Vier für Umstadt
Die drei Musketiere waren ja bekanntlich vier. Drei tolle Typen und dann eben noch D’Artagnan. Aus Groß-Umstadt kommen auch drei tolle Typen und dann eben noch eine Weißburgunder Auslese, im Barrique ausgebaut. Und wir haben uns mit denen angelegt. Zwei Mal. Mit etwas unterschiedlichem Ausgang.
Anm.: Um die Ergebnisse der zwei Proben besser gegenüber zu stellen, simulieren wir mal eine Konferenzschaltung, wie wir sie aus dem Radio an Spieltagen der Bundesliga kennen. So überwinden wir Zeit und Raum und so. Ich rufe Arheilgen. Hallo Arheilgen …
2015er Weißburgunder, Auslese, Barrique
Arheilgen: Es ist Freitagabend im Hauptquartier der Streiter im Namen des Endlich! Guten. Auch wir sind zu viert. Jutta, Dirk, Michael und ich. Irgendwie ist Sommer, so ein schwül-warmer Abend. Wir sitzen auf der Terrasse in der Zöllerstraße und vermeiden es, uns zu bewegen. Vor uns auf dem Tisch die Herausforderung – eine 2015er Weißburgunder Auslese, im Barrique ausgebaut. Wir machen uns trotz Hitze entschlossen über den Korken der schlanken Flasche her. Sie lässt es geschehen. Was soll sie auch machen?
„Den müsst ihr mal probieren“, hatte Oliver Schröbel gesagt. Der Geschäftsführer der Odenwälder Winzergenossenschaft hat uns dann die noch nicht etikettierte Flasche in die Hand gedrückt. „Da bin ich mal gespannt, wie ihr den findet.“ Selbstverständlich haben wir diese Herausforderung tapfer angenommen und den Wein mit angemessen ernsten Gesichtern verkostet.
Schon beim ersten Schnüffeln beschleicht uns alle vier das Gefühl, dass uns gerade etwas Besonderes in die Nase steigt. Etwas Intensives und Fruchtiges. Pfirsich, sagen einige. Und es ist schnell klar – das hier ist kein Leichtgewicht. Also vorsichtig. Ganz vorsichtig. Sonst …
Dann der erste Schluck. Und eine mineralische Note ergänzt die Frucht. Ausgewogen. Alle finden ihn wirklich sehr gut. Uneins sind wir uns ob der Barrique-Note. Gleichstand. Zwei spüren eine leichte Präsenz, zwei nicht. Aber mehr davon vermisst niemand.
Ich mache einen Witz, um den Wein zu loben und sage, dass ich den nicht gerade zum Leberwurstbrot trinken würde. Alle lachen.
Es ist wie gesagt ein sehr heißer Sommerabend und uns erstaunt, wie schnell die steigende Temperatur den Wein verändert. Es kommt uns vor, als würde der Wein langsam dickflüssiger, insgesamt schwerer werden. Die Worte Likör und Südwein fallen – dann ist er alle. Und es bleibt dabei – sehr gut. Echt.
Groß-Umstadt. Vinum Autmundis: Dienstag gegen vierzehn Uhr. Oliver Schröbel und Weinküfermeister Jürgen Kronenberger entkorken in bester Urlaubslaune den Weißburgunder. Für beide geht es in Kürze in die Sommerfrische und dann dieser Wein.
Die Weißburgunder Auslese ist immer noch nicht etikettiert, aber wir dürfen schon einen Blick auf den schlanken Entwurf des Labels werfen. Muss ja auch bald drauf. Es gibt nämlich schon viele Vorbestellungen. Aber noch soll er so vierzehn Tage ruhen. Der Schwefel braucht eben etwas Zeit sich zu akklimatisieren. Jürgen Kronenberger würde ihn am liebsten noch gar nicht verkaufen. Er sagt, dass der Wein noch gut ein Jahr im Keller reifen könnte. Und das war früher auch so, aber heute kommt meistens doch alles gleich in den Verkauf. „Das ist bares Geld, das dann dort im Keller liegt.“
Zurück zum Wein. Wir schnüffeln. Wir probieren. Und stellen wieder fest: Dieser Wein hat eine ordentliche Drehzahl. Tatsächlich sind es etwa fünfzehn Prozent Alkohol. Aber auch sonst kommen wir nahezu zu den gleichen Erkenntnissen, wie beim ersten Mal. Die Männer aus Groß-Umstadt bestätigen die leichte Holznote.
Und sie sind sich einig. So einen Wein kann man nicht jedes Jahr machen. Da muss das Wetter mitspielen. Die Sonne. Einhundertacht Grad Oechsle misst man halt nicht jedes Jahr. Und das sagen sie ohne Bedauern. Die Einflüsse der Natur auf den Wein kann man halt nicht kontrollieren. Und das ist auch gut so.
Jürgen Kronenberger empfiehlt noch, den Wein nicht so kalt wie andere Weißweine zu trinken. Und er empfiehlt als Speise – und jetzt kommt’s – eine gute Leberwurst dazu. Keiner lacht diesmal. Ich auch nicht.
Abschließend lassen wir noch einmal Oliver Schröbel zu Wort kommen: „Des Ding iss der Brüller.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
2015er Müller Thurgau, feinherb
Zurück nach Arheilgen: Nach D’Artagnan nehmen wir es mit dem ersten der anderen tollen Typen auf. Dieser feinherbe Müller-Thurgau gibt mit seiner Goldplakette an, die er sich auf der Landesweinprämierung erfochten hat. Jetzt muss er hier zeigen, was er kann.
Und er kann was, der Goldjunge. Das ist ein ausdrucksstarker, frischer Weißwein. Mit Stachelbeer- und Zitrusnoten. Die von uns als leicht empfundene Säure macht den Müller-Thurgau zu einem erfrischenden Sommervergnügen.
Einhellige Meinung: Nicht ganz so outstanding wie der Weißburgunder, aber – wie die Amerikaner sagen – certified cool. Und ich, ich mag ihn sehr.
Später in Groß-Umstadt: „Akazie“, sagt Jochen Kronenberger, als er seine Nase wieder anhebt. „Ganz klar Akazie.“ Wir probieren den intensiv duftenden Wein. Und stoßen auf Pfirsich- und Aprikosen-Aromen. Aber auch die Stachelbeere bahnt sich wieder ihren Weg zu unseren Rezeptoren. Oliver Schröbel und ich sind mit dem gerade erlebten, sehr zufrieden. Gerade unglücklich ist aber auch niemand im Raum – im Gegenteil.
Wir kommen noch auf den etwas unscharfen Begriff „Feinherb“, der mehr oder weniger einen halbtrockenen Wein bezeichnet, aber bei den Kunden besser ankommt. Doch dazu an anderer Stelle vielleicht mal mehr.
2015er Grüner Silvaner, trocken
Wieder in Arheilgen: Da präsentiert sich uns ein schlanker, eleganter Typ. Der Aramis unter den Musketieren. Auch er trägt einen goldenen Orden für besondere Verdienste während der Landesweinprämierung. Und auch er fordert uns heraus. Auf ins Gefecht.
Nach dem ersten spontanen Schlagabtausch sind wir erfrischt. Extremst erfrischt – um mal superlativst zu sprechen. Klar, der trockene Bursche hält sich in punkto Säure auch nicht gerade zurück. Und da ist noch etwas. Etwas Pfeffriges in der Säure.
Für einen oder zwei unter uns Herausgeforderten ist die Säure etwas zu heftig. Für die beiden Riesling-Trinker geht das aber in Ordnung, locker in Ordnung.
Weiter in Groß-Umstadt: Hier nehmen wir die Säure als weitaus zurückhaltender wahr. Sie macht Platz für andere Wahrnehmungen. Diese pfeffrige Note bleibt zwar präsent, aber jetzt erlaubt sich der Wein, auch Stachelbeere und Litschi heraushängen zu lassen. Davon haben wir in Arheilgen nix bemerkt. Doch das führt dazu, dass selbst der Herr Frank, Säure-Kritiker ersten Grades, den Wein jetzt ganz prima findet. Als der Kellermeister uns noch den Bericht des Test-Institutes zeigt, der von einer „gut integrierten Säure“ zu erzählen weiß – da bleibt dem Herrn Frank auch nichts anderes mehr übrig.
Während all das geschieht hat Geschäftsführer Schröbel die Vision von Serrano-Schinken und Honigmelone zu dem grünen Sylvaner. Und es war Sommer.
2015er Rotling, halbtrocken
Arheilgen: Zum Schluss widmen wir uns dem kräftigen Porthos. Schon beim Öffnen entfaltet der seinen Beerenduft – Himbeere, um es zu präzisieren. Seinen Vorgänger haben wir ja bereits im Finkenbachtal getroffen und zum Flammlachs getrunken. Dieser hier, so denke ich, könnte etwas trockener sein. Aber …
… schalten wir ein letztes Mal für heute nach Groß-Umstadt: Hier sieht die Welt nämlich ganz anders aus. Die Website der Odenwälder Winzergenossenschaft Vinum Autmundis erzählt von einem Wein für eine laue Sommernacht auf der Terrasse. Und tatsächlich erleben wir den Rotling hier viel frischer.
Die Himbeere wird zur Erdbeere und eine fruchtige Säure konterkariert selbstbewusst die Süße des Weins, der aus Kerner und Dornfelder besteht.
„Der läuft gut,“ sagt Oliver Schröbel. „da brauchen wir große Mengen übers Jahr.“ Jürgen Kronenberger ergänzt, dass sie auch schon trockenere Jahrgänge hatten. Aber die seien nicht so gut angekommen. Und wir, wir nicken mit dem Kopf. Dann babbeln wir noch ein wenig über das deutsche Weingesetz, Klimaveränderungen, Glyphosat, Nitrat und über Urlaub. Und den wünschen wir unseren Gastgebern auch. Zurück ins Studio.
Fazit
Die Ergebnisse beider Proben zeigen, dass die da guten Wein machen in Groß-Umstadt. Und dass sie wissen, was sie tun. Die Wahrnehmungs-Unterschiede ergaben sich durch die Reihenfolge der Proben. Wir haben in Arheilgen mit dem Weißburgunder begonnen, weil uns der am wichtigsten war, aber das war zugegeben, äh, nicht ganz richtig. Die korrekte Reihenfolge ist Grüner Sylvaner, Müller-Thurgau, Rotling, Weißburgunder. Und so sind wir in Groß-Umstadt vorgegangen.
Jetzt sagen vielleicht die Kenner unter euch Lesern: „Sind die blöd, diese kulinarischen Abenteurer.“ Sagt das ruhig. Sagt das ruhig. Wir setzen uns inzwischen wieder in den Garten, trinken ein Gläschen und freuen uns auf die nächsten Fehler, wenn die so lecker sind.
Fotografie: Thomas Hobein. Garten: Michael Frank.
(Beim Schreiben gehört: „In Praise of Dreams“ von Jan Gabarek)