Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Dornrös’chen

Regional? Saisonal? Bio? (Folge 10)

Regional. Saisonal. Bio. Das findet jeder gut. Und jeder redet darüber. Und doch meint jeder etwas anderes und handelt – wenn auch in bester Absicht – entsprechend individuell. Michael Frank hat einige Gastronomen in der Gegend dazu befragt. Begleitet ihn auf seiner Tour, lernt die Leute kennen und das, was dort auf den Tisch kommt.

Es mag ja „Fifty ways to leave your lover“ geben, aber nach Annelsbach führt mit dem Auto nur ein Weg. Du nimmst (von der B38 abgehend) die L 3106, die Brensbach mit Höchst im Odenwald verbindet. Und wenn du dich dann in einem dichten Waldstück befindest – so etwa in der Mitte zwischen den beiden Orten, aber doch nicht so ganz genau – solltest du wachen Geistes sein. Denn hier wirst du links ein Ortsschild nach Annelsbach finden und die L 3106 verlassen. Einige Kurven weiter, hinter dem Ortsschild, hältst du dich links. Und nur Augenblicke später entdeckst du dein Ziel auf der rechten Seite, auf der Linken kannst du parken.

 

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Wenn Carola und Peter Merkel auftischen geht es um Lamm, Kartoffeln, Kräuter, Forellen, im Herbst um Apfel, Süßmost, Wild und im Winter um Fondue, Gänsebraten & Co. Wer also auf der Suche nach guter, saisonaler Küche, gemacht aus regionalen Lebensmitteln ist, der hat im Dornrös’chen gute Chancen fündig zu werden. Michael Frank hat Peter Merkel unsere fünf Fragen zum Thema gestellt.

 

Frage 1:
Was verstehen Sie unter dem Begriff „regionale Küche“?

PM: „Zwei Dinge natürlich. Das eine sind die Gerichte oder Produkte, die man hier zubereitet hat. […]. Das andere ist, dass die Ware dazu möglichst um den Hof herum bezogen wird. Da stellt sich die Frage nach dem „Wie Weit“ – wie weit um den Hof herum. Und beides sollte in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Jetzt aus der Pfalz einen Saumagen zu holen, um ihn hier dann als Regional zu bezeichnen, ist schon ein bisschen doof. Das ist dann kein gefühltes „Um-den-Hof-herum“.

Wir haben schon immer Wurst und Fleischwaren vom Metzger aus der Nähe geholt – früher sogar von mindestens drei verschiedenen Metzgern. Einer in Hummetroth und zwei in Höchst. Und es war klar, dass alles nur von hier war. Großmärkte so wie heute gab es ja in der Art auch noch nicht und auch nicht die Lieferungen (von Waren … Anm. des Verfassers).

Die Molkereiprodukte kamen – und jetzt rede ich gerade von den 60er Jahren als ich Kind und Jugendlicher war –natürlich aus Höchst aus der ortsansässigen Molkerei. Er gibt hier natürlich nirgends mehr eine Molkerei. Außer in Hüttental. Die ist allerdings nicht gerade um die Ecke, sondern ein Stück weg … wie der Fisch von der Frau Burghard-Heilmann oder ihrem Kollegen Lenz (beide in Mossautal … Anm. des Verfassers). In Nieder-Kinzig gibt es noch einen Fischteich, also gerade über den Buckel rüber. Und das ist – klar – regional.“

 

Frage 2:
Beschränkt sich „regionale Küche“ für Sie auf die regionaltypische Zubereitung regionaler Produkte?

PM: „Nein, wir verwenden nicht konsequent nur Regionales. Aber je größer der Anteil an der ganzen Geschichte ist, desto besser. Bei den Odenwaldgasthäusern haben wir definiert, dass Fleisch und ein paar andere Produkte wie Geflügel bei einem Anteil von sechzig oder achzig Prozent liegen. Ich habe das auswendig nicht drauf. Aber da sind Anteile vorgegeben, die man erfüllen soll. Und das gibt schon mal die Richtung vor.

Bei Getreideprodukten dagegen, da wird es schon schwierig. (denkt laut) … eine Mühle, die auch Einheimisches verarbeitet, also da wird es so langsam schon ein bisschen schwieriger … Ob die ansässigen Mühlen, wie die Herrnmühle in Reichelsheim, noch viel Regionales mahlen? … Die Stockheimer Mühle in Michelstadt verkauft nur noch Produkte. Die nächste Mühle wäre die Getreidemühle Knecht in Obernburg am Main.

Aber dann gibt es noch ein betriebswirtschaftliches Problem – Lieferanten und Holeranten.

Also, wenn ich bei der Frau Burghard-Heilmann meinen Fisch aus Hüttenthal hole, habe ich ja sofort – selbst wenn es einer aus der Nachbarschaft für einen Bakschisch macht – fünfzehn Euro Transportkosten … eventuell zwanzig, wenn man den Sprit noch richtig rechnet. Deshalb brauche ich eine bestimmte Warenmenge, damit das noch aufgeht. Sonst würde jede Forelle schon mal einen Euro mehr im Wareneinsatz kosten. Klar, man kann ja sagen: Gut, dann kostet die Forelle heute eben neunzehn statt achtzehn Euro, der Gast trägt es sicher schon mit. Aber diese Rechnung bleibt ja nicht bei einem Produkt.

Wenn wir dann noch an die Getreidemühle fahren müssten und nicht beliefert werden – dann bleibt es (am Ende aus Kostengründen … Anm. des Verfassers) bei ein paar Produkten der herkömmlichen Großlieferanten. […]

Schauen wir mal auf Gemüse und Salat. Da gibt es in Höchst samstags einen Stand vom Hof Eichmühle bei Büttelborn und die haben eigentlich ein gutes Sortiment aus eigenem Anbau. Die haben auch Handelsware – klar, Zitronen und Ananas. Aber von Feldsalat bis Weißkraut, im Moment Blattsalate, sind vom eigenen Feld. Das muss ich holen – da wird wahrscheinlich der regionale Teil fünfzig Prozent ausmachen. Weil … was ich von dort kriege, ist nicht immer nur alles von denen. Wenn die Gurken noch nicht reif sind zum Ernten, dann sind die bei denen auch Handelsware.

Und dann werde ich noch vom Gemüsehaus Keil beliefert. Die hatten mal einen Laden in Erbach, im Sortiment aber gar nix eigenes. Also bekomme ich von dort auch nichts Regionales. So kommen wir bei uns auf etwa fünfundzwanzig bis dreißig Prozent beim regionalen Gemüse.“

 

(zu den Zubereitungsmethoden) PM: „Traditionelle Methoden? Ich sage mal: Der Schmorbraten, der wird hier immer noch auf herkömmliche Weise im Backofen gemacht – damit wir eine schöne Sauce haben, eine Schmorsauce – und nicht in einem Niedertemperatur-Übernacht-Zauberofen.

Den habe ich jetzt ja auch seit einem halben Jahr, aber noch nicht drauf, den fürs volle Programm einzusetzen. Also bestimmte Dinge, wie zum Beispiel Kochfleisch werden nach wie vor auf dem Herd gekocht. Wobei da auch wieder die Meinungen auseinander gehen.

Kollegen sagen: Mit dem Kombidämpfer über Nacht, sechs bis acht Stunden bei ganz niedrigen Temperaturen, das wird doch viel besser. … Aber ich brauche halt auch die Brühe für Suppen und so weiter – also den „Saftverlust“ beim Kochfleisch (tritt im Kombidämpfer nicht aus, da sich das Fleischgewicht besser hält … Anm. des Verfasser). Bei uns wird nix fortgeschmissen. Es geht nix verloren! […] Und mir schmeckt halt meine konventionelle Methode mit dem Fleisch in der Sauce und dem Wurzelgemüse und den Gewürzen drin. Doch ich muss so sagen, ich habe das Experiment mit dem Übernachtgaren ohne Sauce noch nicht selber gemacht. […]

Aber jetzt – regionale Zubereitungmethoden – da bin ich jetzt am nachdenken, weil ich halt alles so mache, wie ich das gelernt habe. Im Einsiedel bei Darmstadt, in der Traube in Trimbach, in Frankfurt beim Gartmann, beim Schwarzen Adler in Nied, im Oberwaldhaus in Darmstadt, in München und in fünf Wintersaisons in der Schweiz. […] Regional, ja. Jetzt bin ich ein bisschen am Trudeln. Ich meine, der Handkäs’ wird nach wie vor mit Musik gemacht und der Apfelessig ist ein eigener Apfelessig. Und Kartoffelgemüse genauso, also Mehlschwitze mit Zwiebeln und dann schön mit Lorbeer, den Gewürzen und dann die gekochten Kartoffeln wieder rein. Also auch die Gestampften.

 

Frage 3:
Handelt es sich dabei ausschließlich um saisonale Produkte?

PM: „Wenn’s geht ja. Der Spargel gibt es ja vor. Es gibt kein Spargelgericht aus der Dose im August oder danach. Das hört dann eben auch auf, wenn der Spargel rum ist. Die Erdbeersaison bestimmt sich auch selbst … Obst und Beeren, Kirschen usw. auch. Wir haben auch nur in seltensten Fällen mal außer der Zeit so was (auf der Karte … Anm. des Verfasser)… dass es im Oktober oder an Silvester etwas mit Erdbeeren gibt – das ist nicht so unser Ding.“

 

Frage 4:
Gibt es „das“ regionale Gericht schlechthin?

PM: „Das ist zum Beispiel das Kartoffelgemüse, oder … ich denke noch an ein Stückchen Fleisch, aber es muss ja auch nicht immer Fleisch sein. Früher war immer Mehlklößchensuppe angesagt, das ist eine Rindsbrühe mit – sagen wir mal – gröberen Spätzle drin. […] Aber doch : Kartoffelgemüse mit gebackener Blutwurst. Oder Kochfleisch mit Meerrettich.“ 

 

Frage 5:
Welche Bedeutung messen Sie „Bio“ bei?

 PM: „Schon wichtig. Aber wir selbst haben zu wenig Bio-Anteil. Bei Salat und Gemüse ziehe ich Regionales jedoch dem Bio vor – aus einer persönlichen Erfahrung heraus: Vor Jahren hatten wir mal diese Fastengruppen und bei denen war diese Bio-Gemüsesuppe angesagt. Es musste Bio sein. Bezogen haben wir die Produkte dazu in Höchst, wo es noch ein Biolädchen gab. Die haben mir dann zwischen den ganzen Kistenstapeln erklärt, was woher ist. Und als die dann sagten, die Tomaten sind aus Marokko, da habe ich gedacht: Ich weiß nicht, ob man das braucht. Also da ist mir Regional näher als Bio. Insgesamt hat es einen überschauberen Anteil.

Bei solchen Fragen komme ich aber auch immer ins Überlegen. Wo stehe ich und was müsste man vielleicht noch machen? […] Und warum gibt es hier nicht mehr Bio-Landwirte?

Das Volk will scheinbar Bio. Aber auf der anderen Seite hat mir schon vor zehn Jahren ein Direktvermarkter erzählt: Seine eigenen regionalen Bio-Äpfel, die etwas verhutzelt sind oder Flecken haben, gehen neben den Handelssorten wie Granny Smith im Verhältnis von zehn zu neunzig. Also hat sich im Volk wenig geändert. […]“

 

Vielen Dank für ihre Zeit Herr Merkel.

Das Gespräch mit Peter Merkel zeigt schon deutlich, das ein Gasthaus zu führen, ein niemals endender Prozess ist – alles ist im Fluss, wie man so schön sagt. Und insbesondere im Spannungsfeld von eigenen Ansprüchen, Wünschen der Gäste und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Aber wenn dann so etwas Außergewöhnliches wie „Vario“ schon auf der Vesperkarte auftaucht, dann ist alles gut. Diese Käseplatte mit verschiedenen Hüttenthaler Käsesorten und Kochkäse in drei Varianten hatte ich vor einigen Wochen und werde sie auch im nächsten Jahr wieder probieren. Und dann komme ich auch den zugehörigen süßen Handkäs’ Trüffeln aus der hauseigenen Herstellung auf die Spur.

 

Dornrös‘chen
Annelsbacher Tal 43
64739 Höchst-Annelsbach im Odenwald

Tel. +49 6163 2484
info@ dornroeschen-annelsbch.de

Täglich von 9:00–21:00 Uhr
Küchenzeiten: Tageskarte mittags von 12:00–14:00 Uhr
Kaffee & Kuchen, kleine Karte von 14:00–18:00 Uhr
Abendkarte ab 18:00 Uhr

Ruhetag (Februar bis August): Dienstag
Ruhetag (September bis November): Dienstag und Donnerstag

Winterpause vom 13. November bis 12. Februar

Winter-Sonderveranstaltungen (Reservierung empfohlen):
Ab Ende November sind unsere Hotel-Arrangements zu den Advents- (Fondue-) Wochenenden reservierbar.
Über Silvester ist unser Silvester-Hotel-Arrangement buchbar und das Gasthaus dann nur für HOTELGÄSTE geöffnet.

Die Saison 2018 beginnt am 13. Februar mit dem Kräppelkaffee.

 

http://www.dornroeschen-annelsbach.de

 

Das Interview führte Michael Frank. Die Aussagen der Befragten sind inhaltlich unverändert, jedoch der hochdeutschen Schriftform angepasst. Für eine bessere Vergleichbarkeit entspricht die Reihenfolge der Fragen und Antworten dem Konzept und deshalb in Ausnahmefällen nicht dem Interviewverlauf. Auslassungen, die zu unnötigen Längen führen oder die Leser in der geschriebenen Form verwirren würden, sind gekennzeichnet.

Fotografiert haben Michael Frank und Thomas Hobein.

(Unterwegs im Auto u.a. gehört: „Color“ aus dem Album „Princess Flash“ von den Foreign Diplomats)

 Nächste Woche 49.70365792588307, 8.625517232267605

Weitere Beträge der Serie „Regional? Saisonal? Bio?“:
Folge 01: Einleitung
Folge 02: Hotel Waldesruh und Restaurant Pichlers
Folge 03: Zur Schmelz
Folge 04: Labsal
Folge 05: Treuschs Schwanen und Johanns-Stube
Folge 06: Zum Löwen
Folge 07: Geiersmühle
Folge 08: Zum Hirsch – Fürstengrund
Folge 09: Zum Rebstock
Folge 11: Alte Dorfmühle
Folge 12: Heiping
Folge 13: Zum Kreiswald
Folge 14: Heimkehr und Schluss

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