Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Vom Korn- oder Gerstenkaffee

und wie er gemacht wurde
Röstpfanne für Kaffeebohnen und Kornkaffee

Die abgebildete Röstpfanne war früher etwas ganz Alltägliches in vielen Haushalten. Denn Bohnenkaffee war bis nach dem zweiten Weltkrieg ein echtes Luxusprodukt. Mehr als die Hälfte der Getränke, die sich Kaffee nannten, waren Surrogate wie Gersten- oder Malzkaffee und wurden gerade auf dem Land auch selbst geröstet. 

Das rostige Fundstück auf den Fotos ist eine Röstpfanne. Die gehörte einst zum Standard in ländlichen/bäuerlichen Haushalten, denn darin wurden die Kaffeebohnen für besondere Tage oder die Bewirtung von Gästen selbst geröstet. Zum alltäglichen Frühstück gönnte man sich diesen Luxus jedoch nicht – da entstand im Odenwald der „Kaffee“ aus selbstgerösteter Gerste oder Gerstenmalz. Lest selbst:

„Das Frühstück wurde nach dem Füttern eingenommen. Es gab Malzkaffee aus gebrannter Gerste oder Kornkaffee. Oft wurde er mit einem Kaffeezusatz gemischt. Dazu gab es Brot. Jeder schnitt sich von einem großen Laib, der in der Mitte des Tisches lag, seine Stücke ab. Kinder und Gäste aus der Stadt die mit dem großen Brot und den spitzen Messern nicht umgehen konnten, bekamen geholfen. In Untertassen oder kleinen Schüsseln standen Gelee und Latwerge bereit. Die Kaffeeköppchen (henkellose Tassen) standen in großen Schalen (Untertassen). Der schwarze Kaffee wurde randvoll in die Köppchen eingegossen. Dann wurde abgekochte Vollmilch aus dem Milchhäbchen hin zugetan. Das Getränk lief in die Untertasse über. Nun schüttete man einen Teil des Kaffees in die Schale und stellte das Käppchen daneben. Getrunken wurde aus der Untertasse. Diese Art des Kaffeetrinkens hat ihren Ursprung in einer höfischen Sitte der Empirezeit (um 1800). Nach der Erfindung des feinen Porzellans war es verpönt, aus der Obertasse zu trinken.“

Aus „Essen und Trinken im Odenwald“ von Karl Schwinn mit freundlicher Genehmigung seiner Erben

 

Der Gerstenkaffee

Im Wesentlichen bestand der „Landkaffee“ aus Korn, also aus selbst angebauter Gerste. Damit dieser Fake-Kaffee mehr nach seinem echten Namensgeber aussah, gaben die Hausfrauen oftmals noch die Edel-Zichorie (Wegwarte) dazu. Dazu wurde– wie bei Bohnenkaffee – zuerst die Gerste geröstet, dann gemahlen und schließlich für den Verzehr aufgebrüht.

Natürlich brauchte der Volksmund nicht lange, um für das Gebräu palaktive Namen zu finden, von denen sich einige bis heute in der Umgangssprache gehalten haben. Aus meiner Kindheit sind mir sowohl Muckefuck als auch Blümchenkaffee als scherzhafte Bezeichnungen für Caro-Kaffee bestens geläufig. Für „Muckefuck“ geistern zwei Erklärungen durch das Web. Zum einen soll sich das Wort aus den rheinischen Begriffen „Mucke“ (brauner Holzmulm) und fuck „faul“ ableiten und zum anderen wird es auf den französischem Mocca faux (falscher Mokka) zurückgeführt. Auf den „Preußischen Kaffee“ bin aber erst im Zuge dieser Recherchen gestoßen. Das geht auf die Kaffee-Prohibition durch Friedrich den Großen zurück, die zur Verbreitung der verschiedenen Kaffee-Surrogate führte.

 

Der erste Schritt: Das Rösten der Gerste

Röstpfanne für Kaffeebohnen und KornkaffeeGeröstet wurde nicht jedes Mal frisch, sondern immer ein kleiner Vorrat, der aber nicht allzu lange haltbar war. Hierzu verwendete man das Gerät, dass die Fotos zeigen und die ein wenig an eine Flotte Lotte erinnern. Der Röster oder die Röstpfanne ist aber eine geschlossene Pfanne mit einer Klappe an der Oberseite, durch die das Korn geschüttet wurde. Mit der Kurbel wird ein Rührwerk im Inneren betrieben.

Zum Rösten wurde die gefüllte Pfanne auf den Herd gesetzt. Mit der Kurbel wurden die Körner ständig über die gesamte Zeit in Bewegung gehalten, damit sie von allen Seiten gleichmäßig Farbe nehmen konnten. In einer Quelle habe ich noch entdeckt, dass man manchmal wohl noch etwas Butter oder Schweinschmalz mitröstete, damit die Körner nach der Röstung schön glänzten. Gleich zu Beginn der Röstung wurde auch klar, warum die Pfanne geschlossen sein musste. Denn die Gerste enthielt immer noch Feuchtigkeit, die dazu führte, dass die Körner einen wilden Tanz aufführten und wie Popcorn durch die Gegend sprangen.

Zur Dauer des Röstvorgangs habe ich widersprüchliche Angaben gefunden – da ist die Rede von fünfundvierzig Minuten bis zu zwei Stunden. Wichtig war aber in jedem Fall, gelegentlich die Klappe zu öffnen und nachzusehen, welche Farbe die Getreidekörner angenommen hatten. Goldgelb bis hellbraun war gewünscht. Auf keinen Fall durfte das Röstgut verbrennen, denn das führte zu einem wahrlich bitteren Genuss und wohl auch zu einem üblen Geruch, wie ich aus einer Erzählung meiner Mutter weiß. Die gerösteten Körner ließ man erkalten und lagerte sie in verschließbaren Behältern.

 

Der zweite Schritt: Das Mahlen in der Kaffeemühle

Im Gegensatz zur Röstpfanne hat sich die Kaffeemühle bis heute in vielen Haushalten ihr Plätzchen bewahrt, wenn auch oft nur zur Dekoration. Ich war als Kind der Sechziger von der elektrischen Kaffeemühle in unserer Küche geradezu begeistert und wollte immer Kaffee mahlen, habe selbst nur Muckefuck getrunken. In früheren Zeiten klemmte man sich wohl eher die Mühle zwischen die Beine und kurbelte darauf los, bis das Fach am Mühlenboden mit Kaffeemehl gefüllt war. Gemahlen wurde immer nur so viel, wie man aufbrühen wollte.

 

 Der dritte Schritt: Das Aufbrühen

 Auf dem Herd wurde das Kaffeepulver mit Wasser aufgebrüht. Um dem „echten Kaffee“ etwas näher zu kommen, konnte man noch gemahlene Zichorienwurzel (aus der Züchtung und nicht die vom Wegesrand) zugeben und so das Gebräu dunkler färben und die Bitternote intensivieren.

Abschließend siebte man noch Kaffeesatz und Zichorienreste und servierte den Gerstenkaffee wie oben beschrieben.

 

Die Alternative: Der Malzkaffee

Malzkaffee ist im Vergleich zum Kornkaffee weniger bitter und etwas süßer. Um ihn herzustellen wird zuerst die Gerste in Wasser zum Keimen gebracht. Das kann bis zu etwa vier Tagen dauern. Und das Wasser sollte häufig gewechselt werden. Sind die Keime etwa so lang wie die Körner selbst wird die Gerste bei geringer Hitze langsam getrocknet (darren). Dabei verwandelt sich die Stärke des Getreides in Malz. Während der jetzt folgenden Röstung karamellisiert der Malzzucker und das Korn entwickelt die gewünschte Farbe und das Aroma. Die Weiterverarbeitung entspricht der des Kornkaffees.

 

Kornkaffee heute

Allem Kaffee-Hype zum Trotz erobert sich der Ersatz-Kaffee ein wenig Terrain zurück und ist als Instand Pulver vielerorts erhältlich. Er ist frei von Koffein und gesund. Denn die Bitterstoffe fördern die Verdauung und wirken antibakteriell. Außerdem umgeht man so die unkontrollierbaren Machenschaften der Kaffeeindustrie, wenn man nicht gerade auf Landkaffeemarken wie Caro, Kathreiner oder Linde’s Kornkaffee aus Ludwigsburg zurückgreift. Das sind längst Marken des Alukapsel-Kaffee-Herstellers Nestlé, der übrigens das Werk in Ludwigsburg Ende 2018 geschlossen und die Produktion nach Portugal ausgelagert hat.

Wenn ihr selbst ausprobieren wollt, Kornkaffee zu machen – Pfannen und Mühlen findet man problemlos gebraucht und neu. Nur noch zwei Hinweise: Klappe zu beim Rösten, sonst schießt euch das Korn ins Auge und … öffnet eure Küchenfenster, es kommt zu einer starken Rauchentwicklung, sagt man.

Fotos: Thomas Hobein

(Beim Schreiben u.a. gehört: „Pink Moon“ von Nick Drake)

 

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