Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Vom kulinarischen Dreiklang

Mit Jannik Jährling bei einem Gläschen Wein
Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen

Er ist Koch, steckt in der Ausbildung zum Sommelier und bereitet sich vor, zukünftig das Weingut Feligreno in Zwingenberg an der Bergstraße zu bewirtschaften. Ich wollte wissen, was den gebürtigen Darmstädter dabei so umtreibt und habe ihn einfach mal gefragt.

Ich war schon etwas vor sechzehn Uhr an der Orangerie in Bessungen, aber nicht viel früher. Aber Zeit genug, ein oder zwei Plätzchen zu finden, wo ich meinen Gesprächspartner in der tief stehenden Sonne fotografieren kann. Wir haben uns in der Orangerie verabredet, weil wir beide in Darmstadt leben und das Weingut Feligreno hier jeden Freitag auf dem Bauernmarkt vertreten ist.

Orangerie in Darmstadt
Da verrät mir mein Smartphone,  dass Jannik sich verspäten wird. Die Schafe, die seit einigen Wochen als Landschaftspfleger bei Feligreno im Weinberg arbeiten, haben ihren eigenen Kopf. Insbesondere der Bock macht bockig seinem Namen Ehre.

Also schlendere ich durch die Orangerie und lasse mir noch mal durch den Kopf gehen, was ich bereits über meinen Gesprächspartner so weiß. Getroffen habe ich Jannik als ich im Frühjahr das Weingut Feligreno besucht habe und über das Projekt „Solidarische Weinwirtschaft“ berichtet habe. Wiedergesehen habe ich ihn dann kurze Zeit später im Fernsehen bei „Mein Lokal Dein Lokal“, als er Risotto vom Roten Camargue Reis in Marc-André Kaltwassers Wohnzimmer zubereitete (noch auf Joyn zu sehen).

Die Schreibweise seines Vornamens enthält alle denkbaren Fallen – vorne mit J statt dem gewohnten Ypsilon und in der Endung haben die Eltern beim „ck“ einfach das „c“ vergessen. Wahrscheinlich dachten sie, all das erhöhe die Aufmerksamkeit. In meinem Fall ist ihnen das ganz prima gelungen. Auch ganz prima finde ich den Nachnamen Jährling für einen Winzer. Da steckt nicht nur der  Vegetationszyklus drin, sondern auch immer wiederkehrende Neugier und die Ausdauer selbiger nachzukommen.

Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen Jetzt kommt er mir entgegen, der Jährling – als selbstbewusster Jungwinzer locker zwei Gläser in der Hand und eine Flasche Roten. Wir pflanzen uns auf den Rasen in die Sonne. Ich beginne meine Fragen zu stellen und Jannik, geboren 1994 in Darmstadt, stellt sich ihnen ganz offen und bereitwillig. Die Antworten fallen behutsam aber bestimmt aus. Er weiß, was er will und er weiß, das er noch viel lernen will. Ich denke an Goethes Faust: „Zwar weiß ich viel, doch möcht‘ ich alles wissen.“

 

Am Anfang stand noch „Weiß nicht so richtig“ im Raum

Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen Steigen wir also ein in unser Gebabbel. „Eigentlich habe ich wohl mit acht Jahren das erste mal gesagt, dass ich Koch werden will“, sagt er. Aber das ist dann wohl immer mehr in den Hintergrund gerutscht, Technik und Autos wurden wichtiger. „ Ich habe die Schule nach der zwölften Klasse beendet und wusste nicht so richtig, was ich tun wollte. Also habe ich erst mal ein Praktikum bei Firma Feldmann in Pfungstadt im Bereich Garten und Landschaftsbau gemacht. Dann ein freiwilliges Soziales Jahr an einer Förderschule in Langen.“

Im Sommer 2015 wusste er dann doch, was er wollte. Er begann seine Ausbildung zum Koch im Frankfurter Kempinski Hotel Gravenbruch. Und wie sehr er wusste, was er wollte; das zeigte sich daran, dass er 2017  den Titel „Jugendmeister Hessen im Ausbildungsberuf Koch/Köchin“ gewann und auch bei der Deutschen Meisterschaft als Mitglied des hessischen Teams teilnahm. Anfang 2018 beendete er erfolgreich die Ausbildung.

Er hängte einen Monat in der Küche des Darmstädter Restaurants Müller und Müller dran, um seine Finanzen für den folgenden Argentinien-Aufenthalt aufzubessern. Dort ließ er es sich zwischen Buenos Aires und Mendoza einige Wochen gut gehen. „Ich habe in der Zeit fünf Kilo zugenommen“, erzählt er.

„Aber die waren ziemlich schnell wieder weg.“ Denn nach seiner Rückkehr – immer noch im Frühjahr 2018 – heuerte er in der 2-Sterne-Küche im Frankfurter Gourmettempel Lafleur an. „Was mich damals gereizt hat, war täglich ein konventionelles Menü und ein veganes zu kochen – und das halt auf zwei Sterne Niveau. Ich habe sehr viel gelernt in der Zeit, aber es war nicht unbedingt …“. Er führt das nicht genau aus, aber fährt fort: „ Gearbeitet habe ich damals teilweise fünfzehn Stunden am Tag. Da hatte ich dann auf jeden Fall die Argentinien-Kilos schnell wieder runter, doch dafür so nervöses Augenzucken.“

Anfang 2019 wechselte er dann in die Küche von Marc-André Kaltwassers Wohnzimmer. Das Zwingenberger Restaurant hatte er als Gast entdeckt und dabei den Chef kennengerlernt. „Dort konnte ich einbringen, was ich im Lafleur gelernt hatte, aber entspannter arbeiten und mehr Verantwortung übernehmen.“

Als dann das Restaurant Ox im November 2019 in der Mauerstraße in Darmstadt eröffnete, schloss sich Jannik Jährling dem Team dort im Januar 2020 an. „Ich kannte David Rink bereits als Küchenchef im Müller und Müller und diese Neueröffnung reizte mich.“

 

Das Abenteuer „Winzer“ begann bei einem Weizenbier in der Linie 3

Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen Etwa gleichzeitig mit dem Start im Ox nahm Jannik auch das Fernstudium zum Sommelier bei der IHK Koblenz auf. Im Rahmen dieser Ausbildung (Prüfung wird im Frühjahr 2022 sein) sind auch einhundertvierzig Stunden praktische Arbeit in einem Weinbaubetrieb zu absolvieren. Er fragte Gerold Hartmann von Feligreno, dem ersten bio-zertifizierten Weingut an der Bergstraße.„Weil ich den Gerold aus meiner Zeit in Zwingenberg beim Kaltwasser kannte und ihn schon immer ganz nett fand, fragte ich ihn einfach mal, ob ich bei ihm ein Praktikum machen kann.“

Er konnte.Und im August 2020 ging es los. Immer Montags oder wenn es seine Arbeit im Ox es zuließ, praktizierte er im Weingut. „Es war ganz locker und ich hatte einfach die Möglichkeit da ein bisschen rein zu schauen. Und – das muss dann noch vor Oktober schon gewesen sein – merkte ich, wie viel Spaß mir das macht und das ich das gerne in Vollzeit machen würde. Also habe ich den Gerold gefragt, ob er nicht zufällig jemanden braucht im nächsten Jahr.“

Während ich inzwischen schon auf die Flasche Rotwein schiele, aber Wasser verteile, fährt er fort: „In der Linie 3 (ein Bessunger Café) haben wir uns darüber unterhalten. Bei einem Weizenbier hat er zu mir gesagt, du bist ja gar kein Winzer. Und ich habe geantwortet, du ja auch nicht. Und so einigten wir uns relativ schnell auf einen befristeten Vertrag für 2021.“

 

Winzer sein oder nicht sein

Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen Was als Praktikum begann, entwickelte sich schnell zu mehr. Hartmann und Jährling funktionierten sehr gut als Team und so stellte Gerold, knapp über siebzig, irgendwann die Frage aller Fragen. Und Jannik antwortete mit „Ja“. Allerdings nicht so schnell.

„Den Übernahme-Gedanken fand ich spontan ja ziemlich geil. Aber dann fragte ich mich, ob ich mir das zutraue. Und ob schon jetzt. Da waren ja noch andere Ideen in meinem Kopf – zum Beispiel Japan.“

Also hat er mit Marie, seiner Freundin, darüber gesprochen. Gemeinsam erkannten sie die Chance in der Übernahme des Weingutes und sie unterstützte ihn in seinem Vorhaben. Und so war der Entschluss gefasst. Jannik Jährling soll im Laufe des kommenden Jahres – also 2022 – das Weingut Feligreno übernehmen. Ich will es aber etwas konkreter wissen und vor allem, dass er endlich den Wein öffnet. Wasser war jetzt genug.

 

Neue Details in Bewährtem und Zeit zum Lernen

Er öffnet den Roten. Eine frisch abgefüllte Cuvée aus Primitivo und Cabernet. Und dann probiere ich einen Wein, der meinen Vorlieben bei Roten so ziemlich entspricht. Im ersten Moment gibt der rote Jüngling den Kraftprotz. Doch dann besinnt sich dieser juvenile Angeber auf seine Qualitäten, wird moderater, wird überzeugender, lässt sein Potenzial anklingen. Fast so, als chille er an der Luft dieses tollen Tages im Frühherbst auf der Wiese der Orangerie. Aber zurück zum Thema.

Jannik erzählt, das es ein festes Szenario für die Übergabe nicht gibt. Gerold wird ihn ohne definierten Ausstiegszeitpunkt weiterhin begleiten

„Also im Prinzip“, sagt er, „bin ich voraussichtlich ab dem 1.1.2022 Chef und übernehme die Verantwortung. Aber er (Gerold) wird nicht weg sein. Wir werden weiter zusammen arbeiten so dass es eine fließende Übergabe sein.“

„Der Plan ist tatsächlich so, dass ich mich so ein bisschen autodidaktisch reinarbeiten werde. Auch in Absprache mit anderen Kollegen, um zu lernen. So werde ich definitiv weiterhin bei Johann Schnell in Guntersblum die Weine ausbauen. Das vertieft meine Einblicke und vermeidet, dass sich zu viele Baustellen gleichzeitig ergeben. Dazu tausche ich mich auch schon jetzt mit der Stadt Zwingenberg aus. Die Geschäftsadresse wollen wir auch dorthin verlagern (bis jetzt Darmstadt), um dort Möglichkeiten für einen Keller und Lagerflächen zu finden.“

Mich interessiert selbstverständlich, ob „der Neue bei Feligreno“ weitere Änderungen plant. Und tatsächlich verfestigen sich bereits Ideen in Janniks Kopf. Die drehen sich aber momentan eher um die Website, das Design der Etiketten und ähnliches. Es geht ihm nicht darum, möglichst schnell alles umzukrempeln. Vielmehr meine ich aus seinen Worten so etwas wie den Willen zu einer behutsamen Modernisierung herauszuhören, die ihm auch Zeit zum Lernen lässt.

Auch die Solidarische Weinwirtschaft, die in diesem Jahr mit erfreulicher Resonanz eingeführt wurde, wird er konsequent weiterverfolgen. So wird es kalkulierbarer, das Weingut zu führen, aber sie soll den Umsatz nicht komplett ausmachen. Der kreative Entwicklungsspielraum des Weingutes muss für ihn erhalten bleiben, wenn nicht ausgebaut werden.

„Die Bio-Zertifizierung ist in unserem Falle schon wichtig, weil es hier ein Alleinstellungsmerkmal ist, aber etwas mehr Vielfalt im Angebot können wir uns schon leisten. Und hier kommt dann auch der Sommelier ins Spiel, der den Menschen nicht nur erklären kann, wie ein Wein schmeckt, sondern auch, warum er so schmeckt und wozu.“ Koch, Sommelier und Winzer – das geht für ihn Hand in Hand.

Jannik Jährling, Koch, Sommelier und Bio-Winzer bei Feligreno an der Bergstraße in Zwingenberg, Südhessen Dann werden unsere Themen allgemeiner. Wir reden über vegetarische Küche, Rotwein von der Bergstraße, die Außenwirkung dieses kleinsten Weinanbaugebietes in Deutschland und viele Dinge mehr. Und irgendwann fällt mir auf, dass die Sonne schon ziemlich tief steht. Ich brauche aber unbedingt noch einige Bilder. Also genug gebabbelt in der Orangerie zu Darmstadt. Zeit für ein paar Fotos von Jannik Jährling, dem Koch, dem angehenden Sommelier und Winzer, der lecker und nachhaltig für einen kulinarischen Dreiklang sorgen will. Hier an der Bergstraße. In Hessens tiefem Süden.

Orangerie in DarmstadtFotos: Thomas Hobein

(Beim Erinnern an das Interview u.a. gehört: „Everybody’s Talkin’“ von Harry Nilsson aus dem Film Midnight Cowboy)

 

Kommentar hinzufügen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wo wir weitere kulinarische Abenteuer erleben