Ohne viel drum rum
Die „Unverpackt-Idee“ ist eigentlich ganz einfach. Du bringst deine eigene Verpackung mit zum Einkaufen. Leer, versteht sich. Dort füllst du das Mehl, die Bohnen oder was du gerade brauchst hinein. Dann wird gewogen, du zahlst nur die Menge, die du eingefüllt hast und – du hast null Gramm Verpackungsmüll erworben, den du sonst ja mitzahlst.
In Deutschland zahlen Anbieter verpackter Waren eine Lizenzgebühr für ihre Verpackungen (die sich natürlich auch im Verkaufspreis wiederfindet), um die Sammel- und Recyclingsysteme zu finanzieren. Weltweit ist das aber längst nicht die Regel. Und langfristig ist dieser moderne Ablass-Handel wohl auch keine Lösung. Besser ist, Verpackungen von vornherein zu vermeiden.
Warum? Hier nur ein Beispiel: Seit etwa 1997 ist bekannt, dass ein riesiger Strudel im Pazifischen Ozean einen neuen Kontinent aus Müll entstehen lässt. Inzwischen ist dieser sogenannte „Siebte Kontinent“ etwa so groß wie Mitteleuropa und besteht vorwiegend aus Plastik-Abfällen. Und es kümmert kein Schwein. Oder fast. Denn es gibt schon eine Gegenbewegung.
Immer mehr deutsche Städte werden von einer sanften, aber nachhaltigen Welle erfasst, die von einer engagierten Geschäftsidee getragen wird. Es geht darum, Lebensmittel und andere Waren unverpackt anzubieten. So, wie früher üblich und so, wie im „Unverpackt Darmstadt“.
Gutenbergstraße 5B, 64289 Darmstadt
Hier haben die Darmstädter seit Ende Oktober 2016 die Möglichkeit bei Bettina Will, Lebensmittel und Drogerie-Artikel einzukaufen – vorausgesetzt sie bringen Behälter für den Transport und die Aufbewahrung mit. Im Sortiment des Ladens finden sich allerdings auch geeignete Gefäße für die zukünftigen Einkäufe.
Die Gutenbergstraße liegt im Martinsviertel oder wie die Darmstädter sagen, im Watzeviertel. Das ist eine begehrte Wohngegend unterhalb der Mathildenhöhe, also auch ein idealer Standort für den nachbarschaftlichen, müllfreien Einkauf. Aber Bettina erzählt, dass ihre Kunden aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet stammen. Die kommen dann eben einmal im Monat im vorbei und kaufen entsprechende Mengen.
Das Bild der Einrichtung wird von den sogenannten Bulk-Bins an den Wänden beherrscht. Das sind Spender, die entfernt an Kaugummi-Automaten erinnern und das Trockensortiment wie Getreide, Hülsenfrüchte und vieles mehr beinhalten.
Backzutaten, Essig, Öl, Gewürze, Kräuter, Getränke, Kaffee, Tee und Molkereiprodukte, wie die berühmte Rollenbutter aus Hüttenthal. Haarpflege- und Hygieneprodukte und Reinigungsmittel ergänzen das wachsende Programm (eine Aufstellung findet sich auf der hauseigenen Website), das durch Eier und eine gezielt kleine Auswahl an regionalem Obst und Gemüse vervollständigt wird – alles in Bio-Qualität, versteht sich für Bettina Will.
Bewusster Einkaufen
Wer jetzt glaubt, hier kommen nur Öko-Aktivisten mit selbstgestrickten Pullovern vorbei, der irrt sich gewaltig. Erstens sind diese Zeiten, in denen man durch sein Outfit die eigene Betroffenheit bewies, eh vorbei. Und zweitens hat es sich längst als zeitgemäßer Life-Style etabliert, verantwortlich und nachhaltig zu konsumieren.
Tatsächlich gehören während meines Besuchs im Unverpackt die Kunden den unterschiedlichsten Generationen an. Aber alle sind Stammkunden. Die „Alten“ kennen diese Art des Einkaufs noch aus ihrer Kindheit und die „Jungen“ haben bereits einen weiteren Vorteil der nicht verpackten Waren erkannt. Sie vermeiden nicht nur Verpackungsmüll, sie müssen auch nur die Mengen kaufen, die sie wirklich brauchen – im Gegensatz zu den von der Industrie vorgegebenen Packungs-Inhalten, deren Mengen eigentlich nie einem realistischen Verbrauch entsprechen. Entweder hast du zu viel oder zu wenig und musst eine zweite Packung kaufen.
Und es gibt noch einen weiteren, sehr deutlichen Unterschied zum Shopping im Supermarkt – das kleine Schwätzchen an der Kasse oder am Regal. Schüchterne Kinder werden durch Gummibärchen zum Babbeln „bestochen“ und die alte Dame aus der Parallelstraße findet eine Zuhörerin. Der Einkauf wird wie einst zum Miteinander statt zum kontaktlosen Nebeneinanderher.
Unternehmen Zukunft
Hinter dem Namen „Unverpackt“ verbirgt sich keine Kette, wie manchmal vermutet wird. Dahinter stecken einzelne Unternehmen, die durch das ganz persönliche Engagement der Betreiber und Betreiberinnen ermöglicht und vorangebracht werden. Das sind aktuell rund fünfzig Läden deutschlandweit (Liste auf utopia.de) und ein Blick auf die Crowdfunding Plattform Startnext zeigt, dass da noch einiges im Kommen ist. So wie Unverpackt Aschaffenburg, das vom neunten Juni 2018 von Bettina Wills Ehemann Markus Dorner geführt werden wird.
So, wer von euch auf den Geschmack gekommen ist, kann an Werktagen von zehn Uhr an in der Gutenbergstraße vorbeischauen. Geöffnet ist bis neunzehn Uhr, am Samstag bis vierzehn Uhr.
Fotos: Thomas Hobein
(Beim Schreiben gehört: jedenfalls nix von Plastic Bertrand. Ich finde „The Little Things“, von Kendric, einst geschrieben für eine die TV-Kampagne eines Discounters, passt zu „Unverpackt“ viel besser als zu LIDL)