Das Brauen im Kopf
Geographie-Studium abgebrochen. Stattdessen eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer bei Schmucker gemacht. Wir haben Nico Leffler mal gefragt, was er sich denn dabei gedacht hat.
Ein Januarmorgen im Odenwald. In Ober-Mossau liegt kein Schnee, aber das Thermometer träumt nur von Plusgraden. Wir platzieren uns im Sudhaus der Privat-Brauerei Schmucker. Hier ist es angenehm warm, weil gebraut wird. Ein Duft von Hopfen durchzieht den Raum und von den kupfernen Sudpfannen dringt ein gleichmäßig tiefes Brummen an unseren Tisch, nur unterbrochen von gelegentlichen Pumpgeräuschen.
Vor uns sitzt Nico Leffler und vor uns steht ein Glas Wasser. Wasser. Klar habe ich hier Bock auf Pils, aber ich weiß aus Erfahrung, dass ich es morgens lassen sollte. Also lasse ich es. Und wenn, dann hätte ich ein Meisterpils genommen. Nico bevorzugt eher die hauseigenen Sorten Weizenbock oder Odenwälder Hell. Hell. Da sind wir auch schon mitten im Thema. Wir wollen wissen, was den Mann aus Erzhausen, Jahrgang 1993, in die sogenannte Odenwaldhölle getrieben hat.
Schuld waren die Eltern
Die haben nämlich alles ins Rollen gebracht, indem sie ihm irgendwann so ein Set für Hobbybrauer geschenkt haben (inzwischen sind sie selbst auch unter die Hobbybrauer gegangen). Das hat zwar wohl gleich gewirkt, aber nach dem Abitur, hat der junge Mann zuerst mal ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bosnien absolviert, dort auf dem Feld gearbeitet und für Bedürftige gekocht. Viel erlebt hat er da, sagt er, ohne weiter ins Detail zu gehen. Und dass es ein schönes Jahr war.
Während seiner Zeit in Bosnien bewarb er sich hier um einen Ausbildungsplatz als Brauer, wurde aber abgelehnt. Harald Schwinn, Braumeister bei Schmucker, erzählt uns später, dass man ihn damals nicht extra für ein kurzes Vorstellungsgespräch mit ungewissem Ergebnis vom Balkan nach Ober-Mossau kommen lassen wollte.
Also nahm Nico in Frankfurt das Studium der Geographie auf, merkte aber schon im ersten Semester: Das ist nix. Und dass er „was Praktisches“ machen will. Folgerichtig strich er im nächsten Semester die Segel und bewarb sich erneut bei Schmucker. Mit Erfolg. 2016 begann er in Mossautal seine Ausbildung zum Brauer und Mälzer.
Hessen, Schweden, Schottland, nochmal Schweden und zurück
Die Regelzeit der Ausbildung beträgt drei Jahre, Nico konnte sie auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Es wäre eine weitere Verkürzung möglich gewesen, aber das wollte er nicht. Denn das dritte Ausbildungsjahr enthält im ersten Halbjahr Themen, die er nicht verpassen wollte. Die Herstellung von Säften und Limo gegen Ende der Ausbildungszeit dagegen hat er sich dann geschenkt. Schließlich liegt das Bierbrauen in seinem Fokus.
Im Februar 2018 legte er dann erfolgreich die Prüfung ab und beendete seine Ausbildung als Jahresbester – feierlich ausgezeichnet durch die IHK im Kongresszentrum Darmstadtium.
Wie bei allen Handwerksberufen besteht auch diese Ausbildung aus einem betrieblichen und einem schulischen Teil. Zwölf Wochen im Jahr, gegliedert in Blöcke, gehen die Azubis aus dieser Region im fränkischen Karlstadt zur Berufsschule.
Besondere Highlights seiner Ausbildung sind für Nico zwei Auslandsaufenthalte, vermittelt durch die Berufsschule. Im ersten Lehrjahr war er zwei Wochen in einer schwedischen Brauerei und im folgenden Jahr für zwei Wochen in Edinburgh. Dass Schmucker ihm diese Praktika in der ohnehin verkürzten Zeit ermöglicht hat, findet er super und nimmt das bestimmt nicht als selbstverständlich hin. Und ich denke, dass man hier in Ober-Mossau wohl erkannt hat, dass Qualität nicht entsteht, indem man die Mitarbeiter klein hält, sondern indem man sie Erfahrungen sammeln und damit wachsen lässt. Bestätigt wird dieser Gedanke darin, dass sich Nico Leffler – inzwischen ja längst Geselle bei Schmucker – gerade zwei Monate lang in einer Brauerei in Schweden ungewohnten Biergeruch um die Nase wehen lassen durfte, mal so ganz befreit vom Reinheitsgebot.
Brauer und Mälzer – ein Beruf mit Perspektive
Tatsächlich werden überall in Deutschland Brauer gesucht. Ein Grund dafür ist sicherlich der Trend zu höherer Qualität, zum Teil auch bedingt durch die Craft-Beer-Welle. Das ist ähnlich wie beim Wein, wo bei zurückgehender Menge auf ein immer besseres Produkt gesetzt wird. Da braucht es eben gut ausgebildete Fachkräfte, wenn man im Spiel bleiben will.
Auch hat man in den Brauereien jahrelang versucht, die kostenintensive Ausbildung zu vermeiden und entsprechende Stellen durch Maschinenführer zu ersetzen. Der Fluch des Controlling, schießt es mir ins Hirn. Aber Sparen auf Teufel komm raus hilft eben auf Dauer kein bisschen. Und so ist es auch. Gut ausgebildete Mitarbeiter garantieren viel eher reibungslose Abläufe in der Produktion und können auch mal einen fachlichen Blick über den Horizont ihrer Maschine riskieren, was das Bier ganz sicher nicht schlechter macht.
Entsprechend suchen wieder mehr Menschen ihr berufliches Glück im Bier. Allein bei Schmucker werden derzeit drei junge Männer und eine Frau ausgebildet. Überhaupt nimmt der Anteil an brauenden Frauen zu, aber eben nur langsam, wie in allen traditionellen Männerberufen.
Übrigens: Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs sucht man auch in Ober-Mossau arbeitsfreudige Brauer uns zwar – ihr habt es geahnt – in der Privat-Brauerei Schmucker. Also …
Beruf oder Berufung?
Kommen wir zu unserem Gesprächspartner zurück. Uns interessiert natürlich, was der Freundeskreis aus dem Rhein-Main-Gebiet zu Nicos Berufswahl sagt. Die meisten finden es ok, hören wir raus. Die trinken ja auch gerne mein Bier, fügt er augenzwinkernd hinzu. Aber es gibt durchaus auch Leute, die nicht so viel Verständnis aufbringen. Leute, die bereits durch ihre Studienwahl ihren Fokus auf führende Positionen in renommierten Unternehmen legen. Deren Meinung ist ihm nicht egal, beeinflusst ihn aber nur wenig. Und das ist auch gut so.
Denn wer als Jahresbester seine Ausbildung beendet, 2017 Deutscher Meister der Hobbybrauer wird und im Folgejahr den dritten Platz im gleichen Wettbewerb belegt, kann doch schon ein wenig Selbstbewusstsein vor sich hertragen. Und wer dann auch noch weiter in der heimischen Garage weiter eigenes Bier braut, um es auf Partys mit Freunden zu teilen, der handelt doch wohl wahrlich aus Berufung.
Vom Leben und Arbeiten im Odenwald
Nico arbeitet in der Brauerei im wechselnden Schichtdienst, also von 4:30 Uhr bis 12:30 Uhr oder von 12:30 Uhr bis 20:30 Uhr. Das hat Vor- und Nachteile, sagt er. Und deshalb hat er auch ein Zimmer in Mossautal. Die Wochenenden verbringt er in der Regel in Erzhausen mit seiner Freundin, seinen Eltern und seinem Freundeskreis. Am Wochenende vor unserem Gespräch war er beispielsweise mit seinen Eltern in Frankfurt und hat dort sogar Schmucker-Braumeister Schwinn getroffen – auf dem Konzert einer Rammstein-Cover-Band.
Aber so über die Woche fehlt ihm im Odenwald gar nichts. Ganz im Gegenteil. Der Schichtdienst erlaubt, die freie Zeit gut zu nutzen, erfahren wir. Und die Natur hier … die ist wie gemacht für seine Hobbys, weil die bis auf das Bierbrauen ausnahmslos draußen stattfinden – Fliegenfischen in der Mümling, Wandern, Motorradfahren und – gut – Skifahren klappt hier nicht immer. Aber während ich hier am Schreibtisch sitze, höre ich am Telefon, dass in Beerfelden der Skilift läuft.
Und das kann man auch über Nico Leffler sagen. Es läuft. Für den Brauer und Mälzer in der Privat-Brauerei Schmucker. In Mossautal. Im Odenwald. Fernab einer Hölle.
Vielen Dank an die Privat-Brauerei Schmucker, dabei insbesondere an Nico Leffler, Harald Schwinn und Klaus Monitzer, sowie an Alexander Limp, der dieses Interview für uns eingefädelt hat.
Konzept, Fotografie und Bildbearbeitung: Thomas Hobein
(Beim Schreiben u. a. gehört: Walk On The Wild Side von Lou Reed)
Das Thema in Serie: The Next Generation
Die fortschreitende Industrialisierung und sicherlich auch die Digitalisierung unseres Lebens tragen dazu bei, dass traditionelle Handwerksberufe wie Bäcker, Konditor, Metzger und viele mehr vom Aussterben bedroht sind. Dazu kommt im Odenwald – wie in allen ländlichen Gebieten – die Flucht der jungen Leute in die verheißungsvolle Stadt mit der Aussicht auf „attraktive“ Jobs und abwechslungsreiche Freizeit. Die Folgen all dessen sind bereits deutlich zu sehen: durch eine überalterte Landbevölkerung, den Fachkräftemangel (gerade im Gastronomiesektor) oder durch Betriebe ohne Aussicht auf Fortführung, wenn die Betreiber in Rente gehen.
Dennoch gibt es Nachwuchskräfte, Quereinsteiger, Stadtflüchtlinge und Heimkehrer, die ihre Zukunft in Südhessen gestalten wollen. In dieser Serie stellen wir in loser Folge einige dieser Frauen und Männer vor, die traditionelle Berufe in der Region ausüben und somit ihren Teil leisten, hier ein gutes Stück Kultur und Lebensqualität zu erhalten, ein gutes Stück Heimat eben.
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