Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Die Würze im Spessart

Ein historisch-kulinarisches Experiment auf Basis grüner Walnüsse

Die Römer hatten ihr Garum, die Asiaten haben Soja- und Fischsaucen, die Engländer die unaussprechliche Worcestershiresauce und … das kleine Pfarrdorf »Wenighösbach« im Landkreis Aschaffenburg hat die »Indische Soja«. Diese Würzsauce hat trotz ihres Namens nichts mit Soja zu tun, denn sie besteht in erster Linie aus grünen Walnüssen. Und da ich bekanntlich vor fast nix zurückschrecke habe ich sie mal gemacht – so mir nichts, dir nichts.

 

Die Idee zu diesem Experiment verdanke ich Stefan Sauer, dem 1. Vorsitzenden des »Verein für Heimatpflege Wenighösbach e.V.«. Denn der hatte vor einigen Monaten meinen Blog entdeckt und dabei bemerkt, wie intensiv ich mich jedes Jahr mit grünen Walnüsse beschäftige. Ganz unverdrossen nahm er Kontakt zu mir auf und schrieb unter anderem von dem Rezept für die fränkische Würzsauce aus Walnüssen. Meine Neugier war geweckt.

 

„Supp, Gemüs und Fleisch“

Es war 1848 – man schrieb Hering noch mit »ä« – als im unterfränkischen Wenighösbach der Bürgermeister Georg Andreas Staab, wahrscheinlich ein bekennendes Leckermaul, zur Feder griff, um einige Rezepte zu Papier zu bringen. Diese kulinarische Sammlung nannte er »Supp, Gemüs und Fleisch«.

Der Verein für Heimatpflege hat dieses aufschlussreiche und gleichermaßen skurrile »Kochbuch« jüngst in eine heute lesbare Form gebracht und Stefan Sauer hat es mir auf digitalem Weg zur Verfügung gestellt.

In diesem Sammelsurium von 89 Rezepturen wird aus regionalen Zutaten gekocht, gedämpft, gebraten, geschmort und gebacken. Und die Namen der Speisen reden nicht drum herum – was drauf steht ist auch drin. Nur Rezept Nummer 89 heißt plötzlich »Indische Soja«, was nicht gerade so typisch unterfränkisch klingt. Und Soja ist natürlich auch nicht drin, sondern unreife Walnüsse. Und da sind wir dann auch wieder regional.

Ich nehme an, der Name dieser Würzsauce entstand in Anlehnung an asiatische Vorbilder und soll auch deren Zweck erfüllen, denn wie es im Kochbuch heißt:

»Soja rührt man unter die Saucen & gibt dadurch denselben einen feinen, angenehmen Geschmack.«

Nun denn. Gehen wir sie an, die 89. Obwohl mich die 4 – 6 auch reizen, das sind Häringskartoffeln.  Aber eins nach dem anderen.

 

Zutaten für eine unbestimmte Menge Würzsauce

Beim ersten Blick auf das Rezept erschienen mir die Mengenangaben der restlichen Zutaten im Verhältnis zu einhundert Walnüssen deutlich zu gering. Als ich aber die Flüssigkeitsmenge am Ende des Experiments sah – gerade mal ein halber Liter –, relativierte ich meine Meinung. Und deshalb reduzierte ich den Sardellenanteil noch einmal, was sich als richtig erwies, denn die salzigen Fische schmeckt man immer noch deutlich heraus.

Die Walnussernte fällt von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich aus. 2022 waren die Nüsse deutlich größer und saftiger als 2023. Deshalb lässt sich mit meinem Wissensstand auch keine abschließende Angabe zu der zu erzielenden Saucenmenge machen. Ich kam, wie bereits gesagt, auf rund 500 ml.

Bei allen Zutaten bin ich mit Ausnahme der Sardellen den Mengenangaben aus dem Kochbuch gefolgt.

  • 100 Stck. grüne Walnüsse
  • 125 g Schalotten
  • 500 g Salz
  • 250 ml Essig
  • 125 ml Weißwein
  • 90 g Sardellen (im Originalrezept 125 g)
  • 8 g Zimtstange
  • 30 g Pfefferkörner
  • 12 g Nelken
  • 1 Stck. Knoblauchzehe

Mein Experiment Schritt für Schritt

  1. Die Ernte der Walnüsse soll unbedingt vor dem 24. Juni (Johannistag) erfolgen. Später verholzen die Nüsse und lassen sich nicht mehr verarbeiten. Daran habe ich mich selbstverständlich gehalten-.
  2. Noch am Tag der Ernte habe ich die Nüsse gewaschen, etwaige Stielansätze entfernt und die Grünlinge in Stücke geschnitten.
  3. Da ich keinen Mörser besitze, in den 100 kleingeschnittene Walnüsse passen, habe ich die Nüsse portionsweise mit dem Mixstab zermatscht und anschließend in einem Eimer wieder vereint. Das klingt ganz locker, ist aber eine Sauarbeit. Und so ein herkömmlicher Mixstab ist auch nicht unbedingt für diese Arbeit gemacht. Vielleicht könnt ihr euch so einen Monsterzauberstab bei einem befreundeten Koch leihen. Der sollte die Arbeitszeit deutlich verkürzen.
  4. Dazu habe ich Salz, Essig sowie Wein gegeben und mit dem Mixstab untergehoben bis eine grünliche, recht unansehnliche Pampe entstand.
  5. Diesen Brei habe ich dann gemäß Rezept acht Tage gelagert und täglich gründlich umgerührt. Dabei veränderten sich Zustand und Farbe der Masse ständig. So präsentierte sich die Oberfläche meines Ansatzes am zweiten Tag furztrocken und betongrau, wurde danach aber wieder flüssiger, um am Ende eine baumlose Moorlandschaft zu imitieren.
  6. Am neunten Tag presste ich den Schlamm durch ein Küchensieb in einen Kochtopf. Als ich die erzielte Menge sah, entschied ich, weniger Sardellen zu nehmen.
  7. Dann fügte ich die Fischfilets und die restlichen Zutaten dazu und kochte das Gemisch bis sich die Sardellen aufgelöst hatten.
  8. Den braun-schwarzen Sud habe ich erneut durch ein Sieb gegeben, um Pfefferkörner, Zimtstange und Nelken zu entfernen.
  9. Die gesiebte Sauce habe ich abkühlen lassen und in eine sterilisierte Flasche gefüllt.
  10. Das Experiment war beendet, es blieb nur das Probieren.

 

So was wie eine Zusammenfassung

Das Rezept für die »Indische Soja« aus dem Spessart übertrifft meine Erwartungen. Eine säuerliche, leicht salzige Note und die Sardellen machen gemeinsam die Musik. Im Hintergrund, aber vorhanden, nuscheln Nelken und Zimt ihren Text. Nur die Nuss, die schweigt. Aber das scheint von Jahr zu Jahr unterschiedlich zu sein. Einer meiner Ansätze für Walnusswein, roch zwar nach Walnüssen, schmeckte aber überhaupt nicht danach.

Um das Experiment mal so zwischen anderen Würzsaucen einzuordnen. Sie ist weit weniger salzig als Soja-Sauce, weniger fischig als Fischsauce und nicht so durchtrieben mit scharfem Abgang wie die Worcestershiresauce. Anders ausgedrückt: Kann man machen. Die »Indische Soja« aus Wenighösbach. Bei Aschaffenburg. Im Fränkischen.

Und demnächst, also mit Sicherheit höchstwahrscheinlich vielleicht, Häringskartoffeln.

Ich danke Stefan Sauer und dem Verein für Heimatpflege Wenighösbach e.V. für das überraschende  Rezept und Christoph Pullman in Zwingenberg dafür, dass ich seinen Nussbaum plündern durfte und den Apfelwein an einem schwülen Samstagmorgen. So viel Zeit muss sein. Mindestens.

Fotos: Thomas Hobein

(Beim Zermalmen der grünen Walnüsse u.a. gehört: »Richtig Gutes Zeug« von Deichkind)

 

5 Kommentare zu “Die Würze im Spessart

  1. und die spannendste Frage:
    wie kommen wir an das fränkische Kochbuch? ツ

    1. Thomas Hobein

      Mir liegt nur ein PDF vor. Ich werde nachfragen, ob ich das weitergeben darf oder wo das Werk zu bekommen ist. Und in welcher Form.

      Gruß aus dem Johannesviertel
      Thomas

    2. Hallo Hans-Jörg, das Buch gibt es leider nicht mehr in gedruckter Version, aber ich oder Thomas können dir gerne das PDF zuschicken. Natürlich unter der Voraussetzung, dass das Copyright eingehalten wird und du mir ein Feedback schickst, wenn du etwas daraus gekocht hast 😉

      1. Thomas Hobein

        Ich habe das PDF verschickt. Hier die Antwort des Illustrators: »Hey, das ist ja grossartig!
        vielen Dank, und wenn ich was draus koche, zeichne ichs für dich ツ

        beste Grüsse Hans«

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