Insel-Lösung
Die Menge allein macht’s eben nicht. Also entschied man sich in Groß-Umstadt, die Ertragsmenge pro Hektar zu reduzieren und die Qualität deutlich zu steigern. Jetzt ist die Odenwälder Winzergenossenschaft erstmals im Gault&Millau vertreten. Doch zahlreiche Auszeichnungen und Prämierungen der letzten Jahre zeigten bereits vorher, dass der Kurswechsel die richtige Entscheidung war. Wir haben uns mit Geschäftsführer Oliver Schröbel getroffen und uns mit ihm über die Genossenschaft unterhalten.
Zuerst vielleicht einige Fakten: Vinum Autmundis ist der Markenname der Odenwälder Winzergenossenschaft e.G. in Groß-Umstadt – eingeführt 2009, genau fünfzig Jahre nach Gründung der Genossenschaft. Der Markenname ist eine Ableitung von Autmundistat, so wurde Groß-Umstadt im achten Jahrhundert genannt.
Die Genossenschaft ist heute der größte Weinbaubetrieb des Bereichs Umstadt und bewirtschaftet mit seinen über einhundert Mitgliedern etwa fünfundsechzig Hektar. Das entspricht fast fünfundachtzig Prozent der Rebfläche der so genannten Odenwälder Weininsel, die – obwohl nicht an der Bergstraße gelegen – zum Weinanbaugebiet Hessische Bergstraße gehört. Angebaut werden Weiß- und Rotweine, die mit einer deutlichen Fokussierung auf Qualität zu einem abwechslungsreichen Sortiment vinifiziert werden.
Das Interview
E!G.: Herr Schröbel, danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Legen wir einfach los. Ihre Jahresproduktion beträgt rund 140.000 Flaschen pro Jahr, habe ich irgendwo gelesen?
O.S.: 140.000? Das passt nicht zur Erntemenge. Bei 400.000 Litern im Jahr wird die eine Hälfte davon in Literflaschen abgefüllt, die andere Hälfte in ¾-Liter Flaschen, da ergibt sich dann schon eher eine Menge von 540.000 Flaschen. Das ist schon ein bisschen mehr.
E!G.: Sie haben nun schon 85% der hiesigen Anbauflächen. Ist damit das Wachstum der OWG von der Fläche her erst mal abgeschlossen?
O.S.: Ja, momentan haben wir 67 Hektar, nächstes Jahr etwa 72 – dann ist Schluss.
E!G.: Einen Großteil Ihrer Produktion verkaufen Sie hier auf dem Hof. In den Handel kommt aber auch ein Teil?
O.S.: Ja, wir sind bei Karstadt, Tegut, Rewe-Center und Edeka gelistet, aber nicht in jedem Markt. Und alles regional im Umkreis von 20–25 km. Weiter raus gehen wir bisher nicht, weil bisher auch die Menge nicht da war. Aber jetzt werden wir uns hier neu definieren.
Über Qualität
E!G.: Kommen wir zur Qualität. Beim Lesen im „Bergstraße Weinlesebuch“ ist mir aufgefallen, dass früher von der „Sauer Brieh“ gesprochen wurde.
O.S.: Oh ja, das stimmt, da haben wir teilweise heute noch im Umland damit zu kämpfen. In Dieburg zum Beispiel. Oh Umstadt, saurer Wein! Die Umstädter Weine hießen früher auch „Wendeweine“. Da haben nachts um zwei die Kirchenglocken geklingelt, dass die, die zwei Schoppen zuviel getrunken hatten sich rumdrehen mussten, sonst hat es einseitig die Magenwand zerfressen. (…) Die Zeiten sind aber jetzt doch schon länger rum.
E!G.: Sie haben ja 2007 den Staatsehrenpreis bekommen und unseren Recherchen nach war das wohl ein Wendepunkt in der Wahrnehmung, ist das so?
O.S.: Ja, so ein bisschen. Staats-Ehrenpreis, Bundes-Ehrenpreis. Diese Preise haben natürlich dazu beigetragen. Man kann diese Preise dann auch gut medial verwerten.
E!G.: Aber Sie müssen ja auch was dafür getan haben, um sie zu bekommen.
O.S.: Was wir gemacht haben seit dem ich im Haus bin – seit 2001 – wir haben in einer außerordentlichen Generalversammlung die Mitglieder darüber entscheiden lassen, dass der Ertrag reduziert wird auf 80 Hektoliter pro Hektar. Man darf 100 Hektoliter. Aber wir haben gesagt, wir machen nur 80, das steigert die Qualität und das haben wir dann auch durchgezogen. Der 2006er Jahrgang war dann auch der, der prämiert wurde. Nach so einer Entscheidung braucht es einfach vier bis fünf Jahre Zeit, bis sich die Wirkung zeigt. Das ist im Wingert nicht anders als in der Politik.
E!G.: Wie überzeugt man mehr als 100 Mitglieder davon, eine so einschneidende Veränderung vorzunehmen?
O.S.: In dieser schnelllebigen Zeit wollen die Leute meistens sofort Ergebnisse sehen. Aber hier war es alles in allem eigentlich doch ganz einfach. Wir wollten jüngere und frischere Weine hinkriegen, die qualitativ einfach hochwertiger sind. Deshalb mussten wir diesen Schritt gehen, und das war dann auch gar kein Thema. Uns war wichtig, dass die Mitglieder von sich aus gesagt haben: Jawoll, den Weg gehen wir mit.
E!G.: Und deshalb können Sie jetzt auch die gehobene Qualität und die größere Vielfalt bieten?
O.S.: Wir haben hier jetzt ein riesen Sorten-Spektrum. Das ist auf der einen Seite aufwendig im Keller – man muss die vielen Kleinmengen ausbauen. Aber auf der anderen Seite gewährleistet es, dass kein Kunde, der zu uns kommt, ohne etwas nach Hause gehen muss – einfach weil wir eine vernünftige Auswahl bieten.
E!G.: Und es macht ja vielleicht auch mehr Spaß, so Dinge mal auszuprobieren.
O.S.: Das auf jeden Fall. Die Kellermeister können sich ausleben, weil jede Sorte – ob ein Gewürztraminer oder eine neuer Cabernet Blanc – eine ganz andere Anforderung an die „Vinifikation“ stellt, als das zum Beispiel ein Müller Thurgau oder ein Riesling eben macht.
E!G.: Wobei ich den Müller-Thurgau aber eigentlich ganz gut finde.
O.S.: Ja, ich bin auch ein Fan vom Müller-Thurgau, weil er von der Sortenstruktur her schön fruchtig frisch sein kann, und dabei aber wenig Säure hat. Bei dem vielen Stress, den jeder hat, ist sowieso die Magensäure immer auf Anspannung und dann macht es mehr Spaß so was zu trinken und nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen.
E!G.: Spielt „Bio“ eine Rolle in Ihren Überlegungen?
O.S.: Bio haben wir hier auch, aber ob wir weiter auf der Bio-Welle mitschwimmen ist fraglich. Wir haben oft schon alle anderen Weine ausverkauft und sitzen dann auf den Bioweinen. Regionalität und Qualität ist das Wichtigere, Bio spielt weniger eine Rolle als der persönliche Kontakt. Bio-Avocado aus Guatemala ergab ja auch noch nie einen Sinn. Man kann dem Biosiegel glauben oder halt auch nicht.
E!G.: Wir tun’s nicht! In einem Supermarkt zum Beispiel gibt es einen französischen Bio-Rotwein, der nicht mal vier Euro kostet.
O.S.: Wie soll den das preislich gehen? Wie soll denn das funktionieren? … Also wenn ich meine Äpfel kaufe, dann ist mir das egal, ob das ein Bio Apfel ist – dann gehe ich zum Geibel nach (Klein-) Zimmern oder zum Bauern hier im Ort. Da weiß ich, woher die Sachen kommen.
Von Auszeichnungen und Außenwirkung
E!G.: Nochmal zurück zu den Prämierungen. 2007 Staats-Ehrenpreis, 2015 Wein-Ehrenpreis, jetzt im Gault&Millau vertreten, Bundes-Ehrenpreis noch dazwischen und die Medaillen bei der Berliner Wein Trophy. Was versprechen Sie sich von dieser Qualitäts-Offensive? Mehr Wachstum, mehr Umsatz, mehr Spaß am Leben oder ist das überhaupt die Zukunft des Weins?
O.S.: Es ist meines Erachtens nach tatsächlich die Zukunft des Weines. Es geht nur mit qualitativ hochwertigem Wein, das ist ja so generell mit allem. Ich gehe lieber einmal weniger im Monat essen, dafür aber was Gescheites – auch wenn es etwas mehr kostet. Es muss halt etwas können, ich weiß zum Beispiel gerne, wo das Fleisch herkommt. XXL-Schnitzel muss nicht sein, aus dem Alter sind wir raus. Da habe ich einfach einen anderen Anspruch. Und so ist das beim Wein auch.
E!G.: Es ist ja aber auch möglich, die eigene Marke übers Etikett, über Designpreise von der Masse abzuheben.
O.S.: Ja, aber das hat mit Wein kaum noch was zu tun. Das geht im Lebensmittel-Einzelhandel. Das ist nur noch reines Marketing.
E!G.: Aber es scheint dort zu funktionieren und wäre bei Ihnen so wahrscheinlich auch möglich.
O.S.: Das wäre hier anders, wenn wir hier in Richtung Marketing und Werbung anders agieren würden. Sicher wäre auch da noch mehr Bewegung drin.
E!G.: Würde es mehr für Sie bringen, wenn Sie da wesentlich mehr tun würden?
O.S.: Wesentlich? Also wenn ich den Etat verdoppeln würde, würde ich damit den Umsatz nicht gleichzeitig verdoppeln können, das ist klar. Aber am Randbereich ist da schon noch was drin.
E!G.: Sie haben ja auch bereits durch die Wahl des Namens „Vinum Autmundis“ in Sachen Markenpolitik etwas getan.
O.S.: Das war auch Absicht, das Wort Winzergenossenschaft ist ein bisschen alt und verstaubt, das ist einfach nicht so positiv behaftet. Da landet man schnell wieder beim Eindruck der „Sauer Brieh“. „Die Winzer von Erbach“ klingt ja auch schon viel netter als einfach nur „Winzergenossenschaft Erbach“. Also war der Schritt hin zu „Vinum Autmundis“ genau richtig.
E!G.: Und jetzt stehen Sie im Gault&Millau.
O.S.: Ich weiß nicht genau, welche Rolle ich dem Gault&Millau beimessen soll. Wir sind Staats-Ehrenpreisträger, Bundes-Ehrenpreisträger und Ehrenpreisträger des Weinbauverbandes der Hessischen Bergstraße und haben das alles mehr als einmal im Tripple geholt. Und beim Gault&Millau haben wir dann ein Träubchen. Bürkle (Weingut Simon-Bürkle) hat z.B. zwei Trauben und das ist auch gerechtfertigt, der macht einfach gute Weine. Überhaupt keine Frage. Aber sonst hat er auch keine Auszeichungen.
E!G.: Eine gewisse Außenwirkung hat die Auszeichnung aber schon.
O.S.: Auf jeden Fall, also – ich freue mich natürlich über die eine Traube, über zwei würde ich mich mehr freuen. Ich würde den Teufel tun, da nicht mitzumachen.
E!G.: Sechs Winzer bzw. Genossenschaften der Hessischen Bergstraße und unzählige aus der Pfalz sind dort vertreten.
O.S.: Ja, die Pfalz hat auch 10.000 und die Hessische Bergstraße 500 – 600 Hektar Anbaufläche.
E!G.: Die Anbauregion Bergstraße erstreckt sich ja vom Badischen über die Hessische Bergstraße. Und Sie gehören ja auch dazu.
O.S.: Ja, wir reden hier am besten von der Odenwälder Weininsel. Weil wir räumlich von der Bergstraße entfernt sind. Und von der Vegetation her sind wir auch gerne mal 1 bis 2 Wochen hinterher. Das ist aber nicht unbedingt ein Nachteil.
E!G.: Vom Boden her gibt es auch Unterschiede?
O.S.: Ja. Hier haben wir den Quarzporphyr mit ein wenig Lößlehmauflage. Beim Silvaner geht es deshalb schon in die Richtung der Frankenweine.
E!G.: Würde es der Bergstraße gut tun, ein bisschen mehr ins Rampenlicht zu rücken?
O.S.: Die Hessische Bergstraße wird sowieso touristisch anders angefahren als wir. Umstadt als Tor zum Odenwald wird leider oft umfahren. Ob wir etwas davon hätten, dass die Bergstraße beworben wird, wage ich zu bezweifeln. Wenn die Bergstraße mit ihren Verkäufen zufrieden ist, dann ist das doch ok für die. Aber ein bisschen mehr Außenwahrnehmung täte uns allen hier bestimmt gut. In Weinbaufachzeitschriften liest man meistens über die großen Weinregionen Rheinhessen, Pfalz, Franken, aber von der Bergstraße ist da nie was drin. Vielleicht weil wir so weit ab vom Schuss sind. Aber wir haben jetzt eine Bergsträßer Gebietsweinkönigin und die ist auch noch Deutsche Weinprinzessin. Das versucht die Bergstraße natürlich für sich zu nutzen, aber bei uns kommt da nix an. Auch darüber ist in den Fachzeitschriften nichts zu lesen. Die Werbung in Rheinhessen und in der Pfalz ist da ganz anders aufgestellt als bei uns.
E!G.: Was sind Ihre nächsten Pläne, Ihre nächsten Schachzüge?
O.S.: Als nächstes werden wir bauen. Entweder bauen wir ganz neu oder wir bauen an – was wir präferieren, weil wir noch Platz nebenan haben. Wenn das aber alles nicht passt, dann müssen wir raus auf die grüne Wiese aussiedeln.
E!G.: Sie haben ja auch eine neue Website?
O.S.: Ja, seit letzter Woche. Die ist jetzt auch Tablet- und Mobiltelefon-tauglich. Wir werden jetzt besser gefunden und sind zukunftsfähig aufgestellt – auch in Bezug auf einen Web-Shop. Alle EAN-Codes unserer Weine sind eingepflegt und wer einen EAN-Scanner (im Smartphone) hat, kann von überall die Website besuchen und Informationen über den jeweiligen Wein beziehen.
E!G.: Herr Schröbel, danke für Ihre Zeit.
Wir haben uns mit Oliver Schröbel im März 2016 in der Winzergenossenschaft unterhalten. Das Interview ist gekürzt wiedergegeben. Beim Kürzen des Interviews getrunken: „2014er Umstädter Stachelberg, Weißer Burgunder, Kabinett trocken“