Das Heiligabend-Dilemma
Nix isst der Deutsche samt Familie lieber an Heiligabend als Kartoffelsalat mit Würstchen. Aber muss es dazu immer ein kühles Blondes für die Erwachsenen sein? Ich habe mal einigen Winzern an der Bergstraße ein Kartoffelsalatrezept zukommen lassen und gefragt, welchen Wein sie dazu aus ihrem Programm empfehlen.
Das Leben ist kein Ponyhof und Heiligabend ist kein Feiertag. Erst gegen Abend, wenn eine schöne Bescherung droht, kehrt Ruhe ein. Stundenlang will da (fast) niemand mehr in der Küche stehen – selbst wenn Kochen sonst als kontemplative Freizeitgestaltung verstanden wird. Deshalb muss etwas Einfaches her, aber schmecken muss es. Denn auch an Heiligabend gilt: Wichtig ist aufm Tisch.
Ungebrochen ist deshalb die Beliebtheit von Würstchen in Begleitung von Kartoffelsalat. Das bestätigen in den alten Bundesländern 42% und in den neuen 57% der Befragten.*
Doch was trinkt man dazu? Soll es ohne Alkohol erfrischen, fallen mir spontan zwei „Brausen“ aus der Region ein. Da ist zum einen „Holi“, die Hopfenlimonade der Privat-Brauerei Schmucker und zum „Qwix“, die alkoholfreie Schorle vom Quittenprojekt Bergstraße. Beide kohlensäurehaltigen Getränke sind fruchtig, aber nicht pappsüß und harmonieren sicherlich gut mit der Säure des Salatdressings.
Doch nun zum Thema: Natürlich passen zum Kartoffelsalat hervorragend ein, zwei Bierchen, aber durchaus eben auch ein, zwei Gläschen Wein. Doch welche Weine sind das? Welche Weine schlagen die gefragten Bergsträßer Winzer vor?
Nun, die Auswahl hängt sicherlich von der Beschaffenheit des Kartoffelsalates ab, insbesondere vom Essig. Deshalb schlage ich den gefragten Winzern einen lauwarmen Bratkartoffelsalat vor, der mit Essig und Öl angemacht ist. Persönlich denke ich, es wird auf einen leichten, fruchtigen, trockenen Weißwein hinauslaufen, der nicht zu stark seine Säure betont. Aber was weiß schon ich. Hier erst mal das Rezept zum Salat:
Der Bratkartoffelsalat (nach Vincent Klink)
Einkaufsliste für eine vierköpfige Familie (ich mache aber immer mehr)
- 800 g Pellkartoffeln vom Vortag
- 12 EL Olivenöl
- Salz und Pfeffer
- Majoran und Kümmel
- 2 EL scharfer Senf
- 4 EL Apfel- oder Weinessig (keinen Balsamico)
- 2 Bund Radieschen
- 1 Bund Schnittlauch
Pellt die Kartoffeln, schneidet sie in dünne, aber nicht zu dünne Scheiben und bratet sie in ein wenig Olivenöl so an, dass sie außen schön knusprig sind. Würzt sie mit Salz, Pfeffer und Majoran. Währenddessen verrührt ihr Olivenöl, Essig und Senf zu einer Vinaigrette. Dann vermengt ihr die Vinaigrette mit den heißen Bratkartoffeln. Dieses Gemenge lasst ihr leicht abkühlen und ziehen. Zum Schluss hebt ihr den Schnittlauch in feinen Röllchen und die Radieschen in dünnen Scheiben oder Stiften unter den Salat. Lauwarm, wenn die Kartoffeln noch knusprig sind, schmeckt er am besten.
Dazu serviert ihr dann die Würstchen eurer Wahl (mit Senf) … oder auch Frikadellen oder Backfisch – denn dieser Kartoffelsalat schmeckt nicht nur wenn’s draußen schneit, nein, auch zur grünen Sommerzeit. Jetzt aber zum begleitenden Wein von der Bergstraße:
Fünf Weiße und ein Roter
So, ihr Leserinnen und Leser: Hier werden sechs gute und bezahlbare Weine präsentiert, also probiert die (gefälligst) mal. Die sind nämlich von hier, aus der kleinsten Weinanbauregion Deutschlands, die aber die größte geologische Vielfalt bietet – und das schmeckt man. Auch und gerade zum Kartoffelsalat mit Würstchen an Heiligabend.
2018er Umstädter Stachelberg Weißer Burgunder trocken
Oliver Schröbels Idee ist fast so etwas wie kulinarisches Paarschippen. Der Kartoffelsalat datet die Lady unter den Burgundersorten. Er protzt mit seinem Essigdressing und der Weiße Burgunder umarmt ihn mit dezenter Säure, zarten Aromen von Mirabelle, Aprikose & Birne und stimmt den Salat so ein wenig festlicher.
Zur Odenwälder Winzergenossenschaft, vinum autmundis
2018 Auerbacher Höllberg Scheurebe trocken
Johannes Bürkle stellt der rustikalen Speise einen wahren Feingeist zur Seite. Einen fruchtig, duftigen Bukettwein, der im Weingut auf zeitgemäße Weise trocken ausgebaut wurde. Die handgelesene 2018er Scheurebe vom Auerbacher Höllberg entfaltet seine Johannisbeer- und Grapefruitaromen am besten, wenn er nicht zu kalt getrunken wird.
2018 Auerbacher Silvaner Ortswein trocken
Als Patrick Schneider mir den Silvaner überreicht, erläutert er den Gedanken, so ein Old-Fashion-Festtags-Snack von einem Wein begleiten zu lassen, der auf moderne Weise ebenfalls an frühere Zeiten erinnert. Um einen Film im Kopf zu erzeugen, der von Kräuterwiese und Heu handelt und in dem eine knackige Säure die Musik macht.
2018 Auerbacher Fürstenlager Riesling Kabinett „NO 3“ trocken
Hanno Rothweiler beschreibt seinen Riesling „N0 3“ aus der Steillage Auerbacher Fürstenlager als herrlich frische Untermalung eines jeden und auch dieses Bratkartoffelsalates. Selbstbewusst, aber nicht ohne Grinsen. Und auf einem Zettel finde ich die Notizen: Feingliedrig, fruchtig, eher filigran als wuchtig. Und so ist es auch.
2018 Roßdorfer RoßbergGrauer Burgunder Spätlese trocken
Für Lisa Edling ist ihr Grauburgunder mit seiner dezenten Säure und der ausgewogenen Restsüße so ein richtiger Alleskönner, ein hervorragender Begleiter zum Essen. Und wenn der Salat längst gegessen ist, wird dieses fruchtige Leichtgewicht zum harmonischen Solisten, der völlig unlangweilig noch den ganzen Abend von Ananas, Mirabelle und ein klein wenig Honig erzählt.
Melampus© Rotwein-Cuvée limitierte Sonderfüllung trocken
Petra Neuber und Michael Belz Neuzüchtungen schlagen Melampus – eigentlich Geisterhund und Schutzpatron der Starkenburg – nicht vor, weil der gern Würstchen mag, sondern weil hier eine Wein-Innovation auf die traditionelle Speise trifft. Diese Cuvée aus den Weinen von fünf Rebsorten, die aktuell noch im Versuchsanbau sind, hat die Würze und das Feuer, die freudig mit den deftigen Röstaromen des Bratkartoffelsalates in den Clinch gehen.
Mayo ändert alles
Ich danke allen Beteiligten für ihre Vorschläge, die ich im Text frei, aber nicht unwahr, interpretiert habe. Hat mir großen Spaß gemacht. Ich hoffe, euch auch.
Disclaimer: Da, wo ich eigentlich wech bin, isst man Kartoffelsalat eher mit Mayonnaise statt mit Essig und Öl. Vielleicht bin ja sogar deshalb da wech. Das geht euch aber nix an, wohl aber, dass alle Vorschläge nichts, aber auch gar nichts mit Mayonnaisen-Kartoffelsalat-Gedöns zu tun haben. Denn das … das ist eine ganz andere Geschichte, die vielleicht eines Tages erzählt wird.
Jetzt wünsche ich euch allen total amtliche Weihnachten. Und wenn es denn so sein soll – an Heiligabend einen Kartoffelsalat mit Würstchen und dem richtigen Wein von der Bergstraße aus Südhessen dazu.
(So beim Machen gehört: „Happy Holidays“ – das Weihnachtsalbum von Billy Idol)
* Quelle: https://de.statista.com/infografik/7347/weihnachtsessen/
Schön gemacht, Thomas!
Stielsicher und elegant wanderst Du durch Textes Land.
Dir frohe Weihnachten und ein gutes NEUES JAHR wünscht der Hanno vom roten Turm.