Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Odenwälder Flusskrebs-Stullen

Aus der Gersprenz frisch auf den Tisch

In der letzten Augustwoche hatte ich die Gelegenheit einige Mitglieder vom ASV Gersprenztal 1932 bei der Entnahme von Flusskrebsen an der Gersprenz zwischen Reinheim und Groß-Bieberau im nördlichen Odenwald zu begleiten, um anschließend meinen Anteil an der Beute in der Küche zu würdigen. Was zusammengenommen zuerst sehr interessant und später ziemlich lecker war.

 

»Mitte September im Odenwald. Es ist so heiß, dass sich der Asphalt in Kaugummi zu verwandeln droht. Wer nicht schwitzt ist ein Alien oder ein Flusskrebs. Und genau denen geht es jetzt an den Kragen – durch konsequentes Aufessen. Aber zuerst müssen wir sie noch fangen.« So begann mein Blogpost im September 2016 zum Thema Surf n’ Turf im Odenwald. Jetzt bot sich wieder einmal die Gelegenheit Flusskrebse zu ergattern. Da lasse ich mich nicht lange bitten.

 

An der Gersprenz

Ingo Bach, Freund, Kollege und passionierter Angler, hatte den Kontakt zum ASV Gerprenztal 1932 in Reinheim am nördlichen Rand des Odenwlads hergestellt. Jetzt sammelte er mich in Darmstadt ein und chauffierte uns nach Reinheim-Ueberau ans Vereinsheim des Angelsportvereins. Von dort aus ging es gemeinsam an die Stelle an der Gersprenz, wo die Reusen auslagen, die heute geleert werden sollten und auch wurden.

In den folgenden zwei Stunden beantworteten Hermann Poth, Frank Ehlert und Hans-Jürgen Klein geduldig unsere Fragen und leerten, verteilt auf wenige hundert Meter des Flusslaufs, zwanzig Reusen. Einige dieser »Unterwasser-Fallen« waren prall gefüllt, andere beherbergten nur einen einsamen Krebs. Nach der Leerung wurden die Reusen neu mit Ködern bestückt und wieder ausgelegt. Wer sich nun fragt, was so ein Signalkrebs gern zu sich nimmt – nun, sie mögen gern Fischpellets und sie lieben »Frolic«.

 

Viel mehr als Angeln

Auf die oben beschriebe Weise fingen die ASV Mitglieder im Jahr 2022 die beachtliche Anzahl von 10018 Krebsen in 30 Aktionen. Alle wurden durch Privatpersonen verputzt. Diese exakte Zahl ergibt sich, da alle gefangenen Krebse gezählt, geschlechtsbestimmt und gemessen werden. Die so erhobenen Daten gehen zur Auswertung an die Obere Fischereibehörde im Regierungspräsidium Darmstadt und dann weiter an das »HLNUG«, die unaussprechliche Abkürzung steht für »Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie«.

Auf diese Weise trägt der Verein aus Reinheim-Ueberau aktiv zum heimischen Gewässerschutz und damit auch zum Landschaftsschutz bei. Und die Mitglieder tun in Abstimmung mit den Behörden noch wesentlich mehr dafür. Sie kümmern sich intensiv  »… um den Aufbau und den Erhalt einer dem Gewässer angepassten artenreichen heimischen Fischfauna. Dazu gehört auch die Wiederansiedlung von Fischarten, die seit Jahrzehnten in diesem Teil der Gersprenz nicht mehr vorhanden waren.« Dieser kurze Auszug aus der Vereinswebsite sagt mir, dass der Namensteil »Angelsportverein« für dieses Leistungsspektrum eigentlich zu kurz gegriffen ist. Deutlich.

Aber hier endlich das amtliche Endergebnis des heutigen Tages: Knapp unter 400 Stück umfasste der Fang und pro Kopf ein kühles Pils. So viel Zeit muss sein.

 

Naturschutz durch Aufessen

Der Signalkrebs ist bis zu 16 Zentimeter lang und nicht im Mindesten mit seiner veränderten Lebenssituation einverstanden, wenn man ihn fängt. Er zappelt dann aufgeregt herum, fuchtelt wild mit seinen Scheren und zwickt gern seine einzigen Fressfeinde – die Menschen – in die Finger. Man erkennt sie an der rot gefärbten Unterseite der Krebsscheren und an den weißen Flecken auf der Oberseite der Scheren. Diese Merkmale sind allerdings mal mehr oder weniger deutlich – abhängig davon, wann die letzte Häutung (ein bis zwei Mal pro Jahr) stattgefunden hat.

Dieser Flusskrebs ist ein sogenanntes Neozoon. So bezeichnet man Tiere, die durch den Menschen in Gebiete gebracht wurden, in denen sie ursprünglich nicht vorkamen. Dieser hier – ein US-Invasor – verdrängt erfolgreich die einheimischen Edelkrebse durch die Übertragung der Krebspest. Der krabbelnde Ami selbst ist gegen den verursachenden Pilz der Krankheit resistent.

Wo sich die Eindringlinge erst mal festgesetzt haben, machen sie auch schnell einhundert Prozent der Population aus und vermehren sich schneller als die vielzitierten Karnickel. Ein Weibchen trägt bis zu 80 Eier. Deshalb haben sie im Gegensatz zu den heimischen, geschützten Edelkrebsen in Deutschland keine Schonzeit. Wohl aber eine Saison, in der man sie am besten fangen kann – von Juni bis Oktober. Und in dieser Zeit gilt es, möglichst viele davon aufzuessen. Zum ganz persönlichen Vergnügen und zum Schutz der befallenen Gewässer. Geht doch.

  

Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?

Inspiriert ist das folgende Rezept vom »Poor Boy« oder »Po Boy«. Dieses einem Baguette ähnliche Sandwich stammt aus der Gegend um New Orleans und ist seit seiner Erfindung fester Bestandteil der französisch, karibisch, afrikanischen inspirierten Cajun-Küche. Es wurde in den Big Easy-Küchen im Jahr 1929 zur Versorgung von streikenden Straßenbahnfahrern kreiert, für die armen Jungs eben. Zwischen zwei Weißbrothälften fand alles Platz, was noch da war. Und das waren wohl insbesondere Krabben und Flusskrebse. Versionen mit Fleisch gab und gibt es auch, aber die sind nicht so berühmt wie die Krabben/Krebs-Versionen.

Die zweite Inspiration brachte ich aus Kapstadt mit. Da habe ich auf einem Fischerboot den »False Bay Burger« kennengelernt. Der wird insbesondere während der Fangtour für Touristen serviert. Das ist frisch gefangener und gekochter Hummer, der zwischen zwei Wasserweckhälften geflanscht und mit Mayo zugespachtelt wird. Sonst nix. Der Grund für die Angelegenheit sind die dortigen Fischerei-Gesetze. Es darf nämlich nur ein stark begrenztes Kontingent von gefangenen Hummern an Land gebracht werden. Also futtert man an Bord, was geht – bis zum Eiweiß-Schock – und nennt es nach dem Fanggebiet eben werbewirksam »False Bay Burger«.

Ihr seht, was hier teure, ja fast unbezahlbare, kulinarische Leckerbissen sind, kommen in anderen Teilen Welt anscheinend im Überfluss vor (by the way: 1,5 kg lebende Flusskrebse kosten hier im Internethandel etwa 90,00 Euro).

Aber wichtiger ist die Frage: Machen wir also aus dem »Poor Boy« oder aus dem »False Bay Burger« einen »Armen Odenwälder« oder den »Gersprenz-Burger«? Entscheidet selbst. Ich kann mich nicht um alles kümmern.

 

Die Zubereitung »Armer Odenwälder« oder »Gersprenz-Burger«


Ihr braucht für zwei Sandwiches bzw.Burger

  • 20 Flusskrebse
  • 2 EL Maismehl
  • Cajungewürz (oder andere Gewürze, die etwas Bumms in die Sache bringen)
  • 4 Scheiben Roggenbrot
  • Eisbergsalat
  • 4 mittelgroße Tomaten, gehäutet, entkernt
  • 1 rote Zwiebel, fein gewürfelt
  • 1-2 Knoblauchzehen in dünnen Scheiben
  • 2 EL Zucker
  • Mayonnaise
  • Cornichons in Chilisud
  • Olivenöl
  • Essig
  • Salz und Pfeffer

 

Vorbereitung der Krebse

In einem großen Topf bringt ihr ausreichend Wasser und Meersalz (viele Rezepte verzichten auf das Salz) zum Kochen. Währenddessen spült ihr die noch lebenden Krebse mit viel Wasser ab. Wenn das Kochwasser sprudelt, gebt ihr immer nur eine Handvoll der Krebse hinein (zu viele Krebse auf einmal kühlen das Wasser ab, der Kochvorgang wird unterbrochen und der eigentlich sekundenschnelle Tod der Krebse verlängert sich unnötig). Nach etwa drei Minuten fischt der Koch die jetzt knallroten Krebse wieder heraus.

Jetzt gilt es, pro Krebs das Fleisch der zwei Scheren und des Schwanzes zu befreien. Dazu werden zuerst die Scheren, dann der Kopf und dann die Schwanzflosse vorsichtig abgedreht. Von den Scheren wird das kleinere bewegliche Scherenblatt herausgedreht. Das Fleisch lässt sich dann leicht herausziehen. Der große Teil der Schere wird dann mit einem Messe geknackt und das Fleisch herausgefriemelt. Jetzt noch der Schwanz. Der wird mit beiden Daumen zu den Seiten hin aufgebrochen. Fleisch entnehmen. Darm entfernen. Fertig. Das dauert und geht im Team und mit einem Bier leichter von der Hand.

 

 Das Tomatenkompott

Erhitzt zwei bis drei Esslöffel Olivenöl und gebt den Zucker in das heiße Öl. Wenn sich der Zucker aufgelöst hat, gebt ihr die Zwiebelwürfel und den Knoblauch dazu. Schwitzt beides kurz an. Währenddessen schneidet ihr das Fruchtfleisch der Tomaten in kleine Stücke und gebt es in den Topf bevor Zwiebel und Knoblauch Farbe nehmen. Lasst die Mischung rund fünf Minuten bei geringer Hitze köcheln.  Schmeckt euer Kompott mit einem Schuss Essig, Salz und Pfeffer ab und stellt es beiseite.

 

Frittieren der Flusskrebse

 Da ich etwas Knusper auf der Stulle will, wende ich das Krebsfleisch zuerst in Maismehl. Dazu nehme ich nur sehr wenig Mehl. Denn das Fleisch soll nicht wie ein Schnitzel komplett von der Panierung umschlossen sein, sondern – wie gesagt – nur etwas Crunch ins Spiel bringen. Oder wie der moderne keit-surfende Fernsehkoch sagt, dem Krebs etwas Crunchigkeit verleihen. Das Frittieren in heißem Öl sollte nicht länger als ein bis zwei Minuten dauern. Dabei wendet ihr das Fleisch, damit es von allen Seiten sein Fett abbekommt.

Die frittierten Krebse lasst ihr kurz auf Küchenkrepp abtropfen und würzt sie leicht mit dem Cajungewürz ab.

Wer will kann durch eine angedrückte Knoblauchzehe das Öl aromatisieren. Und natürlich könnt ihr die Panierung auch weglassen. »de gustibus non est disputandem, wie es in Asterix heißt. Denn über Geschmack lässt sich bekanntlich ja nicht streiten. Oder erst recht, merkt der Autor an.

 

Es wächst zusammen, was …

Jetzt baut ihr eure zwei Stullen, Sandwiches oder Burger. Beginnt wie alle guten Baumeister mit dem Fundament – jeweils einer Scheibe Brot. Darauf verteilt ihr pro Scheibe ein Viertel des Tomatenkompotts. Legt dann dir knackigen Blätter vom Eisbergsalat darüber. Lasst je ein weiteres Viertel des Tomatenkompottes folgen. Dann ist es Zeit für die frittierten Flusskrebsschwänze und einige kleingeschnittene Cornichons. Den Abschluss bildet das Dach aus einer weiteren Scheibe Brot, deren Unterseite mit Mayonnaise bestrichen ist. Haut rein. Trinkt Bier. Seid glücklich. Und – ihr könnt das alles selbstverständlich auch ganz anders machen.

Und … das waren zwar nicht meine ersten, bestimmt aber auch nicht meine letzten Flusskrebse aus der Gersprenz. Hier im Odenwald. In Hessens tiefem Süden.

 

Bleibt nur noch, Danke zu sagen. An die Männer vom ASV Gersprenztal  1932 e.V. weil sie mich »Nichtangler« mitgenommen haben und an Ingo Bach für die Organisation und einige der Bilder.

 

Fotos: Ingo Bach und Thomas Hobein

(Beim Auslösen des Krebsfleisches u.a. gehört: »Aliens Ate My Buick« von Thomas Dolby

4 Kommentare zu “Odenwälder Flusskrebs-Stullen

  1. Wir bedanken uns sehr herzlich für die Erstellung und Veröffentlichung des überaus gelungenen Berichtes über den Signalkrebs in der Gersprenz bei Ueberau.
    Der Bericht macht das Problem mit den invasiven Arten auch im Wasser für die Bevölkerung transparenter und zeigt zugleich Möglichkeiten auf, die Bestände durch kulinarische Verwertung wirksam zu reduzieren. Wir erhoffen uns dadurch vielleicht den ein oder anderen neuen „Abnehmer“der Krebse auch wenn wir zurzeit ausreichend „Kunden“ haben. Gestern hatten wir wieder 360 Exemplare in 20 Reusen an den gleichen Stellen. Mal sehen, wie es heute aussieht.
    Alson och einmal vielen, vielen Dank und vielleicht sehen wir uns ja Anfang des kommenden Jahres wieder.

    Hermann Poth
    ASV Gersprenztal 1932 e.V.

  2. „Groß-Bierberau“ – ich fordere die sofortige Umbenennung des Ortes in GROSS-BIERBRAU, wennschon!

    1. Thomas Hobein

      Danke für die verdiente Zurechtweisung. Ich habe das Heer meiner Mitarbeitenden mit der Korrektur beauftragt.Und »Wehe« denen, die das nicht schnell erledigen.

  3. Pingback: FoodBlogger Hobein & Bach beim ASV – ASV Gersprenztal 1932 e.V.

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