Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Schmuckers neue Kleider

Vom (relativ) neuen Markenauftritt der Odenwälder Biermarke

Vor etwa einem Jahr – also 2023 – präsentierten sich die Sorten der Privat-Brauerei Schmucker aus dem Odenwald in neuem Gewand. Zeit diesen Markenauftritt endlich kritisch zu würdigen.

 

Zugegeben. Jeder und jede Schmuckertrinkende hat beim Blick auf das neue Design das Recht, den «Gefällt-mir-Button« zu drücken oder eben den anderen. Das Recht auf die eigene Meinung bleibt unbenommen. Nur, ob eben genau diese eigene Meinung auch den Anforderungen einer modernen Marke entspricht, die ja auf jede Menge ganz eigener Meinungen trifft – das bedarf vielleicht des Blickes durch eine professionellere Brille.

 

Vorab einige Grundsätze

Das Design ist der visuelle Ausdruck einer Markenpersönlichkeit. Sie ist weit mehr als die hübsche und wiedererkennbare Visitenkarte der Marke. Sie soll unserem Herz und unserem Verstand sagen, mit wem wir es zu tun haben.

Dabei sind Marken wie Schlangen. Sie müssen sich von Zeit zu Zeit häuten. Nicht, weil sie wie die Schlangen wachsen, sondern weil sie sich vom Zeitgeist beseelt eine Frischzellenkur verpassen müssen. Sie wollen eben nicht das alte Eisen, sondern der heiße Scheiß sein. Und das müssen sie auch. Sie müssen auf den ersten Blick zeitgemäße Aktualität und Relevanz beweisen. Die Botschaft soll nicht mit gesenktem Blick flüstern: »Ja, hallo erstmal. Ich weiß nicht, ob du’s schon gehört hast, aber ich lebe noch.« Sie soll selbstbewusst mit offenem Visier intonieren: »Hey, an mir kommst du nicht vorbei. Denn ich bin genau das Richtige für dich. Und zwar jetzt.«

Wie gesagt, das machen alle Marken mehr oder weniger regelmäßig – so auch die Privat-Brauerei Schmucker aus Mossautal im Odenwald. Das zeigt der Blick auf die Ahnenreihe der jeweiligen visuellen Manifestationen dieser regionalen Biermarke. Dabei offenbart sich ein stetiger Wandel, wobei sich die Schlüsselelemente (Schriftzug und Bauer) im Laufe der Zeit nur behutsam verändern. Das Drumherum jedoch ist immer ein Kind seiner Zeit.

Selbstverständlich kann es sein, dass die Variante aus den Fünfzigern dem ein oder der anderen besser gefällt.  So wie es mir gefällt, häufig analog zu fotografieren. Da bin ich unverbesserlich. Aber davon abzuleiten, dass die Welt zur analogen Fotografie zurückkehren sollte, liegt mir fern.

 

Fakten – was sich im letzten Jahr geändert hat

Mir fällt auf den ersten Blick auf, dass sich Schmucker des Goldes auf den Etiketten entledigt hat. Ein Schritt, der so manchem Wein oder Bier ebenfalls guttäte, um sich von der rückwärtsgewandten Lackbildchen-Ästhetik eines Poesiealbums zu befreien. Das geht aber anscheinend nicht in Köpfe hinein, in denen verankert ist, dass Gold für Hochwertig steht, Nachhaltigkeit grün ist und früher sowieso alles besser war.

Klar geht ohne Gold eine gewisse Portion Nostalgie flöten, aber eben zu Gunsten einer aufgeräumten plakativen Gestaltung für junge Menschen in einer modernen, digitalen Zeit. Plakativer präsentiert sich auch das sogenannte Key-Visual im inhaltlichen Zentrum auf dem Etikett – der altbekannte Odenwälder Bauer mit seinem Dreispitz. Und er kommt auch nicht mehr länger aus dem Nichts, sondern aus der stilisierten Silhouette des Odenwaldes.

Unter der Wortmarke »Schmucker« steht nicht länger die wurmfortartige Unterzeile »Odenwälder Bierspezialitäten seit 1780« sondern wesentlich selbstbewusster nur noch »seit 1780«

Eigentlich hatten sich diese Veränderungen bereits mit der Einführung der aktuellen Bio-Range abgezeichnet. Doch deren zweifarbige Gestaltung weicht auf den Etiketten der konventionellen Sorten jetzt einer mehrfarbigeren Präsentation auf weißer Fläche. Und bei beiden Produkt-Linien ist das ovale zum eckigen Etikett geworden.

So sieht’s also aus. Und welche Überlegungen dahinter stecken habe ich in einem Interview mit Alexander Limp, Senior Brand Manager bei der Privat-Brauerei Schmucker in Mossautal, geklärt.

 

So, Herr Limp, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?

E! G.        Gab es eigentlich einen konkreten Anlass zum Relaunch?
A. L.         Das Gefühl, uns häuten zu müsse, wie Sie es oben beschrieben haben, hatten wir schon länger. Es war einfach an der Zeit, moderner zu erscheinen, ohne aber zu übertreiben und den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und der Start der letztjährigen Werbekampagne war der perfekte Moment, Neues zu erzählen und – ganz ohne alten Ballast  – unseren  Bier-Spezialitäten einen neuen Look zu verpassen.

E!G.         Das Gold ist weg. Meine Meinung habe ich dazu oben geschrieben. Aber warum haben sie es tatsächlich »vom Etikett« gekratzt?
A.L.          Es geht um Bier und nicht um Champagner. Ehrlich und bodenständig geht es bei Schmucker zu. Mit hoher Qualität, aber ohne viel Chichi. Deshalb haben wir uns für eine einfache und klare Gestaltung entschieden. Ich sage mal »Mossautaler Moderne« statt Baden-Badener Extravaganz.

E! G.        Und was soll mir die Odenwaldsilhouette sagen?
A. L.         Ja, die ist neu. In ihr manifestieren sich spürbar Kernwerte unserer Marke. Gerade in Verbindung mit dem Odenwälder Bauern. Es geht um Tradition, Heimat und eben auch Natur – also um regionale Braukunst. Das sind Aspekte, die natürlich gerade hier vor Ort etwas bedeuten, aber auch in den urbanen Regionen, in deren Mitte der Odewald liegt.

E! G.       Die Farbwelt hat ja auch etwas an Schwere verloren. Alles erscheint leuchtender und leichter.
A. L.         Genau. Das hat aber auch praktische Gründe. Ich meine damit die klare farbliche Unterscheidung der einzelnen Sorten. Ich meine, da davon haben wir ja so einige. Und die sind jetzt deutlich schneller erkennbar, wenn sie im Handel – oft auch in Kisten – nebeneinander stehen.

E! G.        Haben Sie noch einen Punkt, der Ihnen wichtig ist?
A. L.         Nun, der Relaunch (Neustart) liegt ja etwas über ein Jahr zurück. Und um ehrlich zu sein … es gab auch Kritik. Aber unter’m Strich sind wir sehr zufrieden. Schmucker wächst in einem schwierigen Markt. Und was wollen wir mehr, wenn unsere Odenwälder Traditionsmarke Zukunft ausstrahlt.

E! G.        Danke für ihre Zeit, Herr Limp.

So weit, so gut. Im Gegensatz zu des Kaisers neuen Kleidern sind die neuen Kleider der Marke Schmucker nicht Ausdruck oberflächlicher Selbstverliebtheit. Sie  sagen ganz konkret in visueller Sprache:  »Ich weiß, wer ich bin. Ich bin genau das Richtige für dich. Und zwar jetzt.«

»Das Neue dringt herein mit Macht«, schrieb einst der Schiller Friedrich. Zu welchem Schluss betreffs der neuen Flaschenkleidung, liebe Lesende, ihr auch immer kommt oder wenn euch dieses Design-Gebabbel auf den Keks geht – denkt immer an den alten Werbespruch: »Das Gute daran, ist das Gute darin!« Und der gilt auch im Odenwald. In Hessens tiefem Süden.

Abbildungen: Privat-Brauerei Schmucker / Thomas Hobein

 

(Beim Ansehen, Analysieren und Austrinken u.a. gehört: »Dead Boys« und »Play God« von Sam Fender )

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