Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Zur Schmelz

Regional? Saisonal? Bio? (Folge 03)

Regional. Saisonal. Bio. Das findet jeder gut. Und jeder redet darüber. Und doch meint jeder etwas anderes und handelt – wenn auch in bester Absicht – entsprechend individuell. Michael Frank hat einige Gastronomen in der Gegend dazu befragt. Begleitet ihn auf seiner Tour, lernt die Leute kennen und das, was dort auf den Tisch kommt.

Du fährst auf der B 460 von Fürth (das im Odenwald) einige Zeit in süd-östlicher Richtung. Es geht mal nuff un mal nunner oder auch ruff un runner, aber immer bleibst du auf der Siegfriedstraße. Und wenn du dann rechts der Straße das Schild siehst, auf dem in Gelb auf grünem Grund „Hüttenthal“ steht, mach dich bereit – bereit für das Gasthaus Zur Schmelz, das dort gleich direkt an der Straße liegt.

 

49.62425876867529, 8.921903150000048

Ulrike und Gernot Michel bringen hier täglich bodenständige, regionale Küche auf den Punkt. Unprätentiös. Lecker. Einfallsreich. Eben so, wie es sein soll, aber nicht überall ist. Die verarbeiteten Produkte, stammen weitgehend von Landwirten und Herstellern aus der Umgebung. Michael Frank hat Ulrike und Gernot Michel unsere fünf Fragen zum Thema gestellt.

 

Frage 1:
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Regionale Küche“?

UM: „Wenn’s um Küche geht, denke ich mal, muss man das zweiteilen. Zum einen sind da die regionalen Rezepte – also das, was man eigentlich hier in der Gegend gegessen hat oder was man von der Oma überliefert gekriegt hat oder von den Eltern – und zum anderen die Produkte.“

 

Frage 2:
Beschränkt sich „Regionale Küche“ für Sie auf die regionaltypische Zubereitung regionaler Produkte?

 UM: „Was hat denn bei uns den weitesten Weg zu uns? Also wir haben nicht alles aus der Region, aber viel. Und den weitesten Weg haben die Kartoffeln vom Böhm (Otzberg) – abgesehen vom Grünkern aus dem Bauland.“

 GM: „Ja gut, ich weiß nicht, wo der Keil seinen Salat her kriegt.“

UM: „Nee, wir haben nicht alles aus der Region, aber was wir aus der Region kriegen, das sind die Eier aus Georgenhausen, die Kartoffeln vom Böhm, die Forellen zweihundert Meter weit entfern, die Schafe anderthalb Kilometer, Wildschwein …“

GM: „… aus dem Wald …“

UM: „… ja so zwei, drei Kilometer … vom Wilfried Wiedke. Der hat hier sein Revier. Oder auch schon mal vom Dietrich Kübler, je nach dem, wer gerade was hat. Und die Kartoffeln wie gesagt vom Böhm aus Ober-Klingen (gehört zu Otzberg… Anm. des Verfassers).“

GM: „Wobei halt bei Kartoffeln das Problem ist, dass man um diese Zeit im Odenwald (Herbst) keine Kartoffeln mehr kriegt. Für die Frühen ist es zu kalt. Also der Böhm, obwohl er der größte Kartoffelzüchter in Deutschland ist, hat er um diese Zeit keine Kartoffeln. Der hat dann die Mittelfrühen,  je nach Witterung fängt das dann an.“

UM: „Im Moment haben wir Pfälzer.“

UM: „Nee, wie gesagt, ausschließlich können wir das gar nicht. Zum einen kriegen wir hier in der Region nicht alles, was hier gerne gegessen wird und zum anderen passt es bei uns dann nicht ins Preisgefüge. Wenn wir hier alles aus der Region nehmen würden, müsste unsere Preisgestaltung anders aussehen. Und das wird in einem einfachen Gasthof – der es hier auch bleiben soll – nicht von der Menge an Menschen bezahlt. Da da ist einfach ein Preislimit drin.“

GM: „Das betrifft auch das restliche Fleisch, außer dem reinen argentinischen Rumpsteak. Ich habe es schon oft mit unseren Bauern davon gehabt. Die fragen, warum kaufst du denn von uns nicht das Rumpsteak? Und dann sage ich: Liefere mir drei Rücken in der Woche. Und dann kommt die Frage, was sie mit dem Rest machen sollen. Aber mein Problem darf das nicht sein. Das ist einfach etwas anderes, wenn ich ein Soay-Schaf oder wie jetzt ein Texel habe. Dann kann ich mal sagen, dass es aus ist. Aber bei Rumpsteak oder bei Schnitzel will ich das nicht. Das sind so Sachen, die gibt es immer und da freuen sich die Leute auch drauf.“

UM: „Wobei das nicht zur regionalen Küche gehört.“

GM: „Klar, das gehört nicht zur regionalen Küche.“

UM: „Wieviel Anteil auf der Speisekarte ist eigentlich Regional? Das wäre mal interessant.

Regional, das firmiert unter Odenwälder Gerichte, da ist die Herkunft wie gesagt Wild, Lamm … diese Sachen … also einen Anteil von siebzigProzent haben wir schon regional. Kann man so sehen. Wobei: Wenn wir es als regional ausweisen, dann ist es entweder wirklich ein regionales Rezept oder es sind eben regionale Zutaten. Also was so unter Odenwald firmiert ist dann wirklich das, wo beides zusammen kommt.“

 

Frage 2a:
Und Beschränkung auf regionaltypisch Zubereitungsmethoden?

GM: „Nein, eigentlich nicht. … Odenwald ist ein Schmorland. Viele Schmorgerichte, lange haltbar. Das war ja das Problem früher. Es gab kein Lamm. Da gab es Schaf oder Hammel – irgend ein altes Tier, das nicht mehr getaugt hat. Deswegen sind ja auch die Resentiments vieler Älterer gegenüber Lamm. Die setzen das gleich. Die haben das irgendwann als Kind mal gegessen und es war natürlich fürchterlich! Und nicht fachgerecht zubereitet … das tranige gelbe Fett mit dran … klar schmeckt das nicht.“

UM: „Du hast das ja auch auf dem Herd ziehen lassen und bist deiner Arbeit nachgegangen.“

GM: „Da gab’s auch das alte Suppenhuhn, das keine Eier mehr gelegt hat. Das kam in die Suppe. Da war die alte Kuh, die keine Milch mehr gegeben hat und keine Jungen mehr gekriegt hat. Die wurde dann verwurstet – das war so! Das Einzige, das zum Essen gezüchtet wurde, war das Schwein. Das wurde aber auch herzhaft gezüchtet. Die sind locker ein Jahr gewachsen und haben dann auch ihr Gewicht auf die Wage gebracht. Da ist kein Schwein geschlachtet worden, das nur einhundert, einhundertzwanzig Kilogramm hatte, da ging es vielleicht grad mal bei hundertfünfzig Kilo los.“

 

Frage 3:
Handelt es sich dabei ausschließlich um saisonale Produkte?

GM: „Die wechselnde Karte, ja. Ein Teil ist natürlich Standard. Zum Beispiel habe ich das ganze Jahr über Forellen drauf. Klar. Früher habe ich immer mal gewechselt und da stand mal Regenbogenforelle auf der Karte und mal Bachforelle. […] Erdbeeren, nein konsequent nicht, bei uns gibt es keine Erdbeeren im Herbst.“

UM: „Tomaten gibt es das ganze Jahr, Kopfsalat auch das ganze Jahr. Spargel gibt es, wenn es Spargel gibt. Im Moment sind die Pfifferlinge da. Im Herbst, wenn die Kartoffeln kommen, machen wir bei den Kartoffelwochen mit. Und auch die Lammwochen. Das sind diese regionalen Geschichten. Oder die Grünkernwochen. Die aus dem Bauland, die laden uns ein, wenn das Korn geerntet wird,. Da machen wir mit. Und im Herbst – klar – wenn’s Gänse gibt, dann geht die Saison los … also immer das, was auf der ersten Seite der Karte steht, ist die saisonale Geschichte.

Die Pfifferlinge sind nicht von hier, es dürfen in Deutschland gewerblich keine Pilze gesammelt werden.“

GM: „Ich hab EINMAL welche gehabt, die waren angeblich aus Deutschland. Aber ich bin mir da nach wie vor nicht sicher. Die bescheißen und belügen ja auch, mit dem, was sie draufschreiben. Die (Pilze …  Anm. des Verfassers) sind aus dem ehemaligen Jugoslawien bis hoch nach Litauen, je nachdem, wo sie halt grade sind. Ja, das gilt für die Steinpilze auch. Keine Ahnung wo’s herkommt.

UM: „Wir haben auch öfter, dass Sammler kommen und uns welche anbieten, aber das dürfen die nicht. Die kommen her und bieten die uns an … das sind dann „Hehler“ – in dem Moment.“

GM: „Kaufe ich denen nicht ab (gemeint sind Pilze … Anm. des Verfassers). Wir hatten schon welche, die hatten den ganzen Kofferraum voll. Die schicke ich weg. Natürlich werden die die in der Gastronomie los, aber wir können das hier nicht bringen.“

UM: „Also wir haben hier nicht nur Freunde. Aber wir sind auch im Verein der Pilzfreunde und Naturschützer und da machen wir das nicht.“

GM: „Wenn man das sich rein bildlich mal vorstellt […] Teilweise gibt es Jahre, da kostet ein Kilo Steinpilze 40 Euro. Und da würden die Städter oder irgendwelche anderen rauskommen und die Pilze abschneiden und irgendwo verballern – wenn sie sie überhaupt abschneiden. Die kennen sich ja zum Teil nicht aus. Da werden die rausgerissen und damit sind sie tot. Da passiert dann erst mal nix mehr in den nächsten Jahren.“

UM: „Wir dürfen für vier Leute – für uns vier Leute – sammeln, nicht fürs Lokal.“

GM: „Was ich mir schon überlegt habe, wie ist das, wenn wir einen eigenen Wald hätten, jetzt einen großen, ob wir das dann dürften? Das wüsste ich nicht.“

UM: „Ich denke mal ja. Wir haben ja zwei Stückchen Wald. Aber in dem einen gibt es keine Pilze und in dem anderen nur sehr wenige. Die hol ich mir auch und da will auch niemand mitessen, wenn ich mir die mache, aber bis jetzt lebe ich noch.“

 

Frage 4:
Gibt es „das“ regionale Gericht schlechthin?

GM: „Oh, ich will jetzt gar nicht den Kartoffel-Brambel sagen. (Auszug aus der Speisenkarte: gestampfte Kartoffeln und Äpfel mit gebratener Blutwurst, Speck- und Zwiebelwürfel).

UM: „Was ist denn so richtig Odenwald?“

GM: „Also so richtig Odenwald wäre der Schweinepfeffer, aber den habe ich im Sommer nicht auf der Karte. Ein Schweinegulasch, das sollte normalerweise relativ fett sein – wobei ich da Abstriche mache – der ist mit Blut gebunden und wie der Name „Pfeffer“ schon sagt, sind da sehr viele Gewürze drin.

UM: „Früher hieß ja alles Pfeffer, was gewürzt hat, außer Salz.“

GM: „Was ist denn für den Sommer typisch? Das sind fast die Grünkerngerichte.“

UM: „Ja gut, aber kommt eher aus dem Bauland drüben. Wir haben außer der Grünkernsuppe hier fast nichts mehr aus Grünkern auf der Karte. Das war früher die Hochzeitssuppe.“

GM: „Forelle ist auch nicht Odenwald-typisch. Rindfleisch-Meerrettich. Aber wieder ein Wintergericht eigentlich.“

UM: „Hochzeitssuppe, ja. Das war früher Grünkernsuppe mit Markklößchen. Gekochtes Rindfleisch mit Meerrettich und eingelegten Zwetschgen oder Roter Beete – das war so das Hochzeitsessen.

Odenwald-typisch sind noch der Handkäse und der Kochkäse, wobei der Kochkäse auch noch selber gemacht wird.“

UM: „Ja, das sind eben die Sachen, die im Sommer noch dazu kommen. Brennesselsuppe, Wildkräuter während der Grünkernwochen. Oder wenn die Tanja (gemeint ist Tanja Lenz … Anm. des Verfassers) ihre Wildkräuterwanderungen macht und fragt, ob wir wir im Anschluss nicht mal ein Menü daraus machen können. Das sind dann so Späßchen, die finden sich dann irgendwann da wieder.“

 

Frage 5:
Welche Bedeutung messen Sie „Bio“ bei?

UM: „Wenig!“

GM: „Dem muss ich beipflichten. Mit dem was mit Bio passiert, oder was man hört. Mittlerweile kommen siebzig Prozent der Bioprodukte aus China und da frage ich mich, wieviel dabei noch Bio ist. Ich weiß es nicht, ob das siebzig Prozent sind…“

UM: „Ich sehe für mich einen Unterschied zwischen Privat und Geschäft. Also privat, ich finde das toll, was die Frau Zimmermann – also der Hof da oben in Beerfelden – auf die Beine gestellt hat. Die machen schon lange Biomilch. Die haben auch Mut. Dann habe ich einen Schulkameraden, der hat einen Biohof mit Legehennen, Schweinen, Fleischrindern und auch Gemüse. Der ist in Nordhessen und eröffnet auch bald einen Bioladen in Arolsen. Also die sind davon überzeugt, was sie machen und machen das auch alles zweihundert prozentig. Er ist sogar Demeter-zertifiziert. Ich find’s gut, die stehen dahinter und da kann man sich drauf verlassen.

Hier ist das Angebot noch relativ klein. Da nehme ich lieber einen konventionellen Produzenten, der klein ist und von dem ich weiß, der arbeitet ordentlich. Sonst traue ich dem Frieden nicht so.“

GM: „Es sind auch genug Landwirte, die im Prinzip „Bio“ produzieren und selber ihr Futter anbauen, aber nicht biozertifiziert sind, weil sie sich das einfach nicht leisten können. Das ist einfach eine Preisfrage und vor allen Dingen sind ununterbrochen irgendwelche Kontrollen, wo man sich dann wieder frei machen muss.“

UM: „Der Kaffenberger (ein Metzger … Anm. des Verfassers) ist noch Bio, im Gersprenztal. Also für uns ist es zweitrangig.“

 

Wir danken Ulrike und Gernot Michel für Ihre Zeit

Und für die offenen Worte. Denn diese Fragen, die wir hier stellen, werden durchaus kontrovers diskutiert und sie führen zu unternehmerischen Entscheidungen, die individuell ausfallen. Aber mal davon abgesehen: Den im Interview beschriebenen Schweinpfeffer / das Schweinegulasch solltet ihr probieren, wenn er auf der Karte steht. Vertraut mir, denn ich weiß was ich sage. Und seht euch die Musikbox an.

 

Gasthaus Zur Schmelz
Obere Siegfriedstraße 20
64756 Mossautal

Tel. +49 6062 3724

info@gasthaus-zur-schmelz.de

Dienstag bis Sonntag 11:30–14:00 Uhr und 17:00–21:00 Uhr
Montag ist Ruhetag, außer an Feiertagen

www.gasthaus-zur-schmelz.de

 

Das Interview führte Michael Frank. Die Aussagen der Befragten sind inhaltlich unverändert, jedoch der hochdeutschen Schriftform angepasst. Für eine bessere Vergleichbarkeit entspricht die Reihenfolge der Fragen und Antworten dem Konzept und deshalb in Ausnahmefällen nicht dem Interviewverlauf. Ausgelassene Passagen, die zu zu unnötigen Längen führen oder die Leser in der geschriebenen Form verwirren würden, sind gekennzeichnet.

 

Fotografiert haben Michael Frank und Thomas Hobein.

(Unterwegs im Auto u.a. gehört: „Blue Balloon“ aus dem Album „La Cucaracha“ von Ween)

Nächste Woche: 49.68061780690765, 9.003966468173159

Weitere Beträge der Serie „Regional? Saisonal? Bio?“:
Folge 01: Einleitung
Folge 02: Hotel Waldesruh und Restaurant Pichlers
Folge 04: Labsal
Folge 05: Treuschs Schwanen und Johanns-Stube
Folge 06: Zum Löwen
Folge 07: Geiersmühle
Folge 08: Zum Hirsch – Fürstengrund
Folge 09: Zum Rebstock
Folge 10: Dornrös’chen
Folge 11: Alte Dorfmühle
Folge 12: Heiping
Folge 13: Zum Kreiswald
Folge 14: Heimkehr und Schluss

1 Kommentar zu “Zur Schmelz

  1. Ingmar

    Das Schwenepfeffer muss ich probieren. Es hört sich an wie eines der Gerichte meiner Oma Liesel.
    Danke für diesen Tipp …

Kommentar hinzufügen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wo wir weitere kulinarische Abenteuer erleben