Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

300-mal Endlich! Gutes.

Zum Jubiläum plaudere ich mal locker auf euch ein

Der Odenwald. Die Bergstraße. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2024. Dies sind die Abenteuer von Thomas Hobein, der in wechselnder Begleitung seit 2014 unterwegs ist, um südlich von Darmstadt neue Welten der Kulinarik zu erforschen, nachhaltiges Leben und zivilisatorische Eigenheiten. Es folgt der dreihundertste Bericht von dieser langen Reise. Also schnappt euch ein Gläschen und kommt mit.

 

Irgend so ein schlauer Kopf sagte einmal: „Ein Pils sagt mehr als tausend Worte.“ Ich öffne ein Schmucker Meister Pils und eröffne euch mehr als tausend Worte.

In den zurückliegenden zehn Jahren ist so einiges passiert. Zuerst wir, dann später nur noch ich, haben Menschen getroffen, landwirtschaftliche Produkte entdeckt und eine Landschaft zwischen zwei Metropol-Regionen erkundet.

Und wir haben gekocht, gefuttert, gesüffelt und Kochkäse in der Dose vermarktet. Meine Begleiter entglitten über die Zeit gleitend dem Projekt. Ich bin noch da. Weil ich es will. Und es bleibt spannend.

 

Eine kurze Bestandaufnahme

Ein harter Einschnitt war sicherlich die Zeit der Pandemie, jedoch nicht für diese Website. Denn die Leute verbrachten während des Lockdown mehr Zeit vor ihren Bildschirmen und stießen so auch auf »Endlich! Gutes.«. Heute verbuche ich bis zu 60.000 Seitenaufrufe pro Jahr.

Denn diese kulinarischen Abenteuer sind zum Zeitpunkt ihres Erscheinens Momentaufnahmen, werden im Laufe der Zeit aber zu einer Chronik der Veränderungen innerhalb Südhessens. Unternehmen werden gegründet, andere schließen.



Engagierte Menschen starten durch, leben für ihre Ideen, dann gehen sie in Rente, sterben, verschwinden und hinterlassen große Lücken. Doch andere kommen nach, suchen ihren Weg und einige finden ihn sogar. Neue Produkte werden angebaut oder erdacht. Einige mit Erfolg. Traditionen verschwinden und werden wiedergeboren, Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Das pralle Leben eben. Dem bin ich immer auf der Spur und berichte darüber. Auf meine ganz persönliche Weise. Ich bin kein Journalist. Ich bin Erzähler. In Worten und Bildern.

Dabei werden mir immer wieder drei Fragen gestellt, die ich hier beantworten werde.

  • Warum heißt das Projekt »Endlich! Gutes.«?
  • Warum machst du das?
  • Gibt es überhaupt genügend Themen für interessante kulinarische Abenteuer?

  

Vom Namen und der Philosophie des Projektes

„Alles Gute ist endlich. Denn würde das Gute unbegrenzt zur Verfügung stehen, wäre es nicht gut. Es wäre normal. Wir würden die Qualität nicht mehr wahrnehmen, sondern einfach nur hinnehmen.“


Was hier also beschrieben wird, findet man nicht an jeder Ecke, aber hier in der Region. Der Fokus liegt dabei auf einem fairen und verantwortungsvollen Umgang mit Mensch, Natur und Tier. Also geht es um Kartoffeln. Und um Äpfel. Und um anderes Obst und Gemüse. Um Fleisch und Wurst. Und Bier und Wein. Um Käse und Honig. Und um die Landschaften und die Ortschaften, in denen all das wächst, gedeiht, erzeugt, verkauft und zubereitet wird. Und natürlich geht es um die Menschen dahinter. Es geht eben um Endlich! Gutes. Lustvoll und informativ erzählt, aber niemals missionarisch.

 

Von der Motivation über regionale Kulinarik zu erzählen

Wo bin ich und was gibt’s hier?

Seit 1985 lebe ich in Darmstadt oder besser schlafe ich in Darmstadt. Ich habe immer volle Pulle gearbeitet, an vielen Orten auf der Welt TV-Spots produziert oder Kampagnen präsentiert, war aber niemals so richtig zuhause – also gefühlt meine ich. Dann glitt ich  eines schönen Tages allein im Cabrio durch den Odenwald. Im Radio erklang  »Empire State of Mind, Pt. II«, diese wuchtige New-York-ist-meine-Hymne von Alicia Keys. Ich war sofort erfüllt von dieser Hingabe an die Heimat. Ich sah mich um und dachte so bei mir: „Das hier ist deine Heimat. Zeit, sie kennenzulernen, Blödmann.“ Das mag kitschig klingen, war aber so und ist so. Auch dreihundert Blog-Postings später.

 

Vielleicht liegt es aber auch an den Genen

Also – meine Eltern haben sich in einer Süßwarenfabrik in Hameln kennengelernt. So ziemlich gleich nach dem Krieg. Mit »dem Krieg«, junger Padawan, ist der zweite Weltkrieg gemeint. Meine Mutter, gelernte Tochter, und mein Vater, abgebrochene Ausbildung als Müller, haben dann komplett respektlos den Bund der Ehe geschlossen. Respektlos, denn die Familien der beiden waren nicht so verfeindet wie die Capulets und Montagues, aber grün waren die sich auch nicht gerade.

Auf der einen Seite stand die Sippe meiner Mutter: Die Leonhardts. Kleine Menschen mit dunkler Haut und tiefschwarzen Haaren, gefüllt von tiefrotem Hugenottenblut. Die waren aus Westpreußen vor dem »Iwan« geflohen, wie man damals sagte. Dort hatte die gelernte Köchin, die was meine Großmutter war, in Bromberg an der Weichsel, heute Polen, das Restaurant »Zur Post« betrieben. Mein Großvater betrieb dort etwas ganz anderes, nämlich eine Landwirtschaft und arbeitete als Gartenbaumeister. Da er jedoch den Fehler machte, aus der NSDAP auszutreten, wurde er im hohen Alter an die Front geschickt und kam nicht mehr zurück. Aber Omma Hameln (Leonhardt), Ommen wurden nach ihrem Wohnsitz benannt, schnappte sich ganz pragmatisch einen anderen – den Herrn Nixdorf. Der hatte in den Dreißigern parallel zu Al Capone einige Zeit in Chicago verbracht, nur eben in den Schlachthäusern. Längst zurück aus Übersee war er jetzt aus Schlesien verduftet, wo er als Metzger, Landwirt und Bürgermeister reüssiert hatte. Jetzt stand er auf dem Hamelner Wochenmarkt und verkloppte frische Lebensmittel ­– vom Appel bis zum lebendigen Küken. Später wurde daraus eine Lebensmittelgroßhandel. In jedem Fall aber hieß Omma Hameln jetzt Nixdorf und ihr neuer Mann wurde zu Oppa Nixdorf, benannt so ganz und gar nicht nach seinem Wohnsitz.

Diesem geballten Unternehmertum stand der Clan meines Vaters gegenüber, angeführt von Omma Wangelist, natürlich benannt nach ihrem Wohnsitz, einem Ortsteil von Hameln. Das waren sturmfeste und erdverwachsene Niedersachsen, trinkfeste Arbeiter und SPD wählende Sozis. Nicht wenige davon arbeiteten bei Vogeley, einem durchaus bekannten Hersteller von Puddingpulver, der später erfolglos auf die Produktion von Lebensmitteln für Großküchen und Industrie umstellte, um so eine veritable Pleite hinzulegen.

In diesem Spannungsfeld wurschtelte sich mein Vater so durch. Er verkaufte Margarine, Kuchen, wurde Mitarbeiter der »Gilde Bräu« und übernahm schließlich den Lebensmittelgroßhandel von Oppa Nixdorf. Bei den Auslieferungen begleitete ich ihn häufig, lernte so frühzeitig das Innenleben der Hamelner Gaststätten, Großküchen sowie Imbissbuden kennen. Und stank abends oft nach Frittenfett.

Als Rentner steuerte mein Vater dann nach der Wende regelmäßig den Verkaufswagen einer Schlachterei aus dem Kreis Hameln nach Erfurt, kooperierte recht schnell mit einigen mafiösen Vietnamesen und versorgte so die Rattenfängerstadt Hameln stangenweise mit unverzollten  Zigaretten.

Ich selbst jobbte vor meinem Studium noch tageweise in einem Obst-und Gemüseladen bis mir eine alte Dame vor die Bananen kackte. Sie hatte wohl nicht nur ihre Unterhose vergessen, sondern auch, mich über ihren Köttel zu informieren. Wortlos war sie durch die Tür entschwunden und hatte so meine Karriere rund um Lebensmittel über den Haufen geschossen. Tja, wie es schon in »Once Upon A Time In America« heißt: Das Leben ist verrückter als Scheiße.


Gegessen und getrunken habe ich aber weiterhin immer gern, was sich in dem Kochbuch »Iss so!« manifestierte – ausgezeichnet mit dem Red Dot Award und dem German Design Award Special Mention. Und jetzt blogge ich eben. Oder anders ausgedrückt: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“

 

Von der unendlichen Vielfalt des endlich Guten

Dreihundert Postings sind die eindeutige Antwort darauf, ob es genügend Themen für interessante kulinarische Abenteuer in Südhessen gibt. Und ein Ende ist nicht im Entferntesten abzusehen.

Die Renner unter den bisherigen Beiträgen berichten über die Kochkäserei Rettig in Fürth, vom selbst gemachtem Walnusswein, dem Kochkäs’schnitzel, über Liebigs Fleischextrakt und dem Rezept für Semmede, dem fast vergessenen Odenwälder Gericht.

So genug geplaudert. Mein Schmucker Meister Pils ist alle und ich werkle bereits an neuen Themen. Da dreht sich alles um echte Typen, Wein, eine Straußenwirtschaft, Gewürze, das Rind als Klimaschützer, Kindheit in den Sechzigern und vieles mehr, was es hier so gibt oder gab. Hier im Odenwald und an der Bergstraße. In Hessens tiefem Süden.

 

Fotos: Thomas Hobein

(Beim Erinnern u.a. gehört: »Empire State of Mind, Pt. II«, performed von Alicia Keys)

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