichen nach innen und außen. Und das könnt ihr während dieser Wochen erleben, kaufen und vor allem in 22 Gastronomiebetrieben schmecken. Alle Informationen zu den Teilnehmern findet ihr auf kartoffelwochen.de – einer Seite der Odenwald Tourismus GmbH.

 

Dessert

Kartoffeltaschen mit Zwetschgenfüllung, Zwetschgenschaum und Vanillesauce

Eröffnung der 32. Odenwälder Kartoffelwochen

Als die letzten Happen in mir verschwinden, denke ich: Es wurde viel gegessen, gesungen und gebabbelt. Und das ist gut so. Macht man ja schließlich nicht jeden Tag. Und mir fällt der Spruch meiner Mutter ein, wenn ich als Kind nachdrücklich für Nudeln plädierte: „Dein Vater braucht seine Kartoffel.“ Genau wie der Odenwald.

 

Abgang

Eröffnung der 32. Odenwälder KartoffelwochenIm Regen einer tiefschwarzen Nacht geht es schließlich zurück aus dem Landgasthof Grüner Baum in Oberzent / Ortsteil Gammelsbach nach Darmstadt. Also aus Hessens tiefem Süden in Hessens nicht ganz so tiefen Süden. Deshalb kann ich zu den begleitenden Weinen auch nichts sagen. Denn wenn ich fahre, trinke ich nix. Das war ehrlich gesagt nicht immer so, so ist es aber jetzt und so ist es besser. Zuhause, ja zuhause, da wartet aber ein großes kühles Bier, gebraut nach Pilsner Art, auf mich, den durstigen Heimkehrer.

Fotografie: Thomas Hobein

(Beim Aufschreiben u.a. gehört: Vom Guggugg inspiriert habe ich mal Irisches aufgelegt und »The Irish Rover« gehört – performed by The Dubliners & The Pogues)

 

 

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