Hühnerherz
Über den begrüßenswerten Trend „Nose to Tail“ habe ich mich ja schon öfters ausgelassen, hier kommt wieder was von innen auf den Tisch. Diesmal aus dem Huhn. Und mit Champignons.
Hühnerherz – das klingt doch nach einem feigen Komantschenhäuptling aus Winnetou 11. Tatsächlich ist es aber ein leckerer Gnubbel aus reinem Muskelfleisch. Deshalb schmeckt das Herz auch nicht wie andere Innereien, sondern kommt eher mit einem kräftigen Geschmack daher, der an Wild erinnert. Also eignet es sich ganz hervorragend für Leute, die sonst nur Hähnchenbrust essen, aber jetzt mall ihren kulinarischen Horizont erweitern wollen.
Herzensangelegenheit
Anfangs habe ich mich gefragt, wer isst den sowas überhaupt, so Hühnerherzen. Und tatsächlich mir ist keiner eingefallen – bis auf mich. Aber das hat gedauert, bis ich mich erinnerte. Denn seit mindestens vierzig Jahren habe ich keine mehr gesehen, geschweige denn gegessen.
Wenn es zu meinen Kindertagen Brathähnchen bei uns gab – und die gab es oft, weil meine Eltern unter anderem mit Geflügel handelten – bekam ich von meiner Mutter immer das Herz vorab, einfach nur in Butter gebraten, gewürzt mit Salz und Pfeffer. Ich habe zwar die Keulen und die Flügel vom Hähnchen nicht gemocht: Fett- und Gezadderalarm. Aber die Brust und das Herz habe ich immer gern vernascht. Und den Muskel aus dem Inneren nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch wegen der festen Konsistenz. Die lässt mich heute übrigens an Tintenfisch denken, den ich als Kind aber noch gar nicht kannte.
So eine Art Ragout
Das aber jemals im Hause Hobein ein komplettes Gericht aus den Geflügelherzen aufgetischt wurde, das muss ich verneinen. Und mir ist bis heute auch keins im illustren Kreis meiner Bekannten untergekommen – eher Stirnrunzeln bezüglich meiner Nachfrage. Auch in meinen rund hundertfünfzig Kochbüchern konnte ich keins finden. Das zeigt nur, wie sehr dieses gute Stück Fleisch ins Abseits gerutscht ist.
Im Internet bin ich dann aber schnell fündig geworden und habe eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Rezeptvorschläge entdeckt. Einige davon paaren die Hühnerherzen mit Champignons. Das fand ich interessant. Doch mit keinem habe ich mich hundertprozentig anfreunden können. Also musste eine eigene Variante her und es ist so eine Art Ragout geworden.
Einkaufsliste für vier Personen
- 1000 g Herzen vom Hähnchen
- 2 Stck. Zwiebel, gewürfelt
- 2 Stck. Knoblauchzehen, in hauchdünne Scheiben geschnitten
- 500 g kleine Champignons
- 6 EL Geflügelbrühe
- 60 g Butter
- 1 Bd. glatte Petersilie
- 2 kleine getrocknete Chilischoten
- Salz und Pfeffer
Vorbereitung der Herzen
Wascht die Herzen gründlich unter fließendem Wasser ab. Dann entfernt ihr den Fettkranz am oberen Ende. Auch etwaige größere noch am Herz befindliche Blutgefäße scheidet ihr einfach ab. Im Internet empfehlen einige Leute, einfach das obere Viertel mit einem Schnitt zu entfernen. Spült die Herzen noch mal ab und tupft sie trocken. Dann ist es Zeit für die Arbeit am Herd.
Hühnerherzen mit Champignons – so geht’s
Zerlasst die Butter in einer Pfanne, gebt die vorbereiteten Herzen dazu und bratet sie scharf an. Würzt ihr sie mit Salz und Pfeffer. Wenn sie rundherum gebräunt sind, nehmt ihr sie wieder aus der Pfanne. In dem noch heißen Fett bratet ihr jetzt die Pilze und die Zwiebeln an. Nach kurzer Zeit fügt ihr auch den Knoblauch dazu. Der braucht nicht so lange wie Zwiebeln und Pilze und verbrennt sehr schnell zu einer bitteren Angelegenheit, wenn ihr ihn zu früh mitbratet.
Hat alles die gewünschte Bräune, gebt ihr die Herzen wieder dazu. Dann gießt ihr die Geflügelbrühe an und schmeckt alles noch einmal ab. Verschließt die Pfanne mit einem Deckel und lasst die Hühnerherzen nebst Begleitern bei geringer Hitze für nur wenige Minuten schmoren. Prüft ein letztes Mal ob Salz und Pfeffer stimmen. Erst jetzt schneidet ihr die Petersilie klein und hebt sie unter. Eure Hühnerherzen mit Champignons können serviert werden.
Dazu kommen bei mir ein frisches Baguette und Kräuterbutter auf den Tisch. Und natürlich ein ordentlicher Rotwein. Was muss, das muss.
Einige Bezugsquellen
Hühnerherzen warten nicht an jeder Ecke auf euch. Geflügelzüchter und Handel haben sich natürlich überwiegend auf das Essverhalten der Deutschen eingestellt. Und deshalb sind die Herzchen nicht gerade der Kassenschlager und in Folge dessen weitgehend aus dem Angebot verschwunden.
Wenn ihr auf TK-Ware zurückgreifen wollt, findet Hühnerherzen in Verbrauchermärkten wie Rewe oder Tegut. Die sind extrem billig (500 Gramm bei EDEKA kosten 1,49 EUR), stammen aber sicher nicht vom nahegelegenen Biohof.
Frisch und aus eigener Zucht gibt es die Herzen im Landlädchen Strauß in Reinheim-Georgenhausen. Allerdings müsst ihr sie vorbestellen. Telefon: 06162-4058
Bei Ochsenschläger in Biblis wird jeden Montag geschlachtet, also gibt es ab Dienstag im Hoflädchen frische Hühnerherzen, abgepackt zu etwa 250 g zu einem 1000-Gramm-Preis von 8,90 Euro.
Solltet ihr Leser weitere Bezugsquellen kennen, lasst es mich einfach wissen.
Rezept und Fotografie: Thomas Hobein
(Beim Bruzzeln u.a. gehört: „ Back To Basics“ von den Shapeshifters)
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In meiner Kindheit bis in meine Zwanziger Jahre (jetzt bin ich Mitte Vierzig) gab es bei meiner Großmutter regelmäßig Gemüseeintopf mit Hühnerherzen und den gibt es auch bei uns jetzt noch – auch wenn meine Oma ihn leider nicht mehr für uns kochen kann. Kommentare wie „is doch Hundefutter“ überhöre ich seit Jahrzehnten geflissentlich.
Ach ja, was es bei uns noch gibt: Nierengulasch (halb Rind, halb Niere, sonst wird mir der Geschmack zu intensiv), saure Lüngerl und gelegentlich auch mal Zunge.
Finde es sehr tragisch, dass viele Menschen so ein seltsames Verhältnis zum Tier entwickelt haben. Früher war es ganz selbstverständlich alles zu verwerten, das irgendwie essbar ist und satt macht….