Auf das Maximum reduziert
Die Speisekarte ist übersichtlich. Und das ist gut so. Denn sie enthält so ziemlich alles, was den Odenwald kulinarisch ausmacht. Nicht mehr, nicht weniger, aber nahezu vollständig aus eigener Herstellung. Hier wird gebacken, geschlachtet, gekeltert, aufgetischt. Und das sehr zur Freude der Gäste.
Wir sitzen mit den Wirtsleuten draußen vor dem Rebstock, trinken Apfelwein und babbeln. Matthias Fleischmann und seine Frau Sonja Schwabe sind gut drauf. Sie erzählen wie das alles begann. Damals.
Die Trinklustigen zu stoppen sich beim Fleischmanns Hannes zu betrinken
Alles entstand aus einer reinen Landwirtschaft. Aber schon lange bevor das erste Automobil den Odenwald durchqueren sollte führte ein viel bewanderter Pfad von Fürth nach Steinbach zum heutigen Gasthof – ausgetreten von manch durstigem Zecher. Diesem Treiben wollte die Gemeinde Fürth aber ein Ende setzen wie ein altes Dokument belegt: „Die Trinklustigen zu stoppen sich beim Fleischmanns Hannes zu betrinken.“ Hat aber nix genützt: Im Jahre 1867 erhielt die Schankwirtschaft die offizielle Konzession.
Obwohl die zum Hof gehörenden Ackerflächen inzwischen von Karl Bauer aus Fürth bewirtschaftet werden versteht sich Matthias Fleischmann immer noch als Landwirt oder – besser – als Bauer und Gastwirt gleichermaßen wie er sagt. Auf der Website kann man dazu nachlesen: „Und das ist gut für Sie (gemeint sind die Gäste). Denn alles was der Bauer erzeugt, serviert der Gastwirt Ihnen frisch auf den Tisch.“
1974 wurde der einstige Kuhstall zur heutigen Wirtsstube umgebaut. Hier sind an kalten Wintertagen die Plätze im Kaminzimmer besonders schnell besetzt, wenn „aus dem Kessel über dem Feuer eine kräftige Suppe duftet“. Aber jetzt ist Sommer. Wir sitzen an einem langen Holztisch auf der Terrasse vor dem Gasthof und kommen auf die Speisekarte zu sprechen, während die Wirtschaft sich schnell füllt.
Matthias erzählt, dass die Überlegung die übersichtliche Speisekarte zu erweitern, schon im Raum stand. Aber die Entscheidung fiel anders aus: „Lieber weniger, aber dafür hundertprozentige Qualität. Und nach dem garantierten Grundsatz… alles vom eigenen Hof.“
Und so voll wie es hier inzwischen ist, denken wir, die Gäste wollen auch gar kein umfangreicheres Angebot haben. Sie wollen es, wie es ist. Sie wollen, dass sich im Prinzip alles um Produkte dreht, die im Rebstock nicht nur serviert sondern auch hergestellt werden, also um Brot, Hausmacher-Wurst, Kochkäse, Apfelwein oder -saft und Kuchen.
Übrigens: Vieles von dem, was im Rebstock auf den Tisch kommt, kann man dort auch kaufen und dann zuhause verputzen.
Selbstverständlich bietet die Speisekarte auch einige unverzichtbare Produkte, die nicht selbstgemacht sind – wie Wein, Bier, Kaffee oder zusätzliche Kuchen. Aber auch die sind alle sorgfältig ausgewählt und regionalen Ursprungs: Bier aus der Weschnitztaler Braumanufaktur, Kaffee aus der Rösterei in Fürth oder die Kuchen von Erika Jäger und ihrer Gang (O-Ton Matthias). Doch die sind alle eine eigene Geschichte wert. Deshalb zurück zum Rebstock. Und zum Brot.
Das täglich’ Brot von einst ist heute ganz besonders
Dieses Brot besteht zu einhundert Prozent aus Roggen. Und seine Basis, der Sauerteig ist das älteste Familienmitglied. Sein Geburtsdatum liegt im Jahr 1867. Damals wurde ein Mal im Monat für den Eigenbedarf im Steinofen gebacken. Heute backt Matthias Fleischmann viermal in der Woche im gusseisernen Ofen. Gelernt hat er es von seiner Oma – auch den Umgang mit dem zickigen, wetterfühligen Teig.
„Man muss den Teig spüren“, sagt der Teigflüsterer. „Und das kann keine Maschine.“ Der gelernte Maschinenbauer muss es ja wissen. Und der Geschmack des Brotes gibt ihm recht. Da muss eigentlich nur noch Gute Butter aus Hüttenthal drauf und die Frau in einem imaginären Werbespot für den Odenwald würde in die Kamera jauchzen: „Oh, Mann. Wie gut ist das denn!?“
Wenn es um die Wurst geht – Fleischmann
Auch geschlachtet wird im Rebstock noch selbst … etwa alle drei Wochen. Die Schweine liefern bestes Fleisch für Schinken, Speck und Hausmacher Wurst nach alten überlieferten Rezepten aus dem Odenwald – weil sie mit Schrot in Bio-Qualität gefüttert werden. Besonders gefragt an den Schlachtterminen ist bei Stammgästen die kräftige Metzelsupp mit Mehl-Riwwel aus Mehl und Eigelb.
Und die Bratwurst, Leute, die Bratwurst. Die liegt klein und verschrumpelt vor euch auf dem Teller, weil sie ohne Wasser bindende Zusätze gemacht wird. Und deshalb überzeugt sie auf den ersten Biss durch ihre inneren Werte – verstärkter Geschmack ohne Geschmacksverstärker.
Serviert wird die Bratwurst übrigens auch mit „Schlag“. Hinter dieser hauseigenen Wortkreation verbirgt sich Kochkäse, ebenfalls aus eigner Herstellung. Jede Woche wird eine ordentliche Portion „Schlag“ produziert. Ganz klassisch aus Quark ohne den Zusatz von Handkäse, aber dafür – Attenzione! – in einer italienischen doppelwandigen Konfitüre-Maschine. Die rührt nicht nur gleichmäßig die Masse sondern sorgt auch dafür, dass die zulässige Höchsttemperatur von sechzig Grad nicht überschritten wird.
Apfelwein und -saft von den eigenen Streuobstwiesen
Nix passt besser zu Bratwurst mit Schlag als der Apfelwein oder Apfelsaft aus eigenem Anbau, gekeltert bei Pfeiffer in Ober-Ostern und dann selbst weiter verarbeitet. Der Apfelwein wird erst nach zwei Jahren Reifeprozess – wenn sich die Säure von selbst abgebaut hat – ausgeschenkt. Und eins ist ganz klar für Matthias. Es müssen unterschiedliche Apfelsorten in den Äppler rein. Dann wird der gehaltvoller. Der sortenreine Ausbau ist für ihn mehr eine Marketingsache, die sich aber positiv auf das Image des Apfelweins auswirkt.
Ein gutes Leben
Die Sonne verabschiedet sich langsam. Matthias und Sonja sind längst in die Küche entschwunden und sorgen für das leibliche Wohl der Gäste. Die sollen sich wohlfühlen im Rebstock und nicht nur die. Auch für die muntere Viecher-Schar ist bestens gesorgt – für all die Hühner, Pferde und Kaninchen und für den kleinen Hund, der die Öffnungszeiten des Gasthofs kennt, wie kein zweiter. Kommst du zu früh wirst du angekläfft, kommst du zur rechten Zeit hält er die Klappe und lässt es sich gut gehen in Fürth-Steinbach im Gasthof „Zum Rebstock“.
Fotografie und Bildbearbeitung stammen von Wolfgang Merkle.
(Beim Schreiben u. a. gehört: „Beautiful Day“ von U2)