Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Kleines d, große Idee

Christopher Beisersdorf und Benjamin Schultheis machen deicht
deicht, Christopher Beiersdorf und Benjamin Schultheis

deicht aus Dieburg enthält nur ein ziemlich kleines d, aber die ganz große Liebe zum Detail, ganz großes Know-how und noch größere Lust etwas Eigenes zu schaffen. Ach ja, außerdem braucht man für diesen Kornbrand noch Wasser, Hefe, etwas gemälzte Gerste, das Urkorn Emmer und die beiden Männer, die deicht machen: Christopher Beiersdorf und Ben Schultheis. Wir haben sie in Darmstadt getroffen und ausgequetscht.

Korn – ein Bild aus Kindheitstagen: Ein riesiger Schlachter mit blutiger Schürze, knallrotem Gesicht und Händen größer als Baseballhandschuhe steht in der Kneipe neben dem Schlachthof zu Hameln und frühstückt gerade ein Wasserglas voll Korn. Ich bin aber noch klein, mein Herz ist rein. Also frage ich meinen Vater, was der mächtige Mann denn da wohl trinkt. Wasser antwortet der grinsend, und die ganzen Männer beginnen brüllend zu lachen, aber der große Schlachter spendiert mir eine Fanta und ich weiß: Korn ist eine gute Sache.

deicht – Emmerkorn mit Herz aus Dieburg
Korn – heute. Darmstadt. Schulstraße No. 5. Im Store von Peter Heckmann. Wenn du diesen Laden betrittst, tauchst du ein in eine Welt der schönen Dinge. In eine Welt der Farben, Formen, Materialien. Zusammengefügt von Menschen mit Geschmack für Menschen mit Geschmack. Und inmitten all dieser Dinge: deicht. Eine braune Flasche wie aus dem Apothekerschrank mit weißem Aufdruck und einem Korken mit eingebranntem Herz. Und ich weiß: Korn ist eine gute Sache.

 

Es geht ums Machen, ums richtig gut machen

deicht, Benjamin Schultheis und Christopher Beiersdorf
Außerdem warten schon Ben und Christopher, mit denen wir verabredet sind. Das sind nicht einfach die Köpfe hinter dem Kornbrand, das sind die Macher im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in jeder Flasche Emmerbrand mit Herz, die ihr Haus in Dieburg verlässt, steckt echte Handarbeit. Maschinell läuft hier gar nix. Jedes Herz auf den Korken ist von Hand eingebrannt, jede Schleife der Verpackung selbst gebunden – so viel Hingabe erfahren die meisten Menschen nicht mal am Valentinstag.

deicht, Christopher Beiersdorf
Aber genau das ist die Triebfeder für den Ex-Unternehmensberater und den Ex-Innovations-Manager – etwas wirklich „selber zu machen“, am Abend etwas Selbstproduziertes in den Händen zu halten. „Ex“ deshalb, weil die beiden ihre gutbürgerliche Existenz längst abgestreift haben, um sich voll und ganz auf ihren Kornbrand zu fokussieren („voll“ bitte nur im Zusammenhang mit „und ganz“ lesen) – etwa so wie Clark Kent, wenn er in der Telefonzelle Anzug und Brille gegen den Heldendress tauscht, um in angemessenem Outfit die Welt zu retten.

deicht, Benjamin Schultheis
Und wie sie bei der Sache sind, der Ben und der Christopher – übrigens beide Jahrgang 1984 – wenn sie von ihrem deicht sprechen, von der Idee, von den ersten Misserfolgen, vom Lernen und dann von den ersten Erfolgen und der Anerkennung, die sie erfahren. Da geht das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Doch sind es nicht nur Anekdoten und Meilensteine, die sie uns erzählen; sie stecken knietief im Korn, wissen viel und wissen, dass es noch viel zu wissen gibt. Sie sind total begeistert vom eigenen Tun, geben aber kein bisschen an. Eine gesunde Mischung, finde ich.

 

deicht – der Kornbrand aus Emmer mit Herz

deicht – Emmerkorn mit Herz aus Dieburg
Doch klar. Die Frage steht im Raum: Warum gerade Korn? Der hat ja nicht eben den besten Ruf, so als Getränk. Warum also Korn, wenn alle anderen Gin machen?

Die Antwort der beiden lässt sich durch wenige Begriffe leicht zusammenfassen, was schon allein zeigt, dass hinter deicht ein klares Konzept steckt: Zeitgeist, Reinheit und Konsequenz.

So schreiben Ben und Christopher auf ihrer Website: „Gerade durch ein deutlich stärkeres Bewusstsein für Ernährung und Genuss, aber auch wegen seiner langen Tradition und durch die neuen Variationen gewinnt Korn wieder zunehmend an Beliebtheit und gilt bereits als DER neue Trend auf dem Spirituosenmarkt.“

Beiden ist das verstaubte Image von Korn natürlich mehr als bewusst. Sie führen das aber auf die industrielle Massenproduktion und mäßige Qualität des handelsüblichen Angebotes zurück. Ist aber ein Korn aus besten, natürlichen Rohstoffen handwerklich gut destilliert – dann ist es die reinste Spirituose, die man trinken kann, sagen sie.

Tatsächlich ist Korn auch die einzige Spirituose, für die ein Reinheitsgebot gilt. Seit 1909 ist gesetzlich festgelegt, dass zur Herstellung ausschließlich Getreidesorten, Hefe und Wasser verwendet werden dürfen – sonst nix, gar nix. Und gerade aus dieser Beschränkung entwickelt sich die langlebige Qualität, wenn beste Zutaten auf echte Handwerkskunst treffen. Das ist wie bei den Haiku, diesen dreizeiligen japanischen Gedichten mit fester Silbenzahl. Oder wie bei den Peanuts. Fünfzig Jahre lang hat der Autor Charles M. Schulz aus einer kleinen Gruppe von Figuren täglich einen Gag entwickelt. Aus der Reduktion der Möglichkeiten entsteht Kreativität und schließlich Qualität.

Die wichtigste, differenzierende Zutat von deicht ist der aromatische Emmer. Aus dieser als Urkorn oder Zweikorn bezeichneten Getreideart wurde der heute bekannte Weizen gezüchtet. Emmer verschwand immer mehr, wurde von den modernen Hochleistungsgetreidesorten verdrängt. Jetzt erlebt das Urkorn im Zuge einer nachhaltigeren Landwirtschaft als nahrhaftes Lebensmittel eine wahre Renaissance und natürlich in deicht, dem Emmerkorn mit Herz.

 

deicht – form follows function

deicht – Emmerkorn mit Herz aus Dieburg
Wo wir schon beim Herz sind. Das findet man ja handgestempelt auf jedem deicht-Korken. Also reden wir doch mal über das Design. Wie im Produkt selbst war der Plan – sagen die Männer aus Dieburg – auch im Packaging Traditionelles mit Modernem zu verschmelzen. Handfestes mit Leichtem zu verheiraten.

Gelungen, meine Herren. Das sage ich mit dem Recht des vielfach prämierten Designers. Gelungen. Denn alles steht in wohltuendem Kontrast zum Auftritt der Massenware, aber auch zu den amateurhaften Versuchen kleiner Brennereien und Produzenten ihr Logo selbst zu malen. Dabei geht es nicht nur um das „Auf-den-ersten-Blick-anders-sein“, sondern darum, die Story der Marke auch durch das Design lebendig werden zu lassen. Das ist nämlich die Aufgabe von Design.

Die gedrungene Flasche bildet einen deutlichen Kontrast zu den schlanken Gebinden industrieller Getreidebrände. Das Braun der Flasche mit dem Korken erinnert ein wenig an den medizinischen Ursprung alkoholischer Getränke und  erzählt von milder Wärme – ganz im Gegensatz zu der eisigen Transparenz der Klaren aus dem Norden mit buntbedrucktem, aufgedengeltem Schraubverschluss oder den Kitschpullen aus der Glas-Boutique.

Das Logo ist endlich mal ein Logo. Es ist eine echte, einprägsame Wort-Bild-Marke, die Design-Ansprüchen gerecht wird und nicht Mutti, die überall erzählt wie gut ihr Kleiner zeichnen und malen kann.

 

Schluss und Ausblick

Inzwischen habe ich alle Fotos geschossen und wir räumen den Laden wieder auf, ordnen, was wir durcheinander gebracht haben. In der Schulstraße in Darmstadt. Im Heckmann-Store Heckmann.

Nur probiert haben wir deicht vor Ort noch nicht; als ich diesen Beitrag geschrieben habe, aber selbstverständlich schon längst. Und ich sage allen, die diesen Kornbrand mit Herz probieren wollen – es erwartet euch eine angenehme Überraschung. Doch Geduld. Mehr über deicht und wie der Brand destilliert wird – das könnt ihr in Kürze hier lesen.

Übrigens: Woher der Name deicht kommt? Ich weiß es, verrate es euch aber nicht, noch nicht, vielleicht auch nie.

Fotografie: Thomas Hobein

(beim Schreiben gehört: Das Album „Sleep Well Beast“ von The National – mal wieder)

 

 

 

 

 

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