Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Zum Hirsch

Regional? Saisonal? Bio? (Folge 08)

Regional. Saisonal. Bio. Das findet jeder gut. Und jeder redet darüber. Und doch meint jeder etwas anderes und handelt – wenn auch in bester Absicht – entsprechend individuell. Michael Frank hat einige Gastronomen in der Gegend dazu befragt. Begleitet ihn auf seiner Tour, lernt die Leute kennen und das, was dort auf den Tisch kommt.

Es geht auf der B 45 nach Bad König. Dort, wo die Bundesstraße ein Gewerbegebiet streift und im Hintergrund zwei Zwerghochhäuser in die Landschaft geflanscht wurden, verlässt du die B 45 und fährst auf der L 3318 in Richtung Vielbrunn. Aber nur für rund einhundert Meter, denn du musst gleich nach der Tankstelle schon wieder links nach Fürstengrund abbiegen. Weiterer Orientierungssinn wird dir aber nicht abverlangt. Du fährst einfach stur geradeaus, verlässt das Gewerbegebiet, fährst durch Felder und Wiesen hinein nach Fürstengrund. Nun noch etwas Geduld und dann taucht auf der linken Straßenseite das Gasthaus Zum Hirsch auf. „Sie haben ihr Ziel erreicht.“

 

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Alles von hier und möglichst „von Unserm“ – so beschreiben Sigrid und Rainer Schäfer die Produkte, die in ihrem Gasthaus zu leckeren Gerichten werden. Dazu verarbeiten sie den Großteil aus dem eigenen Garten oder der eigenen Landwirtschaft und alles andere von regionalen Erzeugern, die sie persönlich kennen. Michael Frank hat Rainer Schäfer unsere fünf Fragen zum Thema gestellt.

 

Frage 1:
Was verstehen Sie unter dem Begriff „regionale Küche“?

RS: „Bei mir ist das explizit etwas anderes, weil wir ja die von uns erzeugten Lebensmittel verarbeiten. Zum Großteil.

Regionale Küche bedeutet für mich Überfluss- und Mangelwirtschaft wirtschaftlich gleichzeitig zu verwalten. Das heißt also. Dieses Jahr haben wir Blumenkohl in rauhen Mengen. Da müssen wir zusehen, dass wir Blumenkohl machen. Es gibt aber keinen Apfel und es gibt keine Birne, aber ich muss jetzt irgendwie agieren – oder wir müssen agieren. Wir können keinen Apfelsaft und Birnensaft machen. Weil wir keine Äpfel haben. Und ich kaufe auch keine Äpfel! Denn da kaufe ich halt zwangsläufig „irgendeinen“ Saft.

Mit der Regionalität (gemeint ist der Begriff … Anm. des Verfassers), da habe ich mittlerweile so meine Probleme, weil sogar der Edeka schreibt, dass denen der Bauer bekannt ist. Wir können uns leisten da recht kleinlich zu sein, weil wir halt viel haben – das ganze Gemüse und das ganze Obst – soweit es welches gibt – aus eigener Erzeugung.

Und ich werde jetzt den Teufel tun … und irgendwo Bohnen kaufen, wenn meine alle sind. Nee! Weil ich weiß, ich habe die Gefriertruhe voll mit Blumenkohl oder mit Gott weiß was, mit allem anderen Gemüse. Also wir wollen immer das verschaffen, was wir selbst erzeugen. Ich meine, das ist ein Luxus, den kann sich niemand leisten, der kein Gemüse anbaut.“

 

Frage 2:
Beschränkt sich „regionale Küche“ für Sie auf die regionaltypische Zubereitung regionaler Produkte?

RS: „Wenn jemand was anderes will, Riesengarnelen zum Beispiel – da stehen wir beide dahinter und sagen ehrlich es tut uns leid, das ist nicht in unserem Programm, das haben wir nicht. Und die Leute akzeptieren das. Das sind aber nur Minimalprozente. Und dann hat ja jeder die Wahl, schon an der Speisekarte den Rückzug anzutreten. Also wir verbiegen uns nicht. Und ich denke das merken die ja auch. Wir verbiegen uns auch für die Leute nicht.“

(zu den Zubereitungsmethoden) „Meistens ist das althergebracht. Zum Teil auch schon ein bisschen modifiziert … einfach um auch den Kundenwunsch noch irgendwo zu erfüllen. Ich weiß nicht, ob man heute noch mit so einer dicken Mehlpampe am Gemüse die Kunden erfreut. Aber früher war das im Odenwald recht nahrhaft und irgendwo angesagt.“

 

Frage 3:
Handelt es sich dabei ausschließlich um saisonale Produkte?

RS: „Saisonal: Das ist halt auch so ein Thema. Die Leute verstehen nicht, warum sie bei uns im Februar eingekochte Karotten auf dem Salat haben. Und dann geht wieder die Missionarsarbeit los, weil die meisten Leute haben keinen Bezug mehr zum Erntezeitpunkt eines Gemüses. Das kann man den Leuten aber noch nicht einmal übel nehmen.

Wir hatten das in den Lammwochen. Da war eine junge Frau, die gesagt hat: «Sie machen doch alles regional, aber das ist ja alles konserviert.» Und da habe ich gesagt, Entschuldigung, es gibt jetzt nix. Und da hat dann der Opa zu ihr gesagt: «Ei ja, weißt Du das nicht, dass das dann da und da erst reif wird?»

Aber die Leute wissen es nicht mehr. Der Bezug fehlt zur Erntezeit fehlt. Ich habe zum Beispiel dieses Jahr erst Spargel gemacht, als es schönes Wetter gab, als es warm geworden ist. Weil ich den Folienspargel nicht kaufe, ich will diese Politik nicht unterstützen. Mineralien und dann die Sonne, das bildet die Aromaträger im Spargel – und nicht irgendwelche Kunstdünger und Rheinwasser oder so irgendwas. Und wir sagen das den Leuten auch genauso, wie ich das jetzt hier sage.“

 

Frage 4:
Gibt es „das“ regionale Gericht schlechthin?

RS: „Pff! Ganz schwer. […] Ich bin so ein Mensch … ich esse gerne Dinge im Sommer, die ich im Winter nie essen würde. Ich käme zum Beispiel nie auf die Idee, im Sommer einen Rotwein zu trinken. Oder jetzt irgendwie Wirsinggemüse zu essen (das Interview fand im Spätsommer statt … Anm. des Verfassers). Das hat zwar mit Feng Shui nichts zu tun, aber ist trotzdem so ein Odenwälder Feng Shui – doch, es ist wirklich so. Zum Beispiel habe ich tagelang keine Lust auf Salat und dann merke ich irgendwann in mir: Jetzt iss Salat, iss Salat. Und dann esse ich richtig Salat. Das ist das „Auf-sich-hören“. Aber ein regionaltypisches Gericht? Im Sommer ganz ander als im Winter. Schwer zu sagen. Also ich könnte mir jetzt vorstellen, frischen Blumenkohl mit Kartoffeln und Rührei oder so was.“

 

Frage 5:
Welche Bedeutung messen Sie „Bio“ bei?

RS: „Gar keine … (lacht) … ist das schlimm? Warum muss ich mich zertifizieren lassen und irgendwelchen Institutionen Geld in die Rippen schmeißen?“

 

Vielen Dank für ihre Zeit Herr Schäfer

Hier merkt man deutlich, dass Sigrid und Rainer Schäfers Konzept nicht nur mit unserem Thema verbunden ist, sondern sogar noch darüber hinausgeht. Die Produktphilosophie „von Unserm“ treibt saisonale Regionalität auf die Spitze und entspricht dabei einem Trend der Spitzengastronomie in Städten wie Berlin oder Paris. Trotzdem gibt man sich in Fürstengrund dem Gast gegenüber nicht missionarisch – ist sich aber durchaus bewusst, dass die Antworten auf diese Fragen nicht jedem schmecken. Aber das Essen schmeckt. Es schmeckt echt und echt gut. Echt jetzt. 

Gasthaus Zum Hirsch
Fürstengrunder Straße 36
64732 Bad König

Tel. +49 6063 912520
info@zumhirsch-fuerstengrund.de

Montag und Dienstag ab 11:30 Uhr
Freitag und Samstag ab 11:30 Uhr
Sonntag ab 11:00 Uhr
Warme Küche von 11:30 – 14:00 Uhr und wieder ab 17:00 Uhr
Vesperkarte 14:00 – 17:00 Uhr
Mittwoch und Donnerstag sind Ruhetag

www.von-unserm.de

Das Interview führte Michael Frank. Die Aussagen der Befragten sind inhaltlich unverändert, jedoch der hochdeutschen Schriftform angepasst. Für eine bessere Vergleichbarkeit entspricht die Reihenfolge der Fragen und Antworten dem Konzept und deshalb in Ausnahmefällen nicht dem Interviewverlauf. Auslassungen, die zu unnötigen Längen führen oder die Leser in der geschriebenen Form verwirren würden, sind gekennzeichnet.

Fotografiert haben Michael Frank und Thomas Hobein.

(Unterwegs im Auto u.a. gehört: „Change“ aus dem Album „Boingo“ von Oingo Boingo)

Nächste Woche: 49.644424910644204, 8.797654701320873

Weitere Beträge der Serie „Regional? Saisonal? Bio?“:
Folge 01: Einleitung
Folge 02: Hotel Waldesruh und Restaurant Pichlers
Folge 03: Zur Schmelz
Folge 04: Labsal
Folge 05: Treuschs Schwanen und Johanns-Stube
Folge 06: Zum Löwen
Folge 07: Geiersmühle
Folge 09: Zum Rebstock
Folge 10: Dornrös’chen
Folge 11: Alte Dorfmühle
Folge 12: Heiping
Folge 13: Zum Kreiswald
Folge 14: Heimkehr und Schluss

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