Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

„Chef“ in Reichelsheim

Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johanns-Stube
Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johann-Stube in Reichelsheim im Odenwald

So mal ganz subjektiv von außen, so von Darmstadt aus betrachtet, schlägt das Herz von Reichelsheim in einer Küche, dessen Vorkammern Treuschs Schwanen und Johanns-Stube genannt werden. Und seit 2008 ist Koch Thomas Treusch hier der Herzschrittmacher. Ich habe mich mal während einer Mittagspause mit ihm unterhalten – in aller Ruhe, wenn das überhaupt geht.

Ich warte in der Lounge des Restaurants. Links von mir beherrscht das gläserne, begehbare Wein-Kabinett die Szene. Es ist nicht nur prall mit Weinen von hier und dort gefüllt – glücklicherweise aber vorzugsweise von hier –, es erscheint mir auch größer als so manche Studentenbude. Rechts von mir hat gerade die Tochter des Küchenchefs ihren Schulranzen abgelegt und verputzt jetzt voller Appetit ihr Mittagessen.

 

Zwischen Mittagstisch und Abendkarte

Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johann-Stube in Reichelsheim im Odenwald
Als Thomas Treusch mir dann die Hand schüttelt, hat er bereits das Mittagsgeschäft hinter sich gebracht hat und auch das Catering für Kindertagesstätten in Fränkisch-Crumbach und Reichelsheim. Und dabei hat er gleich hohe Qualitäts-Maßstäbe angesetzt wie in der Küche von Treuschs Schwanen und der Johanns-Stube. Fast einhundert Kinder haben er und sein Küchenteam mit Gemüsemaultaschen versorgt. Und wegen eines krankheitsbedingten Ausfalls musste Vater und Vorgänger Armin Treusch wieder mal mit ran. Der hat zwar seinen Stab längst weitergereicht, springt aber immer ein, wenn Not am Mann ist. Wir kommen jetzt aber flugs zur Sache, denn um 18:00 Uhr wird für die hungrigen Leckermäuler da draußen wieder geöffnet.

Man verzeihe mir den etwas kriegerischen Vergleich, aber tatsächlich kocht der Reichelsheimer Küchenchef an allen Fronten was das Zeug hält – im Schwanen, im Gasthaus, in der hauseigenen Kochschule, in der Darmstädter Kochschule Nowicook und dann noch für die bereits erwähnten Kindertagesstätten. Muss man wollen, denke ich. Und Thomas Treusch will – mit engagiertem Blick auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität. Das zeigt sich schon in den Mitgliedschaften bei Slow Food, dem Odenwald-Gasthaus e.V. und dann ist er auch noch zweiter Vorsitzender im Verein der Starkenburger Köche.

Und überhaupt: Treuschs Schwanen zählt seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Anlaufstellen für Feinschmecker in Südhessen und die Johanns-Stube wurde gerade als eins der fünfzig besten Dorfgasthäuser in Hessen ausgezeichnet. Damit setzt Thomas Treusch konsequent und kreativ fort, was Vater Armin und Mutter Elke 1979 begannen.

 

Sein Werdegang begann mit dem Weggang

Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johann-Stube in Reichelsheim im Odenwald Seit 2008 drückt der gelernte Koch jetzt dem elterlichen Betrieb seinen kulinarischen Stempel auf. Nach und nach hat sich Armin Treusch zurückgezogen und dem Sohn das Feld überlassen. Längst hat der alle Fäden in der Hand und führt die Regie im fünfköpfigen Küchenteam. Deshalb ist es nach so langer Zeit vielleicht nicht mehr ganz so aktuell, diesen Beitrag in einer Serie über Nachwuchskräfte in der Region zu bringen. Doch die Tatsache eines Generationswechsels in einem familiären Gastronomie-Betrieb ist heute alles andere als die Regel und deshalb hochaktuell.

„Es ist nicht sinnvoll im elterlichen Betrieb die Ausbildung zu machen,“ sagt der in Reichelsheim aufgewachsene Koch, Jahrgang 1979. Mal weg gewesen zu sein, ist für ihn zwingend. Er ergänzt: „Wichtig ist der Austausch.“ Das kann ich gut nachvollziehen. Wie soll man auch sonst der regionalen Küche durch zeitgemäße und sogar internationale Einflüsse Modernität verleihen. Gehen wir mal ein Stück des Weges mit Thomas Treusch.

Nach der Berufsfachschule, also frisch ausgestattet mit der Mittleren Reife, absolvierte der Reichelsheimer seine Ausbildung im Hotel Restaurant Krone in Höchst/Hetschbach. Es folgte ein Jahr im Weinhaus Stern in Bürgstadt. Bei der Bundeswehr hat er dann als Koch auf einem Flughafen in England gearbeitet, was aber wohl nicht ganz so wichtig für die Entwicklung seiner Kenntnisse war.

Das Romatikhotel Walk’sches Haus in Weingarten bei Karlsruhe war die nächste Station. Hier gehörte er zum Team von Bernd Weber, heute Sternekoch auf Hotel Schloss Eberstein im Schwarzwald. Dann ging es nach Frankreich in die Nähe von Lille. Und zwischen diesen einzelnen Stationen schnupperte immer mal wieder in den väterlichen Betrieb, wo er dann 2008 endgültig Fuß fasste.

Während er von diesen Stationen erzählt sind ihm immer wieder zwei Dinge besonders wichtig. Erstens, dass er Glück gehabt hat mit seinen Chefs. Die haben ihn nämlich Dinge ausprobieren lassen. Er konnte eigene Ideen umsetzen und so seine Kreativität in der Küche entwickeln. „Das waren meistens Kleinigkeiten, nix Großes,“ sagt er. „So etwas wie ein Gruß aus der Küche, gemacht aus Zutaten, die gerade im Kühlhaus waren. Aber immerhin.“

Zweitens war „die Wanderschaft“ wie auch die Zeit in der Nationalmannschaft der Köche wichtig für seine Persönlichkeitsentwicklung. Das sagt er mit ernstem Gesicht. Erst durch die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Typen in verschiedenen Teams an immer anderen Orten und unter anderen Bedingungen hat er seinen Weg gefunden – in kulinarischer Hinsicht wie auch als Teamchef.

 

Die Fackel im Team weitertragen

Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johann-Stube in Reichelsheim im Odenwald Das Team in Treuschs Küche besteht in der Regel aus fünf Leuten. Aus ihm selbst, einem weiteren ausgebildeten Koch und drei Auszubildenden. Später wird noch Lebensgefährtin Jennifer (auch gelernte Köchin) dazu stoßen, aber die ist im Augenblick mit den zwei Kindern ausgelastet. Und bei Bedarf, wie auch heute, ergänzt Armin Treusch nach wie vor die Mannschaft.

Das Koch-Handwerk ist für den jungen Küchenchef die Basis seiner Arbeit, die Lust auf Qualität seine Triebfeder und die regionale Kulinarik, authentisch aber modern interpretiert, eine echte Aufgabe. Das alles sieht er nämlich in Zeiten der System-Gastronomie und Geschmacksgleichschaltung und der damit einhergehenden schwindenden Ausbildungsqualität im Niedergang.

Aber er steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern gibt sein Wissen wie auch vor ihm sein Vater weiter. Seit Beginn der achtziger Jahre hat Familie Treusch fünfundsechzig Köche ausgebildet – darunter auch Christina Merz, die Siegerin der Jungkoch-Weltmeisterschaft der Chaîne des Rotisseurs, die nach Beginn ihrer Ausbildung in Darmstadt bei Thomas Treusch ihre Ausbildung beendet hat.

Gute engagierte Leute zu finden, die sich für den Beruf begeistern, und dann auch aushalten, wenn es stressig wird, ist aber wohl nicht ganz einfach. Da gibt es dann auch entsprechende Ups and Downs in der Zusammenarbeit. Das gilt übrigens nicht nur für das Personal in der Küche, sagt er, sondern auch für den Service. Die sollen nämlich überzeugt den Gästen präsentieren, was in der Küche mit viel Liebe entstanden ist und nicht eine aufwendig gemachte Suppe wie eine banale Brühe vorsetzen.

Aber das ist eine andere Geschichte, Und heute macht Thomas Treusch einen recht zufriedenen Eindruck. Zufrieden mit sich, den Mitarbeitern und seinen Möglichkeiten als „Chef“ in Reichelsheim.

Thomas Treusch, Küchenchef in Treuschs Schwanen und der Johann-Stube in Reichelsheim im OdenwaldFotografie: Thomas Hobein

(Beim Schreiben u.a. gehört: „Running with the Wolves“ von Aurora)

Lest das Thema in Serie: The Next Generation

Einer von hier – Patrick Hofmann, Betriebsleiter der Molkerei Hüttenthal

Das Brauen im Kopf – Nico Leffler, Brauer und Mälzer bei der Privat-Brauerei Schmucker

Der Handwerker – Christoph Oesswein, Azubi der Odenwälder Winzergenossenschaft

Die fortschreitende Industrialisierung und sicherlich auch die Digitalisierung unseres Lebens tragen dazu bei, dass traditionelle Handwerksberufe wie Bäcker, Konditor, Metzger und viele mehr vom Aussterben bedroht sind. Dazu kommt im Odenwald – wie in allen ländlichen Gebieten – die Flucht der jungen Leute in die verheißungsvolle Stadt mit der Aussicht auf „attraktive“ Jobs und abwechslungsreiche Freizeit. Die Folgen all dessen sind bereits deutlich zu sehen: durch eine überalterte Landbevölkerung, den Fachkräftemangel (gerade im Gastronomiesektor) oder durch Betriebe ohne Aussicht auf Fortführung, wenn die Betreiber in Rente gehen.

Dennoch gibt es Nachwuchskräfte, Quereinsteiger, Stadtflüchtlinge und Heimkehrer, die ihre Zukunft in Südhessen gestalten wollen. In dieser Serie stellen wir  in loser Folge einige dieser Frauen und Männer vor, die traditionelle Berufe in der Region ausüben und somit ihren Teil leisten, hier ein gutes Stück Kultur und Lebensqualität zu erhalten, ein gutes Stück Heimat eben.

 

 

 

 

 

 

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